Die Evolution einer Illusion

Die These von Gehirnforschern, wonach der Mensch keinen freien Willen habe, löste vor einiger Zeit eine heftige Kontroverse aus. Jetzt

meldet sich dazu Franz M. Wuketits, der in Wien Wissenschaftstheorie mit Schwerpunkt Biowissenschaft lehrt, mit seinem neuen Buch „Der freie Wille" dazu zu Wort. Darin heißt es: „Die Vorstellung vom freien Willen ist eine Illusion. Aber Illusionen sind durchaus nützlich. Sie können als Resultate der Evolution durch natürliche Auslese gedeutet werden und haben ihren Sinn im Dienste des Überlebens."

In sechs Kapiteln geht der Autor gut verständlich auf die ideengeschichtliche Herausbildung der Idee von der Willensfreiheit und den Nutzen von Illusionen für Menschen ein, behandelt Notwendigkeit und Zufall in der Evolution sowie die Entwicklung des menschlichen Geistes und widmet sich der Evolution der Illusionen von der Willensfreiheit sowie dem gesellschaftlichen Leben mit ihnen. Aus evolutionstheoretischer Perspektive betont Wuketits die starke Prägung menschlichen Verhaltens durch Gene, Hormone und Neuronen, denn von diesen Vorgaben der Natur könne man sich nicht befreien. Daraus leitet der Autor aber nicht die völlige Preisgabe von verantwortlichem Handeln ab. Auch Mörder und Vergewaltiger könnten aufgrund der Verletzung gesellschaftlicher Normen bestraft werden.

Zu den sozialen Konsequenzen der Einsicht in die Illusion vom freien Willen hätte man gern näheres gelesen. Die Wechselwirkung von innerem Antrieb und äußeren Möglichkeiten, die Wuketits selbst hervorhebt, deutet außerdem auf die Notwendigkeit einer stärkeren Differenzierung der Grundthese hin.

Armin Pfahl-Traughber

 

Franz M. Wuketits: Der freie Wille. Die Evolution einer Illusion. Stuttgart 2007 (Hirzel-Verlag), 181 S., 22,00 €. ISBN 978-3-7776-1509-7