Die kosmischen Massemonster machen in Satellitengalaxien den Weg frei für die Entstehung neuer Sonnen

Schwarze Löcher helfen bei der Sterngeburt

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Schwarze Löcher helfen bei der Sterngeburt (Symbolbild)

Mit einer Kombination von systematischer Beobachtung und kosmologischer Simulation haben Forschende herausgefunden, dass schwarze Löcher bestimmten Galaxien helfen, neue Sterne zu bilden. Dieses Ergebnis eines Teams, dem auch Wissenschafter*innen des Max-Planck-Instituts für Astronomie in Heidelberg angehörten, überrascht: Denn üblicherweise wirken die kosmischen Schwerkraftfallen der Sterngeburt entgegen, indem sie das dafür nötige Gas aus den Galaxien gleichsam herausblasen. Aktive schwarze Löcher können jedoch verhindern, dass die Sternentstehung gestört wird, während die Galaxien durch das umgebende intergalaktische Gas fliegen.

Aktive schwarze Löcher in Galaxien haben eher einen zerstörerischen Ruf. Die Energie, die sie freisetzen, heizt Materie in ihrer Heimatgalaxie auf und sorgt teilweise sogar dafür, dass Gas aus der Galaxie hinausgeblasen wird. Beides erschwert die Geburt neuer Sterne. Doch nun haben Forschende herausgefunden, dass aktive schwarze Löcher die Sternentstehung in einigen Fällen sogar unterstützen können – zumindest bei den sogenannten Satellitengalaxien, die ihre Heimatgalaxie umkreisen.

Beobachtungen, bei denen das Spektrum einer fernen Galaxie aufgenommen wird – die regenbogenartige Aufspaltung des Lichts in seine verschiedenen Wellenlängen – ermöglichen eine vergleichsweise direkte Bestimmung der Geschwindigkeit, mit der jenes Milchstraßensystem neue Sterne bildet. In vielen Galaxien sind die Sternentstehungsraten eher bescheiden. In unserer eigenen Galaxis werden nur ein oder zwei neue Sterne pro Jahr geboren. In anderen Galaxien gibt es kurze Ausbrüche intensiver Sternentstehungsaktivität, sogenannte Starbursts, bei denen Hunderte von Sternen pro Jahr auf die Welt kommen.

Schließlich existieren Galaxien, die praktisch aufgehört haben, neue Sterne zu bilden. Dazu zählen die Satellitengalaxien, die Teil einer Gruppe oder eines Haufens von Galaxien sind. Ihre Masse ist vergleichsweise gering und sie umkreisen eine deutlich massereichere Zentralgalaxie, ähnlich wie Satelliten die Erde. In fast der Hälfte dieser Galaxien ist die Sternentstehungsaktivität unterdrückt.

Seit den 1970er-Jahren haben Astronomen vermutet, dass der Grund für die stark verminderte Sternentstehung in solchen Satellitengalaxien mit einer Art Fahrtwind zusammenhängen könnte: Galaxiengruppen und -haufen enthalten nämlich auch heißes, dünnes Gas, das den intergalaktischen Raum ausfüllt. Bewegt sich eine Satellitengalaxie mit einer Geschwindigkeit von Hunderten von Kilometern pro Sekunde durch einen Galaxienhaufen, dann spürt sie durch das dünne Gas eine Art Fahrtwind – wie jemand, der mit hoher Geschwindigkeit Motorrad fährt. Die Sterne der Satellitengalaxie sind dabei viel zu klein und kompakt, um vom Fahrtwind des entgegenkommenden intergalaktischen Gases merklich beeinflusst zu werden.

Aber das Gas der Satellitengalaxie spürt diesen "Staudruck" deutlich: Es wird durch das entgegenkommende heiße intergalaktische Gas entgegen der Flugrichtung aus der Satellitengalaxie herausgedrückt. Andererseits hat eine sich schnell bewegende Galaxie keine Chance, eine ausreichende Menge an intergalaktischem Gas anzuziehen, um ihr Gasreservoir wieder aufzufüllen. Im Endeffekt verlieren Satellitengalaxien ihr Gas auf diese Weise so gut wie vollständig. Damit fehlt anschließend das Rohmaterial, das für die Sternentstehung benötigt wird. Ergebnis: Die Aktivität der Sterngeburt kommt zum Erliegen.

Die beschriebenen Prozesse laufen über Millionen oder gar Milliarden von Jahren hinweg ab, sodass wir nicht direkt beobachten können, was da vor sich geht. Trotzdem gibt es Möglichkeiten, mehr zu erfahren: Computersimulationen von virtuellen Universen, deren Evolution denselben physikalischen Gesetzen folgt wie das reale Weltall. Die Ergebnisse solcher Simulationen lassen sich mit echten astronomischen Beobachtungen vergleichen.

Annalisa Pillepich, Gruppenleiterin am Heidelberger Max-Planck-Institut für Astronomie, ist auf diese Art kosmologischer Simulationen spezialisiert. Die IllustrisTNG-Simulationsreihe, die Pillepich mit geleitet hat, generiert die bisher detailliertesten virtuellen Universen – Universen, in denen sich die Bewegung von Gas auf vergleichsweise kleinen Skalen verfolgen lässt.

IllustrisTNG liefert auch einige extreme Beispiele für Satellitengalaxien, die ihr Gas gerade erst durch den Staudruck verloren haben: "Quallen-Galaxien", welche die Überreste ihres Gases hinter sich herziehen wie Quallen ihre Tentakel. Tatsächlich ist die Identifizierung aller Quallen-Galaxien in diesen Simulationen ein kürzlich gestartetes Citizen-Science-Projekt auf der Plattform Zooniverse.

Aber obwohl Quallen-Galaxien für die Erforschung der Satellitengalaxien wichtig sind, war der Ausgangspunkt für das hier beschriebene Forschungsprojekt ein anderer: Bei einem Mittagessen im November 2019 erzählte Pillepich dem auf Beobachtungen spezialisierten Astronomen Ignacio Martín-Navarro, der damals mit einem Marie-Curie-Stipendium am Heidelberger Max-Planck-Institut war, von einem anderen IllustrisTNG-Ergebnis: Wie weit reicht der Einfluss supermassereicher schwarzer Löcher über ihre Heimatgalaxie hinaus in den intergalaktischen Raum?

Solche Massemonster finden sich im Zentrum praktisch jeder Galaxie. Die über eine Akkretionsscheibe in das schwarze Loch einfallende Materie setzt eine enorme Energiemenge in Form von Strahlung frei. Oft entstehen auch zwei entgegengesetzte Jets aus schnell bewegten Teilchen, die rechtwinklig zur Akkretionsscheibe vom schwarzen Loch weg beschleunigt werden. Ein supermassereiches schwarzes Loch, das auf diese Weise Energie abstrahlt, hießt Aktiver Galaxienkern (englisch active galactic nucleus), abgekürzt AGN.

IllustrisTNG kann im Modelluniversum simulieren, wie ein AGN dem umgebenden Gas Energie zuführt. Dabei entstehen Gasflüsse, die sich senkrecht zur galaktischen Scheibe oder bevorzugten Ebene soweit nach außen vorarbeiten, dass sie die intergalaktische Umgebung beeinflussen – also das dünne Gas, das die Galaxie umgibt. Dabei wird das intergalaktische Gas weiter nach außen gedrückt, sodass auf jeder Seite der Galaxie eine gigantische Blase entsteht.

Diese Tatsache brachte Annalisa Pillepich und Ignacio Martín-Navarro zum Nachdenken: Wenn eine Satellitengalaxie eine solche Blase durchquert – würden die vom AGN hervorgerufenen Gasflüsse zum Fahrtwind beitragen, den die Satellitengalaxie verspürt? Und würde die Sternentstehungsaktivität der Satellitengalaxie dadurch noch weiter gebremst werden?

Martín-Navarro hatte bereits vorher mit Daten einer der bisher größten systematischen Himmelsdurchmusterungen gearbeitet, mit dem Sloan Digital Sky Survey (SDSS). Dieser Katalog liefert hochwertige Bilder und Spektren eines großen Teils der nördlichen Himmelskugel. In den öffentlich zugänglichen Daten dieser Durchmusterung untersuchte Martín-Navarro 30.000 Galaxiengruppen und -haufen, von denen jede eine zentrale Galaxie und im Durchschnitt vier Satellitengalaxien enthält.

Bei einer statistischen Analyse dieser Tausenden von Systemen fand der Forscher einen kleinen, aber deutlichen Unterschied zwischen Satellitengalaxien, die nahe an der bevorzugten Ebene der Zentralgalaxie lagen, und solchen, die deutlich darüber oder darunter lagen und somit in den ausgedünnten Blasen. Diese Galaxien zeigten im Durchschnitt eine aktivere Sternentstehung.

Würde man zufällig eine Satellitengalaxie auswählen, dann wäre die Wahrscheinlichkeit, dass ihre Sternentstehungsaktivität zum Erliegen gekommen ist, für eine ober- oder unterhalb der Ebene befindliche Galaxie rund fünf Prozent geringer als für eine Galaxie nahe der Ebene.

Im nächsten Schritt wendeten Ignacio Martín-Navarro und Annalisa Pillepich dieselbe statistische Analyse im Universum der IllustrisTNG-Simulationen an. Und tatsächlich zeigte sich auch im virtuellen Weltall exakt der beschriebene Zusammenhang, einschließlich der Wahrscheinlichkeits-Abweichung von fünf Prozent.

Pillepich, Martín-Navarro und ihre Kollegen machten sich daraufhin Gedanken, welcher physikalische Mechanismus dafür verantwortlich sein könnte. Ihre Hypothese: Man stelle sich eine Satellitengalaxie vor, die durch eine der ausgedünnten Blasen reist, erzeugt vom zentralen schwarzen Loch im umgebenden intergalaktischen Medium. Aufgrund der geringeren Dichte erfährt diese Satellitengalaxie weniger Fahrtwind, also weniger Staudruck. Damit ist die Wahrscheinlichkeit geringer, dass das Gas jener Satellitengalaxie aus ihr herausgeblasen wird. 

Dabei kommt es auf die Statistik an. Bei Satellitengalaxien, die dieselbe Zentralgalaxie schon mehrmals umkreist und dabei Blasen - aber auch die dazwischen liegenden Regionen mit höherer Dichte - mehrmals durchquert haben, wird der Effekt nicht weiter auffallen. Solche Galaxien haben ihr Gas längst verloren.

Aber für Satellitengalaxien, die erst kürzlich zu der Gruppe oder dem Haufen gestoßen sind, wird der Ort einen Unterschied machen: Wenn diese Satelliten zufällig zuerst in einer Blase landen, ist es weniger wahrscheinlich, dass sie ihr Gas verloren haben, bis wir sie beobachten, als wenn sie beim Gruppenbeitritt außerhalb einer Blase landen. Dieser Effekt könnte der Grund für den ortsbedingten statistischen Unterschied bei den Satellitengalaxien sein.

Die Übereinstimmung zwischen den statistischen Analysen der SDSS-Beobachtungen und der IllustrisTNG-Simulationen, kombiniert mit einer plausiblen Hypothese für den dahinterstehenden physikalischen Mechanismus, ist ein vielversprechendes Ergebnis. Es bestätigt indirekt, dass aktive Galaxienkerne das umgebende intergalaktische Gas nicht nur aufheizen, sondern zudem "wegschieben", um Regionen mit geringerer Dichte zu schaffen. (mpg/MP/HOR)

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