Im Gespräch mit Corinna Gekeler

corinna_gekeler.gif

Corinna Gekeler / Foto © Evelin Frerk

BERLIN. (hpd) Corinna Gekeler, die Autorin der in der vorigen Woche veröffentlichten Studie zum kirchlichen Arbeitsrecht, schildert im Gespräch mit hpd (Podcast 10/2012), einige Details und Fragen dieser Studie, die auch für das anstehende Urteil des Bundesarbeitsgerichts zum Streikrecht in der Diakonie einen Hintergrund bildet.

Anlass der Studie war die Frage der Klärung von Diskriminierungen von Arbeitnehmern in kirchlichen Einrichtungen, insbesondere aufgrund der „Kirchenklausel“ im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz. Dafür gibt es in dieser Studie hinreichend Bespiele - gerade von bisher nicht bekannt gewordenen Fällen, in denen die Betroffen aus Furcht vor Sanktionen bisher geschwiegen haben.

Diese Alltagsauswirkungen werden durch konkrete Fallberichte belegt, es gibt eine Übersicht zu Rechtstradition und aktuellen Urteilen sowie Anmerkungen zum Veränderungsbedarf von Politikern, Gewerkschaft und anderen gesellschaftlichen Akteuren.

Aus den konkreten Berichten wird deutlich, dass von den Diskriminierungen alle Ebenen und Berufsgruppen betroffen sind, von Leitungskräften bis zu Praktikanten. Für die Angestellten bedeuten die Regelungen, dass sie auf Grundrechte wie die Religionsfreiheit verzichten und gegen die „Loyalitätspflichten“ verstoßendes Verhalten verheimlichen müssen. So schildert Corinna Gekeler u. a. die Situation einer Bewerberin als Sozialarbeiterin, die kein Kirchenmitglied war und zu der gesagt wurde: Der Einrichtungsleiter, ein Pfarrer, arbeite im Nebenzimmer, der könne sie jetzt gleich taufen und dann könnte sie die Stelle bekommen. Eine katholische Lehrerin, die schwanger wurde, sah sich genötigt, zu heiraten. Auf allen Ebenen werden Menschrechte untergraben.

Der zweite Abschnitt zeichnet die kirchenfreundliche Rechtstradition nach – insbesondere das vermeintliche Selbstbestimmungsrecht, das in die Verfassung wie eingemeißelt zu sein scheint und an dem nicht zu rütteln sei, was allerdings keinesfalls so zu sehen ist, denn beispielsweise ist ein Arbeitsverhältnis keine „innere Angelegenheit“ der Kirchen. Das Selbstverwaltungs- und Ordnungsrecht (nach Art. 140 GG, in Verbindung mit Artikel 137,3 WRV) gelte auch nur im Rahmen „der für alle geltenden Gesetze“, also müsse auch dort das Streikrecht gelten. Die Situation in Caritas und Diakonie haben sich hinsichtlich der Konfessionszugehörigkeit ihrer Mitarbeiter zudem verändert, wobei die Gerichte bisher nicht Schritt gehalten hätten. Und, als Nebenbemerkung, der Begriff der „Dienstgemeinschaft“ wurde aus der NS-Zeit übernommen. Weitere Ausführungen behandeln hörenswert Fragen des vorgeblichen Selbstbestimmungsrechts und die deutsche Umsetzung des europäischen Antidiskrimierungsrichtlinie.

Streikrecht und Bundesarbeitsgericht

Hinsichtlich der Frage, wie das Urteil des Bundesarbeitsgerichts (Morgen, am 20.11.2012) zum Streikrecht in der Diakonie ausfallen wird und seine Folgen, meint Corinna Gekeler: „Welche Bedeutung ein Urteil zum Streikrecht für das Individualarbeitsrecht haben könnte, ist unklar und die Meinungen darüber gehen auseinander. Inwiefern es eine Abschwächung des Selbstbestimmungsrechts und eine Relativierung desselben in der künftigen Rechtsprechung bedeuten könnte, wird von der genauen Urteilsbegründung abhängen. Das gilt auch für die Frage der Abwägung mit anderen Grundrechten und ob die Frage der Bedeutung der Passage „innerhalb des für alle geltenden Gesetzes“ Gegenstand sein wird. Egal was die Richter befinden werden, gilt jedoch: Eine Anwendung des Urteils auf das Individualarbeitsrecht muss eingefordert bzw. in Einzelfallurteilen ausgesprochen werden."

C.F.

Eine Kurzfassung der Studie im Anhang.

Hier kann die Langfassung der Studie per Mail bestellt werden.