BERLIN. (hpd) Eine Schulstunde der besonderen Art gab es gestern in der Richard-Grundschule in Berlin-Neukölln: ein Workshop in Rap. Für die humanistische Theatergruppe war es Teil des Lebenskundeunterrichts.
Zwölf SchülerInnen, zwei Musiker aus Kolumbien, eine Übersetzerin und die Lebenskundelehrerin Susan Navissi waren am Donnerstagvormittag im Mehrzweckraum der Grundschule zusammengekommen.
Marie Becker hatte die Lebenskundelehrerin angesprochen, ob sie an ihrem Projekt interessiert sei und das war sie, denn es war eine direkte Ergänzung und Fortführung zu dem „Theater der Menschenrechte“, das sie im vergangenen Jahr, parallel zum Unterricht in Lebenskunde, mit einer humanistischen Theater-AG erarbeitet und aufgeführt hatte.
Marie Becker war ein Jahr als Freiwillige des deutschen Zweigs der Peace Brigades International (PBI) in Kolumbien gewesen und hatte dort auch die Musikgruppe kennen gelernt. Ihre primäre Arbeit war dort die Schutzbegleitung von bedrohten Menschenrechtsgruppen gewesen. Als die Organisation PBI für Deutschland ein Bildungsprojekt anregte, war sie dabei, denn es galt die Erfahrungen, die man vor Ort gewonnen hatte, mit nach Deutschland zurückzutragen. „Mit dieser Organisation gehe ich dann auch an Schulen.“ Ihre eigene Arbeit wird über das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) im Rahmen des Programms des Freiwilligendienstes des Ministeriums „weltwärts“ finanziert. Die Reise- und Aufenthaltskosten der Musiker werden von verschiedensten Geldgebern getragen, sei es von PBI selber, aber auch von Spendern in Spanien und für die Auftritte in Berlin insbesondere durch den kolko e.V. der sich für Menschenrechte in Kolumbien engagiert.
Die beiden Musiker Amin und Ali, 23 und 24 Jahre alt, gehören zu der fünfköpfigen Musikergruppe „Renacientes“ (Die Wiedergeborenen) die eine eigene Form des Rap gefunden haben, mit dem sie über ihre Erfahrungen berichten.
Nach einer allgemeinen Vorstellungsrunde, in der sich die Kinder den Musikern vorstellen und die beiden Musiker den SchülerInnen, beginnt die inhaltliche Arbeit. Amin und Ali leben in einem Dorf im Norden Kolumbiens, nahe der Grenze zu Panama, und dort gibt es immer wieder Krieg. Marie Becker projeziert Zeichnungen, mit denen die SchülerInnen in der Erläuterung der Bilder selber darauf kommen, wie das Leben der beiden verlaufen ist. Holzunternehmen fällten unzählige Bäume, Brände verwüsteten den Wald und Monokulturen wurden gepflanzt. Schließlich zerstörten Soldaten das Dorf und die Einwohner wurden umgesiedelt. Als Flüchtlinge lebten sie drei Jahre in Zelten in einem Fußballstadion.
Einige der Schüler sind besonders betroffen. Sie haben selber bereits erlebt, was es heißt, Flüchtling zu sein.
Im Fußballstadion haben mehrere der kolumbianischen Jugendliche dann begonnen, Musik zu spielen und sind nach vier Jahren mit allen anderen Bewohnern wieder in ihr Dorf zurückgekehrt, haben es wieder aufgebaut und dann einen Zaun drum herum errichtet. In diesen Dorfbereich dürfen jetzt nur noch Unbewaffnete hinein.
Dann bitten sie die zwölf Kinder, in kurzen Sätzen aufzuschreiben, was sie selbst unter Frieden verstehen. Jede/r bekommt Papier und Stifte, und sie sollen bitte auch noch in ihrer Muttersprache das Wort Frieden aufschreiben, was sie in fünf Sprachen tun. (Albanisch, Arabisch, Türkisch, Spanisch und Deutsch).
Aus dem Geschrieben wird jeweils ein Satz diskutiert, ausgewählt, an die Tafel geschrieben und daraus entsteht ein neuer Rap: „Frieden ist: kein Krieg / Frieden ist: kein Hass / Frieden ist: keine Gewalt / Pause / Frieden, das macht Spaß /Pause / Alle zusammen, so wird das was.“ Mehrmals geübt klappt es dann auch bereits ganz gut. Es wird auch Zeit, da die anderen Grundschüler, die sich die Rapper anhören wollen, bereits vor der Tür warten.
Der Eigennutz des Workshops findet seine Erweiterung in einer Musikdarbietung für alle Grundschüler, die das wollen. Nachdem alle einen Platz gefunden haben, es gibt erst einmal zu wenig Stühle, kann das improvisierte Konzert beginnen: mit der Weltpremiere des „Friedensrap“.
CF