Bedenkliche Grundprinzipien des Islamismus

(hpd) Über Islam und Islamismus, Integration und Parallelgesellschaften, Religionsfreiheit und Zwangsheirat wird seit einigen Jahren

bekenntnisreich und emotional, dramatisierend und verharmlosend gestritten.

 

Als pointierter, aber sachlicher Beitrag zu dieser Kontroverse versteht sich der Band „Islam, Islamismus, muslimische Gegengesellschaft", der von dem Publizisten Hartmut Krauss vorgelegt wurde. Entsprechend des Titels will er darin drei Fragen beantworten: Erstens, worin bestehen die konstitutiven Merkmale des Islam für Gesellschaft und Individuum, und welche herrschaftsbezogenen Inhalte weist er in seiner orthodoxen Kernform auf? Zweitens, ist der Islamismus Ausdruck einer Abkehr vom Islam oder eine Variante der Religion? Und drittens, stellt die Einwanderung von streng gläubigen Muslimen eine Gefährdung demokratisch-säkularer Gesellschaftsordnungen dar, und in welcher Form bestehen Konturen einer muslimischen Gegengesellschaft? Diese drei Themenkomplexe bilden auch die inhaltliche Grundstruktur des Bandes.

Zunächst geht Kraus auf die Frühgeschichte des Islam bezogen auf die Zeit Mohammeds und seiner Nachfolger ein, wobei insbesondere die Funktion der Religion als spezifische Herrschaftskultur herausgearbeitet wird. Das Grundcharakteristikum bestehe darin, „den Menschen auf die Rolle eines gehorsamspflichtigen Gottesdieners festzulegen" (S. 114). Dem folgend beschreibt der Autor die Entwicklung des Islamismus und interpretiert ihn als eine bestimmte Form der Deutung gesellschaftlicher Umbrüche, spricht er doch von dem „Typus einer aktivistischen, reaktionär-regressiven Widerspruchsverarbeitung angesichts einer zugleich objektiv-realen (...) und geistig-kulturellen Krisensituation" (S. 133). In dieser Perspektive gelten islamistische Ideologen und Organisationen, die wie Sayyid Qutb und die Muslimbruderschaft ausführlicher vorgestellt werden, als politischer Ausdruck der „Krise der rentengesellschaftlichen Alimentierung" (S. 179) der Gesellschaften in der islamisch geprägten Welt des 20. Jahrhundert.

Islamisch geprägte Parallelgesellschaften in Deutschland

Und schließlich geht Krauss im längsten Teil seiner Arbeit auf die Herausbildung von islamisch geprägten Gegen- bzw. Parallelgesellschaften in der Bundesrepublik Deutschland ein. Deren Entstehung beschreibt und beurteilt er als den Ausdruck eine schleichenden Islamisierung, der es zunächst um die Dominanz in den muslimischen Bevölkerungsteilen, längerfristig gesehen aber auch in der gesamten Gesellschaft gehe. Denn: „Dabei ist dieser Migrationsimport islamistischer Mentalitäten, Strukturen und Tendenzen nicht einfach nur der spontane Effekt ‚mitgebrachter' Subjektivitätsmerkmale von Teilen der eingewanderten Muslime, sondern auch als gezielte Expansion bzw. strategisch ausgerichteter ‚Kulturexport' anzusehen" (S. 247). Der Autor warnt in diesem Zusammenhang vor der Etablierung gegengesellschaftlicher Infrastrukturen und der Akzeptanz grundrechtswidriger islamischer Normen. Zur Verhinderung derartiger desintegrativer Entwicklungen schlägt er gegen Ende noch einen Acht-Punkte-Katalog zur Gestaltung der Ausländerpolitik vor.

Bedenkliche Grundprinzipien

Kraus legt ein überaus diskussionswürdiges und informatives Werk zu einem aktuellen Thema vor. Überzeugend kritisiert er bedenkliche Grundprinzipien von Islam und Islamismus und weist auf die damit zusammenhängenden Gefahrenpotentiale für die offene Gesellschaft hin. Hierin liegt zweifellos das nicht zu unterschätzende Verdienst dieser Veröffentlichung. Gleichwohl verstören auf den unterschiedlichsten Ebene eine Reihe von Aspekten: Nicht immer bewegt der Autor sich auf der Höhe des Forschungsstandes und nutzt hier und da auch etwas unkritisch zweifelhafte Literatur (z.B. Raddatz, Ulfkotte). Häufig spricht Kraus von den „Freunden des Islam" (S. 10) und einer „gesteuerten öffentlichen Debatte" (S. 249) als Gegenkräften zu seiner Position, wobei mit solchen Formulierungen ohne genaue Belege doch etwas überzogen wird. Wer sollen die postulierten „Freunde des Islam" in Kirchen, Medien, Politik, Wirtschaft und Wissenschaft sein? Derartige Bilder wirken - zumindest ohne genaue Erläuterungen - mitunter doch etwas sehr vereinfachend.

Krauss versteht sich als Teilnehmer der einleitend erwähnten Debatte und schlägt sich mitunter all zu undifferenziert auf eine Seite. Dabei neigt er mitunter zu einer pauschalen Abwertung anderslautender Auffassungen und so findet man bei ihm dann auch rigorose Formulierungen wie „Hier wird Wahrheit durch erdichtete Zweckmäßigkeit ersetzt" (S. 194). Kritik verdient darüber hinaus, dass Krauss den Islam all zu sehr hinsichtlich seiner Herrschaftsfunktion betrachtet. Gleichwohl ist diese Dimension bedeutsam, fehlt sie doch in vielen anderen Darstellungen. Die dortige Einseitigkeit findet man dann aber auch bei Krauss, nur eben mit umgekehrter Dimension. So geraten aber viele andere Gesichtspunkte, welche die gesellschaftliche und individuelle Funktion der Religion erklären, aus dem Blick. Anhand von solchen Fragen lässt sich noch weiter diskutieren und reflektieren. Dies zeigt, dass das Buch trotz der formulierten Einwände kritische Aufmerksamkeit verdient. Es enthält zahlreiche beachtenswerte Deutungen und Warnungen zu einem leider sehr aktuellen Thema.

Armin Pfahl-Traughber

 

Hartmut Krauss, Islam, Islamismus, muslimische Gegengesellschaft. Eine kritische Bestandsaufnahme, Osnabrück 2008 (Hintergrund-Verlag), 451 S., 24 €