Keiner will es gewesen sein

BERLIN. (hpd) Ein ab dem 1.1. 2009 gestrichener Paragraph des Personenstandsgesetzes (der jetzige § 67) sorgt seit gestern für Öffentlichkeit

und Missverständnisse

 

„Neues Eherecht: Heiraten bald ohne Standesamt erlaubt" meint Spiegel-Online, was schlichter Unsinn ist, da Eherecht und Personenstandsrecht verwechselt werden. BILD (im „Ratgeber / Geld und Karriere") ist diesmal korrekter: „Hochzeit ‚light' - Wer ohne Standesamt heiratet, bleibt Single." Das ist eherechtlich schlicht richtig. Da gibt es auch keinerlei „Unsichere Rechtslage".

Politiker, zu dieser Änderung von der Mitteldeutschen Zeitung befragt, geben sich überrascht und schieben sich gegenseitig die Zuständigkeit zu. Der Staat, so ist die Meinung, habe keinerlei Vor- oder Nachteile davon.

Evangelische können es, Katholiken nicht

In einer Überlegung des „cui bono - Wem nützt es?" kommen zuerst die Kirchen in Betracht. Doch umgehend zeigt sich, dass die Kirchen öffentlich eine ‚abgemagerte Ehe' - ohne rechtliche und steuerliche Konsequenzen - nicht wollen: „Kirche gibt das Nein-Wort". Auch Erzbischof Schick (Bamberg) betont, dass „es auch in Zukunft keine kirchliche Eheschließung ohne vorherige staatliche Trauung geben kann", zumindest solange nicht die kirchlichen und staatlichen Verantwortlichen eine andere Vereinbarung treffen.

Der Mann hat recht, kennt er doch sicherlich das deutsche Staatskirchenrecht. Die Zivilehe ist nicht nur im „Kulturkampf" Bismarcks 1875/1876 gegen den Widerstand der Kirchen eingeführt worden, sondern die zivilrechtliche Eheschließung als Voraussetzung einer kirchlichen Trauung ist auch - im völkerrechtlichen immer noch gültigen - Reichskonkordat von 1933 („Hitler-Konkordat") in Artikel 26  fixiert, indem die vorrangige kirchliche „Einsegnung" nur „im Falle einer lebensgefährlichen, einen Aufschub nicht gestattenden Erkrankung eines Verlobten" erlaubt ist. Da die Evangelischen ein solches Reichskonkordat nicht haben, dürfen sie ab 1.1.2009 ausschließlich kirchlich heiraten, wenn es ihre Kirchen denn so wollen, die katholische Kirche darf es ihren Mitgliedern gar nicht erlauben.

Kirchliche Ehe ohne Standesamt für Verwitwete sinnvoll

Diese eigentlich richtige Begründung wird von der Kölnischen Rundschau benannt. Nach dem Eherecht verliert - wie es bei Älteren auch heute noch der Normalfall - eine Witwe, wenn sie wieder heiratet ihre Witwenrente - da sie dann als (verheiratete) Ehefrau keine (personenstandsrechtliche) Witwe ist.

Das betrifft eine unbekannte Anzahl von Lebenspartnerschaften, die zwar "Tisch und Bett" teilen, aber nicht „Mann und Frau" werden können, da sie bisher diesen Witwen- und Wittwerrechtenanspruch verloren haben. An 1.1.2009 könnten sich diese Paare dann kirchlich trauen lassen - im kirchlichen Selbstverständnis eine Heirat, allerdings - und das wäre ja der explizite Zweck dieser Einsegnung - ohne irgendwelche rechtlichen oder steuerlichen Konsequenzen. Also ausschließlich so etwas für das „sittllich gute Gefühl" oder einer „Gemeinschaft vor Gott" - wer das möchte - und falls sich dafür ein Pastor oder Priester findet.

Wie bisher werden die katholischen Lebenspartnerschaften sich also auf die „Kloster-Route" eines Österreich-Urlaubs begeben müssen, da in Österreich die kirchliche Trauung ohne vorherige zivilrechtliche Trauung möglich ist. Die Evangelischen können zu Hause bleiben.

Abgesehen von der Frage, dass durch diese Streichung - der bei der Beratung des Personenstandsreformgesetzes im Oktober 2005 im Bundesrat seinerzeit noch widersprochen worden war (Protokoll, S. 21) -, ein wesentlicher Schritt der Säkularisierung aufgehoben wurde - die obligatorische Zivilehe für alle Staatsbürger, egal welcher Weltanschauung -, entstehen durch den Wegfall der obligatorischen Zivilehe eine Reihe von Problemen.

Missbrauchsgefahren

Die Kirchen haben keine Datenbanken oder einen Informationsaustausch, welche Partner sich in welcher Pfarrei oder Gemeinde haben kirchlich trauen lassen. Gewitzten Betrügern könnte es insofern leicht möglich sein, mit dem „wohlklingendem" einer „Ehe vor Gott" eine kirchlich abgesegnete Polygamie zu realisieren, die zivilrechtlich (bisher) nicht zu ahnden ist, wenn sich jemand mehrmals kirchlich trauen lässt - eine innerkirchliche Angelegenheit.

Wenn in Deutschland nicht mehr die bisherigen eherechtlichen Bestimmungen einer Eheschließung Gültigkeit haben, wird jede Religionsgemeinschaft ihren eigenen religiösen Bestimmungen Geltung verschaffen können und damit sind beispielsweise „Zwangsehen" noch leichter zu verdecken.

Religiös gestimmte Gemüter, denen der staatliche Zwang zur Beurkundung ihrer „spirituellen" Liebesgemeinschaft prinzipiell fremd ist, stehen bei dieser religiösen Partnerschaft nicht mehr unter dem Schutz für den schwächeren Partner - meist die Frau - durch die obligatorische Zivilehe. Ob die jeweiligen Religionsgemeinschaften diesen Schutz gewährleisten können, darf bezweifelt werden.

CF