Kinostart von „Jesus liebt Dich"

BERLIN. (hpd) Nach seiner Premiere auf der Berlinale 2008 ist der Film „Jesus liebt dich - Evangelikale auf WM-Mission" nun in weiteren Kinovorführungen zu sehen. Der Kinostart fand am vergangenen Montag, 26. Januar, in der Volksbühne in Berlin statt.


Ein Kommentar von Carsten Frerk

Der Inhalt des Filmes „Jesus liebt dich" ist kurz erzählt. Vier Missionare, die aus dem Umfeld von „Jugend mit einer Mission", kommen - einer aus Deutschland, zwei aus den USA, einer aus Sambia -, wollen in Deutschland während der Fußballweltmeisterschaft 2006 in drei Städten den Zuschauern das „Wort Gottes" nahe bringen und sie von ihrem Glauben überzeugen. Die Bilder zeigen Ausschnitte aus ihrem Alltag und dass Ihnen Ihr Vorhaben nicht gelingt, denn nur wenige der von ihnen Angesprochenen interessieren sich überhaupt für ihr Anliegen.

Das Ungewöhnliche dabei ist, dass der Film ruhig aufgebaut ist, mit einer „begleitenden" Kamera, und eben nicht spektakulär ist, was für die Qualität eines Dokumentarfilms spricht. Die Protagonisten lassen die Kamera dabei unkommentiert so nahe an ihrem Alltag teilhaben, dass man als Zuschauer den Eindruck hat, anwesend dabei zu sein.

Situationen, die eine eigene Komik haben

Gershom Sikaala aus Sambia und sein Begleiter sind beispielsweise so frustriert, dass sie auf den Not-SOS-Knopf der U-Bahn drücken, den auf der anderen Seite sich Meldenden erst einmal fragen, ob er Englisch spricht und ihm dann mehrmals durch die Leitung zu erklären versuchen: „Jesus loves you!" Auch in solchen Situationen zeigt sich die schier grenzenlose Harmlosigkeit der drei Missionare aus New York und Sambia, die kein Wort Deutsch können und meinen, in Deutschland auf Englisch mit Leuten intensiv ins Gespräch kommen zu können.

Oder der junge deutsche Missionar, der in Berlin mit einem versierten „von Gott Auserwählten" Angetrunkenen in eine Diskussion kommt, der ihm auf die Frage: „Ich nehme mal, du bist um die Fünfzig?" gezielt kontert: „Nee, ick bin vierhundert!" und sich schließlich nur noch darin rettet, dass er leise für sich feststellt, dass Gott aber doch ausschließlich nur zu ihm gesprochen habe.
Bei der Versammlung der angereisten WM-Missionare ruft er den überwiegend Jüngeren zu: „Fragt Gott, ob ihr spenden sollt!" Und als die ihn fragend anschauen: „Wenn er ‚Ja' sagt, fragt ihn wie viel!" Die Spenden werden eingesammelt, gezählt, es reicht anscheinend nicht: „Gott fragt euch ein zweites Mal zu spenden!".

Oder es ist Cody, der Leiter der New Yorker Gruppe, der seinen Missionaren eindringlich nahe legt: „Sagt nicht Missionare, das mögen die nicht, sagt ehrenamtliche Mitarbeiter der WM oder Touristen" und an anderer Stelle: „Alle liebe Amerika, außer in Frankreich". In der Vorbereitung auf die Straßenmissionierung, zu der Bibeln verteilt werden, instruiert er dann seine Leute: „The bible is a gift, but don't say ‚Gift', cause in German it means poison!"

Der Film und sein Marketing

Der Widerspruch entsteht durch das Marketing des Films, das durchaus marktschreierisch daher kommt. Allein schon das Plakat zeigt ein inkorrektes Foto - es stammt aus einer Großveranstaltung und hat nichts mit dem gezeigten Alltag der Protagonisten zu tun -, und den Krawallsatz: „Willst du Gottes Armee beitreten? Da gibt keine Demokratie mehr", den der deutsche Missionar zwar sagt, der aber im Film reichlich isoliert steht.

Auch in der anschließenden Podiumsdiskussion, die Philipp Gessler (taz) moderierte und an der neben zwei der Regisseure des Films (Lilian Franck und Robert Cibis) Rosa von Praunheim (Filmemacher und Autor), Dr. Petra Bahr (Kulturbeauftragte der EKD) sowie Werner Nachtigal (Pfarrer der evangelischen Freikirche „Kirche am Südstern") teilnahmen, hatte dieser Satz nur eine kurze Erwähnung, indem der Evangelikale ihn verteidigte („Wenn Gott mir etwas befiehlt, dann folge ich dem, denn Gott liebt die Menschen") und Petra Bahr dezidiert die demokratische Streitkultur der EKD verteidigte. Ansonsten sprach die Runde über Probleme ihrer eigenen Biographie und Religion, nicht über den Film.

Auch in anderen Teilen des Filmmarketings wird markig formuliert: „Viele Menschen verbinden mit diesem Wort Krieg und Terror, westliche Aufklärung gegen islamistische Fundamentalisten. Dass das Christentum selbst fundamentalistische Strömungen hat, wird häufig ausgeblendet. Der Dokumentarfilm ‚Jesus liebt Dich' beobachtet fundamentalistische Christen aus den USA, Afrika und Europa während der Fußballweltmeisterschaft in Deutschland 2006. Ihre Waffe ist nicht Sprengstoff, sondern Mission."

Gottgranate, was für eine Sprache! Mit dem Film hat das nichts zu tun. Und die Szenen, von denen es im Marketing heißt: „Das Lachen bleibt einem im Hals stecken, wenn sich die Amerikaner gezielt daran machen türkische Moslems in Berlin Kreuzberg zu bekehren.", sind im Film eine Abfolge von Hilflosigkeiten, indem schließlich der Leiter der harmlosen Missionsgruppe - die anderen trauen sich nicht -, freundlich vor sich hin redend über einen türkischen Markt in Berlin wandert und ihn niemand beachtet oder gar wahrnimmt.

Potential der Willfährigkeit

In diesen unkommentierten Szenen stellt sich dann aber doch allmählich ein Potential der Willfährigkeit dar, dass seinen christlichen Glauben als Gebetswerkzeug „instrumentalisiert" hat, und das auch mit anderen Inhalten gefüllt werden könnte. Der deutsche Organisator und Missionar Tilman Pforrs übermittelt die Daten „rückreiseunwilliger" Kameruner pflichtbewusst an das Landratsamt - dann betet er nach der Datenübermittlung schnell mit der Sekretärin um Absolution: „Jesus, du entscheidest, was das Richtige ist." - nicht seine Entscheidung, sondern vorgeblich Gottes Wille ist es, wird es sein.

Wer der Darstellung der Produktionsfirma glaubt: „Der Dokumentarfilm stellt die Evangelikalen als ernst zu nehmende Bedrohung für rationale Aufklärung und demokratische Werte dar, ohne sie dabei bloß zu stellen. Er gibt einen Einblick, warum sich heute immer mehr Menschen einer solchen Gruppierung anschließen.", der wird seine schwere Enttäuschung erleben, denn das zeigt der Film gerade nicht.

Das Erschreckende ist - wenn -, diese Banalität eines unbeirrbaren Glaubens und einer Emotionalität, die zwar manchmal frustriert ist, aber dann immer wieder durch die Binnenmissionierung der Gruppenleiter aufgebaut wird. Dieses Potential einer gelangweilten Willfährigkeit und Opferbereitschaft - alle haben beispielsweise ihre Reisen selbst finanziert -, ist das eigentlich Gefährliche, wenn es sich mit Politik verbindet und gewalttätig wird.

Die Schwierigkeit entsteht dann wie bei dem Finden des vermeintlichen Paradieses, das bekanntlich ja auch immer dort ist, wo man selber nicht gerade ist. Auf der Suche nach dem fundamentalistischen Evangelikalen, der seine Mitbürger bereits mit den Drohgebärden seiner militaristischen Begriffe verschreckt -, „Armee", „Kampf", „Heerscharen" -, geht dann das eigentlich Bedrohliche, die ach so harmlosen und doch willfährigen Helfer, aus dem Blick verloren. Der Film „Jesus liebt dich" ist insofern eine große Hilfe, diese Optik nicht zu vergessen.