WIEN. (hpd) Sehr religiöse Menschen mögen meist keine Atheisten. Der Superintendent der evangelischen Kirche in Niederösterreich, Paul Weiland, gehört offenbar zu dieser Gruppe. Mit Unterstützung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Seine protestantische Geschichtslosigkeiten und Einlassungen zum Religionsunterricht sind bemerkenswert.
Ein Kommentar von Christoph Baumgarten
Man hat beinahe den Eindruck, keine Ausgabe der evangelischen Sendung „Zwischenruf“ auf Ö1 (oe1.orf.at) vergeht ohne mehr oder weniger expliziten Nazivergleich. Paul Weiland, Superintendent (= Bischof) der evangelischen Kirche AB und HB in Niederösterreich kann nicht auf ihn verzichten, wenn er vor denen warnt,
die Religion zur Privatsache machen wollen, und natürlich ganz besonders vor denen, die den konfessionellen Religionsunterricht abschaffen wollen: „Da hat es ja schon manche Ideologien gegeben, die das versucht haben. Aber sie haben alle in menschenverachtender Überheblichkeit, im Größenwahn und im Zusammenbruch aller Werte geendet.“
Wohlmeinende könnten sagen: Gut, der Stalinismus ist da auch drin. Das macht es nicht wirklich besser. Weiland sagt klar, dass heutige politisch tätige Atheisten und Säkularisten auf der gleichen erkenntnistheoretischen und zumindest implizit auch auf der gleichen moralischen Stufe stehen würden wie glühende NS-Anhänger und Stalinisten. Das braucht man sich nicht gefallen zu lassen.
Von einem Protestanten muss man sich das nicht gefallen lassen
Das braucht sich vor allem nicht vom Vertreter einer Einrichtung gefallen zu lassen, deren Mitglieder im März 1938 in Österreich den rechten Arm noch höher hoben als die katholischen Bischöfe. Nachdem nicht wenige in den Jahren zuvor Hitlers fünfte Kolonne gespielt hatten. Dass die „reichsdeutschen“ protestantischen Kirchenvertreter noch wüstere Nazianhänger und Antisemiten waren, entschuldigt das keineswegs. A pro pos Deutschland: Dort lebte genau diese Organisation ja auch in der DDR von Staatsleistungen und genoss Privilegien, von denen einfache DDRler nur träumen konnten. Nachher war man natürlich immer schon dagegen. Das macht aus Paul Weiland und der heutigen evangelischen Kirche in Österreich keine verkappten Nazisympathisanten. Aber jemanden, der die eigene Geschichte gern auf andere projiziert.
Atheisten haben kein vollständiges Leben
Wie er offenbar auch Menschen, die nicht an einen Gott glauben, offensichtlich für Menschen hält, die ihr innerstes Wesen verleugnen: „Der Glaube und die Religion bringen die Dimension des Menschen ins Spiel, ohne die das Leben nicht vollständig ist. Es ist die Dimension des Religiösen, die für jeden Menschen konstitutiv ist, und im Letzten nach dem Grund und Sinn des Seins fragt.“ Eine gewagte Aussage. Es gibt kein einziges seriöses Forschungsergebnis, das Religiosität zu etwas erklärt, was den Menschen erst zum Menschen macht. Im Paralleluniversum der protestantischen (wie auch der katholischen) Kirche spielen Fakten keine große Rolle. Dass sich Paul Weiland nicht vorstellen kann, dass auch das Leben nicht religiöser Menschen vollständig ist, ist sein Problem. Das sollte er auch bitte so deklarieren und nicht als Faktum darstellen. Das macht die Aussage beleidigend.
Zumal Religion kein neutraler Begriff für den protestantischen Superintendenten ist: „Der biblische Glaube engt Menschen nicht ein, er macht sie frei. Frei, nach ihrem Gewissen zu handeln.“ Nicht, dass wer meinen könnte, der Weiland habe die Heiden gleich lieb wie die Protestanten.
Alle irren sich – nur Paul Weiland nicht
Halten wir das Paul Weiland nicht mehr vor. Er hat’s nicht verdient. Nach eigenen Angaben. „Ich habe den Eindruck, dass die Kirchen Zurufe von außen bekommen, die weder dem Selbstverständnis der Kirchen entsprechen noch der heutigen Situation und dem heutigen Erscheinungsbild der Kirchen gerecht werden.“ Und: „In der Geschichte können so gut wie alle Entwicklungen, auch Fehlentwicklungen, nachgewiesen werden. Redet jemand aber von der Kirche heute, dann sollte er oder sie auch von dieser Kirche heute ausgehen.“ Na dann. Geschichtslos die heutigen Kirchen, allesamt.
Weniger Wohlgesonnene könnten Paul Weiland vorhalten, dass er dann auch nicht in die historische Mottenkiste greifen darf, um Andersdenkende unqualifiziert zu diffamieren. Man könnte ihn auch auf den Unterschied zwischen Selbstbild und Fremdbild verweisen. Oder vielleicht darauf, dass er, wenn eh alles anders ist, auch bitte nicht dem Paternalismus daher kommen sollte, dass der Mensch nur durch Religion ein vollständiges Wesen sei. Damit scheint er sich nicht großartig auseinandergesetzt zu haben.