Aufstehen zum Gebet!

KORSCHENBROICH. (hpd) In der DDR war es Sitte, dass die Schüler der unteren Klassen den Tag mit einem Gruß begannen. Der Lehrer sagte: „Seid bereit!", die Klasse antwortete im Chor: „Immer bereit!" Nun ist dies Geschichte, aber eben nur das. In Deutschland gibt es keine Diktatur des Proletariats, hier gilt in vielen Schulen die „Christliche Meinungsfreiheit".

Ein Kommentar von Thomas Häntsch

Just als sich in Berlin die Initiative Pro - Reli für den Religionsunterricht stark macht, erscheint die Meldung in der „Rheinischen Post", dass einige hundert Kilometer von der Hauptstadt entfernt, in Korschenbroich (NRW), für das Beten vor dem Schulunterricht gestritten wird. Eine Familie beschwerte sich beim Schulamt über dieses Gebaren, sie wollte nicht, dass ihr Kind daran teilnehmen muss.
An dieser Stelle ist anerkennend hervorzuheben, dass vom zuständigen Schulamt das Beten zunächst untersagt wurde - nicht nur eine mutige Anordnung, sondern auch ein Schritt, der in Richtung der Trennung von Staat und Kirche weist. Aber der Landtagsabgeordnete Lutz Lienenkämper beschwert sich bei Ministerin Sommer, die dann auch prompt reagierte.

Die Freude über die Entscheidung des Schulamtes währte also nicht lange, der Gang strauchelte im Sumpf von Staat und Kirche. Die Fehde ist wie so häufig in Deutschland zum Vorteil der religiösen Kräfte entschieden worden. Das NRW - Schulministerium, geführt von Frau Barbara Sommer, hob das Gebetsverbot an der Pescher Grundschule wieder auf.

Pfarrer Grotepaß und einige Mütter, die ihre Kinder unbedingt in der Schule beten lassen wollen, freuen sich daher über den Schiedsspruch von Sommer. Man hätte, so kann man lesen, nicht mit so einer schnellen Entscheidung des Ministeriums gerechnet.

Wer dem Gebet, der Religion, der Kirche und dem Aneinanderkleben von Staat und Kirche partout nichts abgewinnen kann, steht wieder einmal mehr als der Hanswurst da - praktisch abgekanzelt von der staatlich-religiösen Allianz. Religiöse Eiferer können sich sogar auf die NRW Landesverfassung berufen. Dort heißt es im Artikel 7, die Ehrfurcht vor Gott ist „vornehmstes Ziel der Erziehung". Und die Verfassung legt auch „christliche Bildungs- und Kulturwerte" im Artikel 12 fest.

Jeder, der sich mit dem unangenehmen Thema „Staat und Kirche in der Bundesrepublik Deutschland" näher befasst, hätte die Reaktion des Schulministeriums vorausgesehen. Denn es steht ja geschrieben, welche Weltanschauung in NRW die „gute" zu sein hat. Die „böse" wird jeweils der Lage entsprechend determiniert.

Dabei gibt es viel gravierendere Probleme an den Nordrhein-Westfälischen Lehranstalten. In den zurückliegenden Pisa-Studien lag dieses Bundesland ständig weit abgeschlagen. Wäre es aus diesem Grund nicht allerhöchste Zeit, die Kräfte zu bündeln und an die Bewältigung der Bildungsmisere zu gehen? In dieser Hinsicht scheint Frau Sommer keine Eile zu haben. Und auch die Eltern der Grundschüler scheinen die Lobpreisung des Herrn höher zu bewerten als einen sinnvollen Unterricht.

Vielleicht möchten diese Eltern, dass die Kinder in den Schulen zu Beginn des Unterrichtes für bessere Ausstattung, mehr Lehrer, bessere Betreuung und weniger Stundenausfall beten?

Vielleicht hofft die Ministerin, dass die Gebete das himmlische Dreigestirn des Christentums dazu animiert, ein Zeichen zu senden, wie man das uneffektive Bildungssystem auf Vordermann bringen kann.

Frau Sommer kann sehr wohl um Beistand von oben bitten und auch die Kinder sollen beten dürfen, niemand will ihnen das, wie ständig von Theisten behauptet wird, streitig machen. Doch sollten sich diese Menschen für ihre Rituale Orte aussuchen, an denen sich andersdenkende Personen nicht belästigt fühlen. Am Friedlichsten wäre es, wenn das Ganze in den Kirchen und im privaten Umfeld stattfinden würde. Die Schule jedenfalls muss ein Ort bleiben (in Deutschland muss er es einmal werden), an dem junge Menschen für ihr späteres Leben lernen und nicht ihrem Glauben oder dem der Eltern huldigen.

Den Unterricht mit einem freundlichen „Guten Morgen" zu beginnen, die Kleinen könnten ja auch ein Kinderlied singen, würde allen Standpunkten gerecht werden und vor allem wäre es kindgerecht!