(hpd) Nach dem „Superwahljahr“ 2009 steht die NPD schlechter da als zuvor: Die erhofften Wahlerfolge sind nicht eingetreten, der Finanzskandal hat die Partei erschüttert, unterschwellig bestehen weiterhin Konflikte um die richtige Strategie. Ist damit das Thema erledigt?
Diese Frage verneinen die beiden Politikwissenschaftler Gideon Botsch und Christoph Kopke, Mitarbeiter des Forschungsschwerpunkts Antisemitismus- und Rechtsextremismusforschung am Moses Mendelssohn Zentrum für europäisch-jüdische Studien in Potsdam. In ihrem Buch „Die NPD und ihr Milieu“ heißt es gleich zu Beginn: „Der historische Blick zeigt: Politische Niederlagen und interne Querelen, Finanzsorgen und scharfer politischer Gegenwind haben die Entwicklung der NPD stets begleitet, ihren politischen Spielraum eng begrenzt – aber ihre Existenz letztlich nicht gefährden können“ (S. 8). In ihrem Band wollen die Autoren auf engem Raum die gegenwärtige Entwicklung der Partei beschreiben und einschätzen.
Er setzt sich aus zwölf einzelnen Beiträgen zusammen: Zunächst geht es um theoretische Fragen wie etwa die Definition des Rechtsextremismus im Koordinatensystem des politischen Spektrums und die Unterscheidung von Erscheinungsformen und Problemdimensionen des Rechtsextremismus. Danach widmen die Autoren sich dem Verhältnis von NPD und Nationalsozialismus, zeichnen die Entwicklung der Partei in Baden-Württemberg zwischen 1968 und 1972 nach und gehen auf ihre Rolle im gegenwärtigen Rechtsextremismus in Brandenburg ein. Dem folgen Beiträge, die sich der Kommunalpolitik der NPD, dem Verhältnis zur DVU und der Bedeutung des Antisemitismus in der Partei widmen. Und schließlich steht das Verhältnis der NPD zur Demokratie, deren ideologisches Selbstverständnis von „nationalem Sozialismus“ und die soziale Demagogie bei wirtschaftspolitischen Fragen im Zentrum. Abschließend widmen sich die Autoren noch der Beschreibung und Einschätzung der gegenwärtigen Krise der Partei.
Zur ideologischen Ausrichtung der Partei heißt es: „Seit dem Scheitern des Verbotsverfahrens lassen zahlreiche Untergliederungen und Funktionäre der NPD auf Demonstrationen und in Publikationen die frühere, offenbar überwiegend taktisch motivierte Zurückhaltung fallen und ihre positive Bezugnahme auf die NPSDAP, den Nationalsozialismus und Adolf Hitler immer unverhüllter deutlich werden. In diesem Sinne steht die heutige NPD auch in der Tradition der NSDAP“ (S. 42). Und weiter heißt es bezüglich des inhaltlichen Verständnisses von „nationalem Sozialismus“ innerhalb der Partei: „Ohne dass dies in der NPD tatsächlich programmatisch verankert wäre, und trotz unübersehbarer Unterschiede zwischen heutiger NPD und historischer NSDAP der Weimarer Republik, wird in der tagespolitischen Propaganda immer klarer deutlich, was die Forderung nach „nationalem Sozialismus’ durch NPD/JN und ‚freie Kräfte’ wirklich meint: Das Eintreten für ein System des Nationalsozialismus historischen Vorbilds“ (S. 93).
Die meisten der einzelnen Kapitel entstanden aus zuvor gesondert publizierten Beiträgen in Handbüchern, Sammelbänden oder Zeitschriften. Dies macht die Vor- und Nachteile des Bandes aus: Insgesamt wirkt er dadurch fragmentarisch, fehlen doch wichtige Gesichtspunkte und Themenaspekte. So gibt es etwa einen Abschnitt zur NPD in Baden- Württemberg Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre, aber keine vergleichbaren Ausführungen zur Partei in anderen Ländern und zu anderen Zeiten. Darüber hinaus werden einzelne Themen viel zu knapp behandelt: Dafür stehen etwa die Erörterungen zum Verhältnis der NPD zum Nationalsozialismus, die nur knapp vier Seiten ausmachen. Für dieses – aus unterschiedlichen Gründen – interessante Thema hätte es einer ausführlicheren Betrachtung bedurft. Gleichwohl eignet sich der schmale Band von nur 120 Seiten als Einführungs- und Überblicksdarstellung. Auch der interessante Definitionsansatz mit drei verschiedenen Dimensionen des Rechtsextremismus verdient Aufmerksamkeit und Diskussion.
Armin Pfahl-Traughber
Gideon Botsch/Christoph Kopke, Die NPD und ihr Milieu. Studien und Berichte, Münster – Ulm 2009 (Klemm & Oelschläger-Verlag), 120 S., 9,80 €