„Neuer Atheismus“ und Humanismus

BERLIN. (hpd) In der aktuellen Debatte über Religion und Religionskritik, Kirche und Staat, Wissenschaft und Glauben wird mit harten Bandagen

gefochten. Das Kinderbuch „Wo bitte geht's zu Gott? fragte das kleine Ferkel“ wird öffentlich als „perfides Machwerk in der Maske des religiösen Kinderbuchs“ beschimpft und seine Indizierung gefordert. Eine Veranstaltung der „Humanistischen Akademie Berlin“ in Kooperation mit der „Giordano-Bruno-Stiftung“ will am 25./26. April 2008 die Debatte versachlichen und zur wissenschaftlichen Aufklärung der humanistischen Positionen beitragen.

Keine „humanistische Konfession“?

Dass hier Sachlichkeit und Aufhellung erforderlich sind, zeigt die jüngste kirchliche Stellungnahme in diesem Streit. Sie wurde vom Beobachtungsorgan EZW (Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen) vorgetragen und unterscheidet ein menschenfreundliches und ein wohl eher böses Humanismus-Verständnis– je nachdem, wie nahe solche Auffassungen dem „neuen Atheismus“ stehen. Der Autor und Leiter der Einrichtung, Dr. Reinhard Hempelmann, rief sogar nach dem Verfassungsschutz. Er enthüllte – nach dem Zitat der evangelischen Nachrichtenagentur „idea“ – auch den Zweck seines Einwurfs: „Es gebe keine gemeinsame Weltanschauung [keine humanistisch geprägte Konfession der Konfessionslosen, HG], sondern nur eine ’leicht durchschaubare Strategie humanistischer Verbände, Initiativen und Stiftungen, sich als Interessenvertretung möglichst vieler zu verstehen’". Wer sich an der Debatte über diese tatsächlich „durchschaubare Strategie“ beteiligen oder nur zuhören möchte, ist herzlich willkommen.

Streitpunkt „neuer Atheismus“

Seit etwa einem halben Jahr beschäftigt das Thema „neuer Atheismus“ einschlägige Magazine wie „Spiegel“, „Stern“ oder „Focus“ und neuerdings auch „Maischberger“ und „Kerner“. Sie reflektieren nicht nur die Debatte, sondern geben ihr die Richtung, die sie hat: nämlich ein Medienereignis zu sein.
Der Begriff „Die Neuen Atheisten“ ist noch gar nicht so alt. Er wurde am 23. Oktober 2006 – also erst vor anderthalb Jahren – von Gary Wolf, dem amerikanischen „Executiv Poducer“ des Internetportals „Wired.com“ in dem Artikel „Battle of the New Atheism“ benutzt.
Für das Verständnis der aufgeregten apologetischen Reaktion vieler Theologen auf diesen Atheismus ist wichtig, dass der Atheismus, auf den er sich bezieht, aus amerikanischen Religionsverhältnissen heraus entstanden (christliche Erweckungsbewegungen, Kreationismus-Debatte), aber für deutsche Verhältnisse neu ist.
Die „neuen Atheisten“ sind in ihren Argumentationen ebenfalls kämpferisch und fundamental. Sie sprechen vom „Fluch des Glaubens“. Richard Dawkins, der englische Evolutionsbiologe und wichtigste Theoretiker des „neuen Atheismus“, hat den Vorwurf des „Gotteswahns“ erhoben. Dawkins (in: „Imagine No Religion“) folgert aus seinen Beweisen, dass es Gott als „Meister-Ingenieur“ nicht gebe, und dass dies schließlich jeder Idiot erkennen könne.

Vielen, auch Gutmütigen, nicht nur Theologen und Religionsfunktionären, auch Atheisten und organisierten Humanisten erscheint dieser Stil als nahe an der „Gier nach Skandalöffentlichkeit“.
Daraus leitet sich die Frage ab, ob die neue Art der Religionskritik deutschen (europäischen) Verhältnissen tatsächlich angemessen ist. Für die hiesige Kultur der säkularen Zivilität, so Peter Sloterdeijk kürzlich in seinem neuen Buch „Gottes Eifer“, sei ein abgeklärter Monotheismus typisch, der den Eifer für einen Gott längst institutionalisiert und gemildert habe.
Folgt daraus ein „abgeklärter Atheismus“? Wie das zu sehen ist und was daraus für Humanismus allgemein und den organisierten besonders folgt, wird das April-Kolloquium beschäftigen.

Veranstalter

Die Tagung wird von der Berliner Humanistischen Akademie organisiert, in Kooperation mit der Giordano-Bruno-Stiftung Mastershausen. Beide Einrichtungen haben sich die theoretische Beschäftigung mit Humanismus zu ihren Aufgaben gemacht, sich in den letzten Jahren unterschiedlich profiliert, was sie nie gehindert hat, auch gemeinsame Tagungen zu veranstalten.

Die Humanistische Akademie – genauer: die bisher drei Humanistischen Akademien – und besonders die inzwischen auf 22 Hefte angewachsene Reihe „humanismus aktuell“ hat wesentlichen Debattenstoff zu einer modernen „Humanistik“ geliefert. Zum Zusammenhang von Atheismus und Humanismus ist besonders die Tagung „Humanismus in der Welt von heute“ vom 22. Oktober 2005 in Berlin hervorzuheben, dokumentiert in „humanismus aktuell“, Heft 17 (mit Beiträgen von Jan Philipp Reemtsma, Michael Schmidt-Salomon, Frieder Otto Wolf und anderen sowie das 2006er Nürnberger Streitgespräch „Was heißt Humanismus heute?“
zwischen Joachim Kahl und Michael Schmidt-Salomon, mit einer nicht minder streitbaren Rezension hier im hpd.
Der Rezensent und Verfasser dieser Tagungsvorschau hat sich erst kürzlich zum Thema „Die ’neuen Atheisten’, das ’Ferkelbuch’ und der organisierte Humanismus“ in der Online-Zeitschrift „Kulturation“ grundsätzlich geäußert.

Markenzeichen der Giordano Bruno Stiftung ist der „evolutionäre Humanismus“, das entsprechende „Manifest“ von Michael Schmidt-Salomon, der, wie die Verteidigungsschrift zum „Ferkelbuch“ und die „Zehn Angebote“ des gleichen Autors zeigen, Religionskritik mit positiven Entwürfen für eine humanistische Weltanschauung verbindet.

Wesentlich unterschieden scheinen die Einstellungen zur Religion als Kulturphänomen und zur Religionskritik zu sein. Wie verschieden – auch darüber wird auf der April-Konferenz zu reden sein.

Referenten

Als Referenten hat die Humanistische Akademie vor allem Autoren des „Humanistischen Pressedienstes“ eingeladen. Denn wer sich über die „neuen Atheisten“ und ihre Ideen informieren möchte, schlägt am Besten dort nach. Seit 21. Februar 2007 steht dort immer freitags ein von Andreas Müller meist aus dem Englischen oder Amerikanischen übersetzter Text – also inzwischen mehr als zwanzig Originale, seit kurzem auch Videos und Comedy Shows per Link zu „Youtube“. Weiter finden sich dort viele Rezensionen und Buchvorstellungen zum Thema der Tagung.

Anmeldung

In den pdf-Anlagen, im Anhang, befinden sich die Einladung zur Tagung, das Programm und das Anmeldeformular. Sie können sich auch direkt hier anmelden oder nachfragen .

Horst Groschopp