„Ungemalte Bilder“ von Emil Nolde

„Verstohlen hatte ich bisweilen in einem kleinen, halbversteckten Zimmer gearbeitet – es waren meine ‚Ungemalten Bilder’...“

 

Die sichtbar dunklere Zone des Ausstellungsweges wird nur durch große Farbdias erhellt, mit wogendem Schilf, Bildern des Hauses in Seebüll, in dem die Noldes seit 1927 wohnten und zu dem sich im Halbdunklen Meeres- und Windgeräusche mischen, Mövenschreie in der Einsamkeit.

In den vier Jahren bis zum Ende des Dritten Reiches vollendete Nolde heimlich ca. 1.300 Aquarelle, die er „Ungemalte Bilder“ nannte, da er durchaus hoffte, einige von ihnen irgendwann in großformatige Ölbilder zu übertragen. Über diese Zeit schrieb Nolde: „Die meisten dieser kleinen fantastischen Blätter entstanden in einem verschwiegenen entlegenen Hauswinkel während der Jahre meiner Ächtung. Sie waren Freunden zur Aufbewahrung gegeben, sie durften von kunstfernen Augen nicht gesehen werden.“ Und: „Diese kleinen Blätter, die ‚ungemalten Bilder’, haben mir als Mensch und Maler viel Freude gegeben. Immer wieder, fast ohne es zu wissen, stand ich dabei, mich durch neu Erfundenes überraschend. Viele Hunderte sind es geworden. Wenn ich sie alle malen soll, müßte meine Lebenszeit mehr als verdoppelt werden, das aber gibt es nicht auf unserem naturhaft streng geordneten Planeten.“

„Die Farben mit mir jubeln und weinen, meine Farben.“

Der Ausstellungsweg geht weiter, man betritt einen schwarzen Raum, auf dem in gerader Linie wenige Aquarelle zu sehen sind, mit Abstand zueinander. Langsam geht der Besucher an ihnen entlang, immer wieder durch das Schwarz der Wand unterbrochen, eine Dunkelheit, die ihn gleichsam in sich hinein saugt und erst wieder zum Licht der einzelnen Bildern frei gibt.

Dann öffnet sich die Schwärze wieder in ein helles Licht der Ausstellung und man steht einer Bildwand in Weiß gegenüber, auf der die kleinen „ungemalten Bilder“ dicht nebeneinander, über- oder untereinander zu sehen sind, wohlgeordnet, ausgerichtet, sich berühren, gegeneinander abgrenzen, sich ergänzen, thematisch verweben, einzeln bleiben und Gruppen bilden.

„Farben, das Material des Malers!“

Die mit dem Malverbot einsetzende Intensität seiner Farbgebung wird kunsthistorisch damit erklärt, dass Nolde die ihm auferlegten Beschränkungen durch die intensiven Farben zu überwinden gesucht hätte. Fast alle „ungemalten Bilder“ blieben unbetitelt. Nolde selbst war eher an den Interpretationen seines Werkes durch andere interessiert gewesen, als dass er seine Gemälde erläutert hätte: „Mir persönlich fällt es jedenfalls schwer, einiges von der eigenen Kunst zu sagen, sie in Worte zu umkleiden. Aber zu jedem einzelnen Bild stehe ich dort in einem Verhältnis, das sich aber selten mit der Meinung anderer Menschen deckt. [Ich] hätte gern gewusst, wie [meine Bilder] zu Ihnen stehen und Sie zu diesen.“