Rekordaustritte - weniger als 2/3 Katholiken

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Stephansdom / Foto: Freidenkerbund

WIEN. (fdb/hpd) Das Jahr 2009 wird als "annus horribilis" in die Chronik der römisch-katholischen Kirche in Österreich eingehen. So viele Menschen wie nie sind im Vorjahr ausgetreten. Und erstmals seitdem die Zahl erhoben wird, sind jetzt weniger als zwei Drittel der BewohnerInnen Österreichs offiziell Mitglieder der katholischen Kirche.

 

Vor 50 Jahren lag der Anteil der Katholiken in Österreich noch bei 89 Prozent. Bemerkenswert angesichts der Tatsache, dass die heimischen Diözesen im Vorjahr im wesentlichen von größeren Skandalen verschont blieben.

Einzig in Linz lässt sich die deutliche Abkehr von der größen Religionsgemeinschaft an aktuellen Ereignissen festmachen. Die Diskussion um den konservativen Weihbischof Gerhard Maria Wagner dürfte nicht wenige der 9.300 OberösterreicherInnen vertrieben haben, die der Kirche dort für immer den Rücken kehrten. Das waren um 43,5 Prozent mehr als im Jahr davor. Dass der sich selbst als grundsatztreu sehende Wagner nach massiver Kritik zurücktrat, machte die Sache nicht besser. Und vielleicht haben auch in Vorarlberg die homophoben Aussagen von Elmar Fischer die vermehrten Austritte zu verantworten.

Erich Leitenberger, Pressesprecher der Erzdiözese Wien, sieht das etwas anders. Die Vorgänge um die Aufhebung der Exkommunikation lefebvrianischer Bischöfe, insbesondere die Aussagen des Holocaust-Leugners Richard Williamson, sowie die Irritationen um Wagner hätten ein sehr negatives Bild der Kirche in den Medien erzeugt, sagt er gegenüber ORF.at. Eine Rolle bei der Entwicklung der Austrittszahlen spiele auch die gravierende Finanz- und Wirtschaftskrise, versucht er die Abkehr von der Kirche zu relativieren. Gleichzeitig stellt er fest, dass Religion für die ÖsterreicherInnen eine immer geringere Rolle spiele.

Erwin Peterseil vom Atheisten-Info gibt ihm hier Recht: "Warum sollten Leute, die nie in die Kirche gehen, denen Religion sowieso einfach wurscht ist, Mitgliedsbeitrag zahlen? Versuche, die Religion den Menschen wieder mehr aufzudrängen, bleiben wirkungslos, der liebe Erlöser Jesus wird zu einer immer belangloseren Figur", schreibt er in einem Kommentar auf seiner Homepage. Auch der Freidenkerbund sieht die Kirchenaustritte als Zeichen, dass der Katholizismus nicht mehr zum Selbstverständnis der ÖsterreicherInnen gehört. "Die Menschen denken mehr darüber nach, welchen Sinn es hat, bei einem Verein zu bleiben, dem sie nie beigetreten sind. Wobei immer noch zu viele aus banalen Gründen dabeibleiben, zum Beispiel, damit sich die Großmutter nicht kränkt. Glauben tun sie schon lange nicht mehr daran", sagt Freidenker-Vorstandsmitglied Christoph Baumgarten.

Theo Maier, Vorsitzender des Freidenkerbundes, zeigt sich erfreut von der Entwicklung. "Es ist ein gutes Zeichen, dass sich Menschen dem sozialen Druck nicht mehr so beugen wie früher. Das zeigt gleichzeitig, dass der konfessionelle Religionsunterricht selbst aus Sicht der Religionsgemeinschaften keinen Sinn hat und langfristig niemanden in der Kirche hält. Es gibt überhaupt kein Argument, diesen Unterricht den Kindern anzutun. Und es gibt überhaupt kein Argument, warum die Öffentlichkeit jährlich mehr als 600 Millionen Euro für die gescheiterten Indoktrinationsversuche zahlen soll", sagt Maier.

FDB