WARSCHAU. (hpd) Die Kirchensteuer ist für viele Menschen in Deutschland ein Übel – es gibt Argumente für und gegen sie, auch im säkularen Lager. Eine erneute Einführung einer solchen Steuer könnte sich dabei wohl niemand vorstellen. Aber genau das passiert gerade in Polen.
Die Regierung ist im Gespräch mit hochrangingen Kirchenvertretern, um die konkrete Ausgestaltung der Steuer zu bestimmen, die Anfang 2015 eingeführt und erstmals auf den Abrechungszeitraum 2014 angewendet werden soll. Die Grundzüge stehen bereits fest. Nach Inkrafttreten des Gesetzes wird jeder Angehörige einer Glaubensgemeinschaft die Möglichkeit erhalten, 0,5 Prozent der Einkommenssteuer anstatt an den Staat an seine Kirche zu übermitteln. Dabei entsteht beim Gläubigen keine höhere Steuerlast – gleichwohl werden dem Staat Steuermittel entzogen und an die Kirchen übertragen. Das nötige Gesetz soll im Januar 2014 in das polnische Parlament eingebracht werden und geplant ist das Ende des Gesetzgebungsprozesses für April 2014.
Die neue Finanzierung soll damit den sogenannten Kirchenfonds ablösen; das ist ein rein steuerfinanziertes System, das 1950 in der damaligen Volksrepublik Polen geschaffen wurde um die Kirchen für Enteignungen zu entschädigen; 2013 waren das ca. 23 Millionen Euro. Darüber hinaus erhalten die Kirchen Medienberichten zufolge zusätzliches Geld vom Staat – das sollen ca. 125 Million Euro jährlich sein. Und dazu kommen noch geschätzte 88 Millionen für den Religionsunterricht in Schulen, der von Geistlichen durchgeführt wird und dessen Inhalte allein durch die Kirche und ihre Dogmen bestimmt werden. Diese Subventionen sollen weiter beibehalten werden.
Um die Höhe des Steuerabzugs selbst wurde mit harten Bandagen gekämpft; hohe Kirchenvertreter forderten 1,0 Prozent und mehr. Die Regierung von Premierminister Donald Tusk (Bürgerplattform, PO) wollte jedoch 0,3 Prozent als Abschreibung festlegen. Der Kompromiss von 0,5 Prozent wurde zwischen dem Minister für Öffentliche Verwaltung und Digitalisierung Michal Boni und Erzbischof von Warschau Kardinal Kazimierz Nycz Mitte Februar diesen Jahres getroffen. Eigentlich sollte als Abschreibungszeitraum das Jahr 2013 festgelegt werden.
Vertreter kleiner Kirchen unzufrieden
Doch selbst in der Kirche hat die Reform nicht nur Befürworter. Vertreter kleiner Glaubensgemeinschaften befürchten finanzielle Einbußen. Zum Beispiel sind die orthodoxen Christen überwiegend im Osten des Landes in kleinen und für polnische Verhältnisse eher armen Dorfgemeinschaften ansässig. Diese zahlen dann auch weniger Steuern und können somit niedrigere Abschreibungsbeträge an ihre Kirchenvertreter übermitteln.
Die Regierung möchte diesen Ängsten entgegensteuern; im Gespräch ist eine Übergangszeit von drei Jahren für die einzelnen Kirchen, in dem eine bestimmte Höhe des Mittelzuflusses garantiert wird. Wenn also die Gläubigen nicht bereit sind, einen Teil der Einkommenssteuer an die Kirche umzuleiten, dann wird Geld aus dem Staatshaushalt, also von allen Bürgern, aufgewendet. Die Höhe soll dem Geldmittelzufluss im Jahr 2013 entsprechen.
Streitpunkte zwischen Kirche und Staat
Zwischen Vertretern des Episkopats und der Regierung herrscht jedoch noch immer Uneinigkeit bezüglich einiger Detailfragen, die mitunter darüber entscheiden, ob die Kirche am Ende mehr oder weniger erhält als zuvor. So möchte die Kirche das Geld aus Steuermitteln zur freien Verfügung – die Geldmittel sollen nicht auf bestimmte Ziele wie die Zahlung von Renten für Geistliche festgelegt werden. Auch soll eine weitere Besteuerung dieser unterbleiben.
Der nächste Streitpunkt betrifft die angedachten drei Jahre Übergangszeit, in denen den Kirchen ein bestimmter Betrag vom Staat garantiert wird. Hierbei fordern Kirchenvertreter wesentlich mehr (fast 40 Prozent) als den Betrag, der dieses Jahr aus dem Kirchenfonds den Glaubensgemeinschaften zur Verfügung steht. Weitere Streitpunkte betreffen unter anderem die Krankenversichrung von Priestern sowie die Vereinfachung dieser Abschreibung in der Steuererklärung.
Gerechtigkeit in der Gesellschaft
Neben Fragen nach der technischen Ausgestaltung der Kirchensteuer und Streitigkeiten zwischen den Glaubensgemeinschaften und den Konflikten mit dem Staat stellt sich die Frage nach Gerechtigkeit unter den Gesellschaftsmitgliedern. Kirchenmitglieder erhalten die Gelegenheit, ihre Kirche mit einem Teil ihrer Einkommenssteuer zu subventionieren. Wenn sie dieses tun, zahlen sie weniger Steuern an den Staat als Einkommenssteuerpflichtige, die keiner Kirche angehören. Darüber hinaus erhalten Nicht-Kirchenmitglieder keine äquivalente Möglichkeit eine durch sie favorisierte zum Beispiel antiklerikale Organisation zu unterstützen.
Hinzu stellt sich erneut die gesamtgesellschaftliche Frage nach der Trennung zwischen Kirche und Staat. Die anhaltende und sich vielleicht noch verkomplizierende Beziehung zwischen beiden Institutionen trägt nicht zu ihrer Selbstständigkeit sowie gegenseitigen Unabhängigkeit bei. Allgemein herrscht in Polen jedoch keine Aufregung über Einkünfte der Kirche aus staatlichen Mitteln. Und die Worte von Papst Franziskus "Ich möchte eine arme Kirche und eine Kirche für die Armen" bleiben ungehört.
Lukas Plewnia