Notizen zu Nordkorea (2)

BERLIN. (hpd) In dieser Ausgabe soll der Schwerpunkt auf der Untersuchung der schweren Menschenrechtsverletzungen in Nordkorea durch die eigens dafür eingerichtete UN-Kommission liegen. Ob sich daraus Konsequenzen für die Machthaber ergeben werden, ist heute zwar noch nicht abzusehen. Aber wenn die Opfer des nordkoreanischen Regimes in der internationalen Gemeinschaft Gehör finden, ist damit bereits ein wichtiges Ziel erreicht.

Weitere Themen: Methamphetamin-Epidemie in Nordkorea, Ausbau des Tourismus, mögliche Freilassung von Kenneth Bae, Entspannung der innerkoreanischen Beziehungen.

 

Untersuchungen der UN-Kommission zur Menschenrechtslage in Nordkorea

Die Mitglieder der UN-Kommission zur Untersuchung der Menschenrechtslage in Nordkorea haben in Südkoreas Hauptstadt Seoul in öffentlichen Anhörungen mehr als 40 Zeugen gehört, darunter Flüchtlinge, Entführungsopfer und andere Experten. Das Gremium soll überprüfen, ob Verbrechen gegen die Menschlichkeit verübt worden sind und wer dafür verantwortlich ist. Gegenstand der Untersuchung sind unrechtmäßige und willkürliche Verhaftungen, mutmaßliche Verletzungen des Rechts auf Nahrung und Leben sowie des Rechts auf Meinungs-, Bewegungs- und Religionsfreiheit, die Situation in den Lagern für politische Gefangene, Vorwürfe von Folter und anderen Formen unmenschlicher Behandlung, diskriminierende Politik und die Entführungen von Bürgern anderer Staaten. Michael Kirby, ein ehemaliger Richter aus Australien und Vorsitzender der dreiköpfigen Kommission, betonte, dass die Arbeit unvoreingenommen durchgeführt werde. Da aber Nordkorea trotz wiederholter Nachfrage keinen Zugang gewähren wolle, seien die Mitglieder der Kommission auf Aussagen von Flüchtlingen angewiesen.

Kirby äußerte weiter, dass die Kommission „tief bewegt“ von den „schockierenden Aussagen“ der Zeugen sei. Er dankte ihnen ausdrücklich für ihren Mut, über die oft schmerzhaften Erfahrungen in der DVRK (Demokratische Volksrepublik Korea, der offizielle Name Nordkoreas) zu sprechen. Die Flüchtlinge zeigten sich allerdings zunehmend frustriert über das Versagen der internationalen Gemeinschaft, wenn es um Nordkorea geht. Ein ehemaliger Wachmann aus einem Gefangenenlager sagte den Mitgliedern der Kommission, sie seien die einzige Hoffnung für die Menschen in Nordkorea. Kirby versicherte, dass die Zeugenaussagen in der UN und der internationalen Gemeinschaft Gehör finden werden. Man habe sich nicht nur wegen der erhöhten Transparenz dafür entschieden, die Anhörungen öffentlich zu gestalten, sondern auch, um die Zustände in Nordkorea international bekannter zu machen. Auf eine Einladung, ebenfalls Vertreter zu den Anhörungen zu entsenden, sei von nordkoreanischer Seite nicht reagiert worden.

Das Zwischenresümee aus den Anhörungen in Seoul ist für die Kommission, dass immer wiederkehrende und detailreiche Aussagen über die unmenschlichen Bedingungen in Lagern für politische und nicht-politische Gefangene, ebenso über Folterungen und Exekutionen ohne Gerichtsverfahren sehr glaubwürdig seien. Andere Aussagen wie über die Durchführung medizinischer Experimente an Menschen mit geistigen Behinderungen oder das absichtliche Herbeiführen einer Hungersnot durch das Regime könnten noch nicht verifiziert werden. Des weiteren gebe es hinreichend viele Berichte über öffentliche Hinrichtungen, begrenzte Bewegungsfreiheit und Einschränkungen des Zugriffs auf unabhängige Medien oder das Internet. Neben den Berichten über schon länger bekannte Themen konnten neue Informationen über die Lage der Frauen gesammelt werden, wie Frauenhandel, Missbrauch in Gefängnissen und anderen Orten und erzwungene Abtreibungen. Auch die detaillierten Aussagen über die Politik Nordkoreas, Bürger anderer Staaten unter Anwendung von Gewalt zu entführen, müssten weiter untersucht werden.

Weitere Anhörungen fanden Ende letzter Woche in Tokio statt. Dort sagten Angehörige von Japanern aus, die von Nordkorea entführt wurden, um einerseits Spionen die japanische Sprache und Lebensart zu vermitteln und andererseits die Pässe und Identitäten der Verschleppten zu nutzen. Bestätigt sind bisher 17 Fälle, aber es wird von einer weitaus höheren Dunkelziffer ausgegangen. In einem Fall ging es um Megumi Yokota, die 1977 im Alter von 13 Jahren spurlos verschwand. Erst 2002 gab der damalige Machthaber Kim Jong Il 13 Entführungsfälle zu, woraufhin einige Japaner freigelassen wurden. Den Eltern Megumis wurden drei Fotos und Knochen mit der Behauptung übergeben, ihre Tochter hätte 1994 Selbstmord begangen. DNA-Analysen hätten jedoch gezeigt, dass die Gebeine von zwei verschiedenen Menschen stammten, nicht jedoch von Megumi. So haben die Yokotas bis heute keine Gewissheit über das Schicksal ihrer Tochter.

Auch über die Anhörungen in Seoul berichteten die internationalen Medien. Der Flüchtling Kim Hyuk sagte aus, dass er ab seinem achten Lebensjahr auf der Straße gelebt und sich von Abfall ernährt habe. Im Alter von neun Jahren habe er die erste öffentliche Hinrichtung gesehen. Er habe viele Kinder sterben sehen, die jünger waren als er und daher nicht in der Lage waren sich selbst zu ernähren. In einem Waisenhaus habe man versucht, die Kinder wieder loszuwerden, weil sie während der Hungersnot nicht versorgt werden konnten, man jedoch verhindern wollte, dass sie in den Einrichtungen starben.

Insbesondere die Berichte aus den Gefangenenlagern, in denen etwa 200.000 Nordkoreaner inhaftiert sind, sind nur schwer zu ertragen. An Gefangenen wurden Taekwondo-Übungen durchgeführt, wodurch viele zu Tode geprügelt worden seien, berichtet ein ehemaliger Wächter eines Lagers. „Die Menschen in den Lagern werden nicht wie menschliche Wesen behandelt.“ Und eine ehemalige Gefangene sagte aus, dass sie im Lager mit ansehen musste, wie eine Mutter gewaltsam von den Wärtern dazu gezwungen wurde, ihr Neugeborenes zu töten. Sie musste ihr eigenes Baby kopfüber in eine Wasserschüssel halten, bis es ertrunken war.

Der ehemalige Häftling Shin Dong-hyuk wurde 1982 in einem Lager für politische Gefangene geboren. Seine Eltern waren beide Häftlinge, die sich vor der Zeit im Lager nicht kannten, aber als Belohnung für gutes Verhalten heiraten durften. Shin hörte später, dass sein Vater verhaftet wurde, weil dessen Familie in den Süden geflohen war. Er selbst wusste viele Jahre seines Lebens nicht, dass es überhaupt ein Leben außerhalb des Lagers gab. Shin fühlte keine Liebe seinen Eltern gegenüber, weil ihm das Konzept einer Familie nie nahe gebracht wurde und er es deshalb nicht verstand. Er wurde gezwungen, die öffentliche Hinrichtung seiner eigenen Mutter und seines Bruders mit anzusehen, deren Fluchtpläne er verraten hatte. Er war damals der Ansicht, das Richtige zu tun, denn die Regel des Lagers lautete, alles Verdächtige den Wärtern zu berichten. Bei der Anhörung schildert er, dass ihm als Strafe für eine versehentlich heruntergefallene Nähmaschine der Finger abgeschnitten worden war. Er sei damals nur dankbar gewesen, dass sie ihm nicht die ganze Hand abgehackt hatten. Als er von einem Mitgefangenen von der Außenwelt erfuhr und hörte, dass dort die Menschen essen konnten, was sie wollen, dachte er an Flucht. Er kannte in seinem Leben nur Hunger und musste sich von Ratten ernähren. Essen war die stärkste Motivation für seine Flucht, die ihm 2004 gelang. Seit 2006 lebt er in Südkorea. Seine Lebensgeschichte wird in dem Buch „Flucht aus Lager 14“ geschildert, das inzwischen auch verfilmt wurde.

Nordkorea weist indes alle Vorwürfe der Zeugen zurück. Es macht den Süden für die Untersuchungen verantwortlich, weil dieser in Seoul eine Bühne für die „Aussagen von menschlichem Abschaum“ bereitgestellt habe. Der Süden selbst sei für Entführungen von Nordkoreanern zur Rechenschaft zu ziehen. Die Untersuchungen zur Menschenrechtslage sei eine Verschwörung feindlicher Mächte wie den USA, um damit Handlungen zu rechtfertigen, die einen souveränen Staat verletzen und ersticken sollen.

Auf die Kritik aus dem Norden reagierte der Vorsitzende Kirby mit einem erneuten Vorschlag an den Norden, Zugang zum Land zu ermöglichen: „Wenn gezeigt werden kann, dass irgendeine der Aussagen über die Bedingungen in den Arbeitslagern, die Entführungen, Folter, Hunger, Bestrafung über mehrere Generationen und so weiter falsch sind, würden wir Beweise dafür begrüßen. Bis zu diesem Zeitpunkt ist es allerdings so, dass die Beweise zum großen Teil konsistent in eine beunruhigende Richtung zeigen.“

Quellen:
Deutsch: focus.de, handelsblatt.de (1), handelsblatt.de (2).
Englisch: UN-Menschenrechtskommission (1), UN-Menschenrechtskommission (2), dailynk.com, Reuters, Reuters UK, telegraph.co.uk, news.com.au, bangkokpost.com, koreajoongangdaily.com, english.hani.co.kr .