SCHOPFHEIM. (hpd) Die Steinbeis-Hochschule Berlin (SHB) hat versucht, mit der Traunsteiner Homöo-Akademie ein Studium der Homöopathie ab Herbst 2014 einzurichten. Diese nicht nur von der GWUP stark kritisierte Idee wurde inzwischen überraschend fallengelassen. Die engagierten Homöopathiekritiker sammelten sich virtuell um Norbert Aust und versorgten die zuständigen Behörden und Journalisten mit Informationen.
Sowohl Professor Löhn von der Steinbeis Hochschule Berlin als auch Frau Wilhelm, die Akademieleiterin der Homöo-Akademie in Traunstein, haben sich mit ihren Stellungnahmen an die Öffentlichkeit bzw. ihre Studenten gewandt. Während dem Schreiben vom Präsidenten der SHB noch einige bedeutsame Informationen zu entnehmen sind, bietet das Schreiben von Frau Wilhelm einen gewissen Unterhaltungswert, weshalb ich dieses hier ebenfalls etwas näher betrachten will.
Das Schreiben von Professor Löhn kann im vollen Wortlaut eingesehen werden. Es enthält außer der Feststellung, dass man die Planung des Studiengangs eingestellt habe, den Hinweis, dass man auch die vorliegende Genehmigung aus dem Jahr 2012 zurückgegeben habe.
Letzteres klingt zunächst recht erfreulich, es ist aber die Frage offen, ob die Genehmigung damit auch tatsächlich erloschen ist. Letztendlich müsste es ein Verwaltungsakt sein, die Genehmigung wieder zu streichen. Aber selbst dies sagt noch nichts darüber aus, wie reversibel die ganze Sache ist. Nach Lage der Dinge könnte man sie jederzeit wieder beantragen – wenn sich bis dahin an der Gesetzeslage nichts geändert hat, dann kann eine solche Genehmigung auch für einen nicht- oder pseudowissenschaftlichen Studiengang jederzeit wieder erteilt werden. Wir sollten diesem Statement nicht allzu viel Bedeutung für die Zukunft beimessen.
Letztendlich scheint auch die SHB keine weiteren Konsequenzen aus dem Debakel zu ziehen. Diese müssten darauf hinauslaufen, wie man die Verfahren und Abläufe innerhalb der SHB verändert, damit ein solcher Fehler nicht noch einmal passiert. Aber genau das tun sie nicht. “Dann wird man weiter sehen.” Also abwarten und Tee trinken, bis die akademische “Community” geklärt hat, “ob ein Studiengang Homöopathie in dem Katalog der inzwischen inflationären Anzahl von Studiengängen, die durchaus nicht immer den Eindruck von wissenschaftlichem Hintergrund vermitteln, ein Platz für Homöopathie ist.”
Tut mir leid, hier gibt die SHB ihren Anspruch an eine wissenschaftliche, wenn auch private, Hochschule vollends auf. Die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Fachgebiet, das man lehren will, sollen andere Leute machen? Die dann auch entscheiden, was als Arbeitsgebiet der SHB in Frage kommt? Heißt das, neben den wirtschaftlichen Überlegungen ist das einzige Kriterium, dass man keinen Ärger damit bekommt?
Nicht umsonst verweigert sich die SHB einer institutionellen Akkreditierung durch den Wissenschaftsrat. Um eine solche zu erreichen, müsste man die für eine staatliche Hochschule in den Hochschulgesetzen der Länder festgelegte akademische Selbstverwaltung in der eigenen Organisation abbilden. Deren Aufgabe ist es nämlich, die Vorschläge zur Weiterentwicklung einer Hochschule auszuarbeiten. Da diese Gremien von den Professoren dominiert werden, deren Reputation auch vom Ruf der Hochschule abhängt, an der sie tätig sind, kommt die Prüfung der wissenschaftlichen Sinnhaftigkeit des Unterfangens praktisch von selbst zustande.
Ist man in der SHB überhaupt an wissenschaftlicher Arbeit interessiert?
Machen Sie einen Test. Gehen Sie auf die Webseite irgendeiner Universität oder anderen Hochschule. Dort finden Sie dann sehr wahrscheinlich auch eine Liste der Fakultäten oder Fachbereiche, Institute und Lehrstühle. Sie brauchen sicherlich nicht allzu lange zu suchen, um Informationen über die in Bearbeitung befindlichen Forschungsthemen zu erhalten, und, noch wichtiger, um auf Listen der wissenschaftlichen Publikationen zu treffen, die an diesem Institut entstanden oder von jenem Professor veröffentlicht worden sind. Dort dokumentiert sich, welchen wissenschaftlichen Ansprüchen sich die Hochschule stellt, das ist der Stolz, das ist das Kapital einer wissenschaftlichen Hochschule.
Bei der SHB hingegen, die immerhin über ein Promotionsrecht verfügt, sucht man ziemlich vergebens nach einer Publikationsliste. Auch bei den Transferinstituten ist da Fehlanzeige. Zugegeben, ich habe nicht alle Webseiten der Transferinstitute durchgesehen, sondern nur etwa ein Dutzend. Aber ich habe in keinem Fall auch nur einen einzigen Hinweis auf ein wissenschaftliches Paper gefunden.
Daraus ist nur zu schließen, dass wissenschaftliche Arbeit in der SHB nicht die oberste Priorität hat, dem Ausmaß der Fehlanzeige nach zu urteilen, praktisch gar keine. Dem gegenüber findet man ziemlich häufig Hinweise darauf, welche Beratungsleistung man als mittelständisches Unternehmen von der SHB erhalten oder welche Kompetenzen man als Student der SHB erwerben kann. Das ist es, worauf die SHB ausgerichtet ist, Weiterbildung und Unternehmensberatung. Möglicherweise macht man diesen Job noch nicht einmal schlecht – aber Wissenschaft, die sich in Veröffentlichungen äußert, ist nicht dabei.
Betrachtet man vor diesem Hintergrund den von Prof. Löhn beschriebenen Prozess bei der Installation eines neuen Studiengangs, dann kommt einem schon das kalte Grausen (verkürzte Zusammenfassung):
Nach dem im Falle der Homöoakademie von außen herangetragenen Vorschlag, den Studiengang einzurichten, gilt nach Prof. Löhns eigenen Worten folgender Ablauf:
(1) Erstellung einer Prüfungsordnung
(2) Gründung eines Steinbeis-Tranferinstituts
(3) Beschluss des Hochschulrats
(4) Genehmigung durch die Berliner Senatsbehörde
(5) Einleitung des Akkreditierungsverfahrens
Es fehlt offenbar völlig, dass sich Gremien einer akademischen Verwaltung erst einmal inhaltlich mit dem Vorschlag beschäftigen. Es geht gleich los mit dem Erstellen einer Prüfungsordnung und dem Gründen eines Transferinstituts. Erst dann, wenn viel Arbeit und auch Geld schon investiert ist, beschließt der Hochschulrat. Was beschließt er? Auf welcher Grundlage?
Letztendlich erscheinen die Mitglieder des Hochschulrates als Gehaltsempfänger eines Wirtschaftsunternehmens, die für ihren wissenschaftlichen Ruf zumindest innerhalb der SHB und ihren Instituten nur eher mäßiges Engagement aufbringen. Wenn sie tatsächlich einen höheren Freiheitsgrad in ihrer Entscheidung haben als ein Autofahrer, der auf eine rote Ampel zufährt und frei entscheiden kann, ob er stehenbleibt oder nicht, dann kann es auch eine einfache prognostizierte Gewinn- und Verlustrechnung sein, die die Grundlage bildet. Es könnte sich auch überhaupt nur um ein formales Abnicken handeln, wenn der Chef (Prof. Löhn) seinen Mitarbeitern (dem Hochschulrat) einen Vorschlag macht.
Folge: Auch wenn die Homöo-Akademie erst einmal vom Tisch zu sein scheint – die Strukturen in der SHB sind nicht dazu geeignet, solche Fehlhandlungen in der Zukunft auszuschließen. Das heißt aber, dass die Aufsichtsbehörde hier besondere Vorkehrungen zu treffen hat. Entweder muss die inhaltliche Prüfung des Studiengangs von Amts wegen in der Senatsverwaltung erfolgen – oder der SHB ist eine institutionelle Akkreditierung vorzuschreiben. Anderenfalls kann jederzeit neuer Unsinn entstehen. Also ist weiterhin Wachsamkeit gefragt.