Entscheidung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte

Kurzzeitiger Kindesentzug wegen Homeschooling angemessen

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Homeschooling im Jahre 1889
Homeschooling im Jahre 1889

Christliche Eltern in Hessen hatten gegen die in Deutschland bestehende Schulpflicht verstoßen, indem sie ihre vier Kinder zu Hause unterrichteten. Als Konsequenz hatten die zuständigen Behörden die Kinder und Jugendlichen kurzfristig im Heim untergebracht. Die darauf folgende Klage der Eltern vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wegen Verletzung ihres Menschenrechts auf Familienleben scheiterte nun.

Kritik am Schulsystem ist sicherlich gerechtfertigt und muss zur Fortentwicklung auch immer eingebracht werden. So zum Beispiel, dass Religionsunterricht noch immer von den Grund- bis in die Berufsschulen auf Stundenplänen zu finden ist, dass Klassen zu groß sind, Lehrpläne den aktuellen Anforderungen an Menschen hinterherhängen, Bedürfnisse einzelner Kinder zu kurz kommen. Das hessische Paar gab verschiedene Gründe dafür an, dass die Kinder nicht zur Schule gehen sollten. So sei die Hausaufgabenlast zu drückend, der Lärmpegel zu hoch, Lernerfolge im Familienverband besser. Auch religiöse Gründe gab die Familie an, um ihre Kinder vom in Deutschland verpflichtenden Schulbesuch fernzuhalten.

Verstöße gegen die Schulpflicht werden in den Bundesländern unterschiedlich geahndet. Während sie in manch einem Bundesland nur als Ordnungswidrigkeit eingestuft werden, ist Hessen strenger. Darum waren die Kinder, zu dem Zeitpunkt noch schulpflichtig, von der Polizei abgeholt und für einige Wochen in einem Heim untergebracht worden. Nachdem Tests gezeigt hatten, dass ihr Wissensstand dem Gleichaltriger entsprach, konnten sie zu ihren Eltern zurückkehren. Diese hatten sich schließlich auch zur Erlaubnis des Schulbesuchs entschieden. Heute ist allein die jüngste Tochter schulpflichtig.

Schließlich reichten die Eltern Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ein, weil sie durch den Entzug der Kinder und den Schulzwang ihr Menschenrecht auf Familienleben verletzt sahen. Der Gerichtshof entschied jedoch, dass die Gründe für den Eingriff in das Recht auf Familienleben relevant und ausreichend gewesen seien. Die jüngste Tochter bleibt also weiterhin schulpflichtig.

Kinder, deren Eltern z. B. mit Zirkussen umherziehen, sowie schwer kranke Kinder dürfen in Deutschland ohnehin außerhalb der Schule unterrichtet werden, werden aber auch auf ihren Leistungsstand geprüft. Im Ausland ist die Schulpflicht teilweise weniger strikt geregelt, sodass der Heimunterricht häufiger vorkommt und Homeschooler manchmal ins Ausland ausweichen.

So gut Homeschooling, also der alleinige Unterricht der Kinder und Jugendlichen durch die Eltern oder PrivatlehrerInnen oft sein mag, so fragwürdig sind bisweilen die ideologischen Dreingaben der Eltern. Natürlich geben Eltern ihren Kindern auch in der Freizeit ihr Wissen und ihre Überzeugungen weiter. Das passiert allein schon, wenn beim Sonntagsspaziergang die Tiere und Pflanzen der Umgebung benannt werden, die Eltern mit den Kindern basteln oder über die Politik schimpfen. Versuchen Eltern jedoch ihren Kindern z. B. abwegige Ideen zur Entstehung der Erde oder zum Umgang von Menschen unterschiedlicher Geschlechter miteinander mitzugeben, haben sie in der Schule zumindest die Chance dies mit wissenschaftlichen Methoden zu hinterfragen und andere Modelle des Zusammenlebens kennenzulernen.