Kunst und Kalter Krieg. Deutsche Positionen

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Jörg Immendorf, Café Deutschland I, 1977/78, Köln Museum Ludwig

BERLIN. (hpd) Im Deutschen Historischen Museum findet die im Englischen treffender als „Art of Two Germanys / Cold War Cultures“ betitelte Ausstellung statt. Ausgestellt werden 357 Gemälde, Skulpturen, Fotografien, Videos, Installationen und Bücher von über 120 Künstlerinnen und Künstlern, die in den beiden Teilen Deutschlands in der Zeit des Kalten Krieges entstanden sind.

Nach der Eröffnung der von Stephanie Barron und Eckhart Gillen organisierten Ausstellung in Los Angeles folgte eine Exposition in Nürnberg. In Deutschen Historischen Museum sind nun bisher ungezeigte und nur in Berlin präsentierte Werke der miteinander konkurrierenden Teile Deutschlands zu sehen. Gegliedert ist die Ausstellung in fünf Zeitabschnitte: 1945-50, 1951-59, 1960-69, 1970-79 und 1980-89. Die jeweiligen Zeitzonen werden durch Filmreihen optisch von einander abgegrenzt.

 Die Spannungen der Nachkriegszeit

Eingeleitet wird die Nachkriegszeit mit der Frage, ob sich die Kunst nach 1945 in ihrer Darstellungsweise und Themenauswahl für die Anknüpfung an die Malerei vor dem Dritten Reich, also Kontinuität, entscheiden solle oder einen Neubeginn starten müsse. Zu dieser Fragestellung kommt es dabei nicht nur ob der politischen Entwicklung, sondern auch wegen der Zerstörung Deutschlands und des daraus resultierenden Chaos, die beide ebenfalls ein sehr präsentes Sujet darstellen.

Beide Haltungen, die Kontinuität und der Neubeginn, werden durch entsprechende Werke repräsentiert. So hat es Künstler gegeben, die an realistische Gestaltungsweisen der Vorkriegszeit anknüpften sowie solche, die, weil sie die Stunde Null für geschlagen hielten, versuchten, ursprüngliche Techniken wiederzuentdecken. Als Beispiel für die realistische Position steht u.a. Willi Baumeisters Gemälde „Urformen“ (1946), in dem der Künstler einen Neuanfang in der Malerei suchte. Die Kontinuität hingegen wird u.a. an Gemälden wie Curt Querners „Elternbild“ (1948) deutlich, das die Hinfälligkeit, Gebrechlichkeit und Endlichkeit menschlichen Lebens anhand sehr alter und gebeugter Zeitgenossen zeigt, die als Eltern die Zukunft aller Menschen vorwegnehmen.

Für die Zeit nach 1945 hatten die Alliierten die Entnazifizierung Deutschlands geplant und vorbereitet, wobei sie der Kulturpolitik besondere Aufmerksamkeit zuteil werden ließen. So sollte „Freiheit“ zu einem Schlüsselbegriff der westlichen Kunst werden, die durch die Teilung Deutschlands 1949 geographisch und damit konkret von der Ostzone abgegrenzt wurde.

Die ideologischen Auseinandersetzungen des Kalten Krieges und die künstlerische Autonomie

Aus der deutschen Teilung ergaben sich Spannungen, welche die 1950er Jahre hindurch eine ideologische Auseinandersetzung zwischen Ost und West prägten, in der die jeweiligen Menschenbilder der Kontrahenten gegeneinander konkurrierten. In der DDR wurde, wie an den Exponaten deutlich wird, der staatlich vorgeschriebene Sozialistische Realismus zur offiziellen Richtschnur für die Kunst. Diese beinhaltete nicht nur den unerschütterlichen Helden der Zukunft, sondern auch generell positive, optimistische Bilder vom Wiederaufbau, mit dem das glücklich, gemeinschaftlich und fleißig arbeitende Volk befasst war. In der informellen bzw. abstrakten Malerei der BRD wurde während dessen das befreite Subjekt fokussiert. Die Nachkriegskunst sollte eine direkte Nachfahrin der europäischen Vorkriegsmoderne sein, wobei die abstrakte Kunst als eine internationale Sprache jenseits von nationalen Identitäten proklamiert wurde und so eine Manifestation der Freiheit und Unabhängigkeit bilden sollte.

Die PsychoanalytikerInnen Alexander und Margarete Mitscherlich hingegen interpretierten die abstrakte Kunst der BRD als Manifestation der Unfähigkeit zu trauern und des kollektiven Tabus der Auseinandersetzung mit der NS-Zeit, die in der Leugnung der eigenen Schuld und dem Wunsch nach Verdrängung kulminierte. Mitscherlichs beschrieben eine Nachkriegsgesellschaft, die kein Interesse daran zeigte, ein Bewusstsein der NS-Vergangenheit in ihr zu verankern, da dies negative Auswirkungen auf die zunehmend stabile Wirtschaft und das damit verbundene Lebensgefühl gehabt hätte. In der Kunst drückte sich diese Haltung in einem Interesse an rein-ästhetischen Arbeiten aus, das vom Optimismus des Wirtschaftswunders beflügelt wurde.

Beispielbild
Fritz Cremer, Buchenwald-Denkmal, 1952

Lediglich im Medium der ebenfalls ausgestellten Fotografien wurde in Ost und West Kritik an dieser blinden Aufbruchstimmung geübt. Die Leugnung auf ostdeutscher Seite wurde durch die sowjetische Propaganda bestimmt, wonach alle Ostdeutschen unabhängig von der individuellen Schuld Opfer der NS-Diktatur geworden wären. In der sozialistischen Kunst wurde die Ideologie des Sozialismus und Antifaschismus propagiert, wofür die ausgestellte Kunst um den Wettbewerb für das Buchenwald-Denkmal als Manifestation verstanden werden kann.

Die Polarisierung der Ost- und Westkunst stellt sich im Laufe der Ausstellung trotz ihrer teilweisen Berechtigung als Vorurteil heraus, zumal es auch im Osten abstrakte Malerei gegeben hatte, genauso wie im Westen realistische Darstellungen nicht fehlten. Als Beispiel sei an dieser Stelle Konrad Klapheck angeführt, der sich durch seine gleichnamige, realistische Darstellung einer Schreibmaschine mit dem Wirtschaftswunder auseinandersetzte, womit er Kritik am maschinellen Vorgehen von Behörden verknüpft haben mag und den „Kapitalistischen Realismus“ der 1960er Jahre vorweg nahm.

Außerdem stellt sich bei genauerer Betrachtung auch die informelle Malerei als ideologisch überfärbt heraus, womit beide Stilrichtungen einander in nichts nachstehen: So hatte es im Westen Ausschreibungen für Kunstwettbewerbe gegeben, bei denen ausdrücklich die abstrakte Kunst erwünscht war und damit finanziell gefördert wurde, um sich sowohl von der NS-Vergangenheit als auch von der DDR abzugrenzen. Gefördert werden musste diese Kunst schon deshalb, weil sie sowohl bei wenig gebildeten Menschen als auch bei Konservativen zunächst auf eine große Ablehnung stieß.

Aufarbeitung und Durchbrechen von Tabus

In den 1960er Jahren erst begann die künstlerische und historische Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus, die mit der Radikalisierung sowohl politischer als auch künstlerischer Gruppen einherging und bis in die 1970er Jahre andauerte. Darum erweist sich eine thematische Trennung zwischen den beiden Jahrzehnten als unmöglich. In der Ausstellung werden sie jedoch durch eine formale Einteilung voneinander abgegrenzt.

Der bis zu den 1960ern geltende Kunstbegriff wurde erweitert, worunter die zunehmende Nutzung neuer Medien durch die Künstler fiel. Die letztgenannte Entwicklung wurde in der Kunst unter dem Begriff der „Zeitgenossenschaft“ gefasst. Zunächst entstand im Westen inspiriert durch die angloamerikanische Pop Art der Kapitalistische Realismus. In der ehemaligen DDR erreichte die Abwertung der nicht-linientreuen Kunst eine rhetorische Nähe zum Vokabular der Nationalsozialisten („entartete Kunst“), während im Westen die Kunst an die aufkommenden Studen-tenbewegung anknüpfte, sodass sich die Künstler dem Trauma der deutschen Vergangenheit zuwandten und anfingen, „deutsche Helden“ und nationale Symbole in Frage zu stellen.

Die Gegenreaktion zum Wirtschaftwunder brachte terroristische Gruppierungen hervor, mit denen sich die Kunst ebenfalls auseinandersetzte. Eine künstlerische Kritik am Kapitalismus blieb nicht aus. Der statische Kunstbegriff wurde aufgebrochen, indem neue Medien, Fluxus, Happening und Körperkunst zum Einsatz kamen: beispielsweise ließ Joseph Beuys Kunst und politische Statements verschmelzen. Eine Vitrine, die er mit urbanem Schutt angefüllt hatte, stellte die Geste eines „Kehraus“ dar, die die Unzufriedenheit der Künstlers sowohl mit den Dogmen des Marxismus wie mit dem westlichen Kapitalismus visualisierte. Wichtige Werke entstanden außerdem um die Zeit des Eichmann-Prozesses sowie der Auschwitz-Prozesse.

Beispielbild
G. Richter, Onkel Rudi
Auch im Osten wurden die neuen Methoden genutzt, wenn auch eher im Verborgenen und unter der Brandmarkung des Unerwünscht-Seins und der staatlichen Repression. Arbeiten jenseits des Dualismus von Abstraktion und Realismus entstanden ebenfalls. Des Weiteren gab es auch westdeutsche Werke wie Gerhard Richters „Onkel Rudi“ (1965), die den Durchschnittsnazi der Auschwitz-Prozesse zeigen sollten, um darauf aufmerksam zu machen, dass alle Deutschen einen Nazi in der Familie hatten. Auch in den Arbeiten ostdeutscher Maler fanden sich Anspielungen auf den Kalten Krieg und Andeutungen über die Auschwitz-Prozesse, wegen der Zensur mussten die Künstler ihre Kritik allerdings verdecken. Sie verwendeten biblische oder mythologische Motive sowie andere verschleierte Parabeln. Die narrative Fotographie der DDR war um diese Zeit pädagogisch, sie sollte die Überlegenheit des sozialistischen Systems anhand von Aufnahmen des Alltags gewöhnlicher Menschen vermitteln. Staatlich geförderte Kunst hatte klar, wortgetreu und allen zugänglich zu sein. Trotzdem machten seit den 1970er Jahren Photographinnen wie Evelyn Richter und Helga Paris private Aufnahmen, die diesem „ästhetischen Auftrag“ zuwiderliefen.

Die Dekonstruktion der Wirklichkeit

Die 1980er Jahre waren in der Kunst des geteilten Deutschland vom wahnhaften Wunsch nach der Aufrechterhaltung des status quo bestimmt. Diese Aufrechterhaltung sollte über das Ideal deutscher Innerlichkeit erreicht werden, welches durch das Wohn-Zimmer repräsentiert wurde. Es verkehrte sich jedoch in bzw. wurde entlarvt als ein „Wahn-Zimmer“. In der ehemaligen DDR wurden um diese Zeit Freiräume künstlerischer und gesellschaftlicher Kritik erkämpft, während auch in der BRD Gegenüberstellungen von Sozialismus und Kapitalismus an Glaubwürdigkeit verloren. Im Osten Deutschland wuchs der politische Widerstand. Zu den non-konformen Darstellungen sind u.a. die Werke von Gundula Schulze Endowy zu rechnen, die Außenseiter, Alter, Armut, Krankheit und generell die Systemverlierer der DDR portraitierte. Auf der anderen Seite hatten am Ende der 1980er Jahre viele Künstler und Künstlerinnen den Einparteienstaat verlassen, sodass es zu einem künstlerischen Vakuum kam. Die dagebliebenen Künstler veranstalteten Happenings, wobei sie ihrer Stimmung durch öffentliche Rasuren, Verletzungen, Schmerzdarstellungen und andere Inszenierungen Ausdruck verliehen.

In den 1980ern wurden darüber hinaus postmoderne Themen wie gender, class und race thematisiert und boten viel Nährboden zu ironischer Kritik, Parodie und Subversion traditioneller Assoziationen. Rosemarie Trockel setzte sich zum einen durch die Wahl „weiblicher Materialien“ vom autoritären Stil Beuys sowie von dem Machismo der Kölner Kunstszene ab und arbeitete diese Materialien in einem neuen Produktionsvorgang um. Ihre Verwendung der sich wiederholenden Muster und besetzten Symbole wie etwa des Playboy-Hasen und des Hammer-und-Sichel-Symbols auf maschinengefertigten Wollbildern können als Parodie auf die Produktionsentwürfe von Mitgliedern der späten, utopistischen russischen Avantgarde angesehen werden. Im Ausklang der Ausstellung ist außerdem die zwi-schen Dresden und Westberlin entstandenen Bildschaukel „Gefrorene Bilder brechen leicht“ von Via Lewandowsky zu sehen. Die Epoche des Kalten Krieges ging am 9. November 1989 mit der Mauereröffnung zu Ende.

Fazit

Die Ausstellung „Kunst und Kalter Krieg. Deutsche Positionen 1945-89“ bietet eine interessante und repräsentative Auswahl an Werken, die in der gegebenen Zusammenstellung viele Anregungen bietet. Nur leider ist der deutsche Titel irreführend, da er Kunst mit Bezug auf den Kalten Krieg erwarten lässt. Solche Werke kommen aber eigentlich nicht vor. Stattdessen werden die Stimmungen, Spannungen und Entwicklungen in den beiden deutschen Staaten nachvollzogen. Diese Thematik und die gegebene Ausführung sind definitiv einen Besuch wert, auch wenn ein an-derer Titel, etwa „Die künstlerische Entwicklung in den beiden deutschen Staaten zur Zeit des Kalten Krieges“ sie besser auf den Punkt gebracht hätte.


Katharina Eichler

„Kunst und Kalter Krieg. Deutsche Positionen 1945-89.“ Berlin, Deutsches Historisches Museum, 03.10.2009-10.01.2010 täglich 10-18 Uhr

 

  

Abbildungen der Kunstwerke: Deutsches Historisches Museum

Fotografien: Evelin Frerk