12 Tage des Gedenkens

Ja, es gab weitere Veranstaltungen.

Einen „Katzensprung“ von Tel Aviv entfernt fand in Herzlya, Partnerstadt von Leipzig, mit dem GewandhausKinderchor Leipzig und Markus Zugehör am Flügel, geführt von Frank-Steffen Elster ein weiterer Höhepunkt statt. In den Ansprachen stellten die Oberbürgermeister beider Städte die Normalität ihrer gegenwärtigen wie künftigen Zusammenarbeit vor, bei der die Infrastruktur eine gewichtige Rolle spielt.

Und das „Abendsingen“ der beiden Chöre und der „Mädchen“ in dem anfänglich gemeinsamen Hotel in Netanyan. Oder Beit Yitzak, ein Kibutz mit dem Singen der bekannten Lieder – und wieder Fragen und Antworten um zu verstehen....

Das Enav Center in Tel Aviv war offen für die Begegnung wiederum der Zeitzeugen mit allen Initiatoren, Freunden und Engagierten und Gastgebern, Grußworten, Sätzen und Gedanken aus den Aufzeichnungen der damals jungen Mädchen liest jetzt jeweils ein Mädchen aus dem Chor – daneben die erfahrene Frau, sie nimmt uns, die zuhören mit nach Theresienstadt aber ... nur für einen Moment. Der GewandhausKinderchor begleitet diesen Abend.

Das Goetheinstitut in Tel Avi lud zu einer Lesung in deutscher Sprache aus den Tagebüchern, Poesie-Alben und aufgeschriebenen Erinnerungen der damals 11 bis 13-jährigen Mädchen ein. Evelina, Helga, Hannelore lesen. Maria liest und singt.

Evelina: „Vergiß nicht, was wir zusammen erlebt haben, wie wir gesungen und geträumt haben. Und die Konzerte mit Bastik! – Was schön war im Heim sollst Du nie vergessen. Mach’s gut, ärgere nicht Deine Mutti. Es küsst Dich Deine Maria Mühstein.“

Maria: „Der Mensch ist auf der Welt, Gutes zu tun. Wer sich nicht daran hält, hat kein Recht, ein Mensch zu sein. Wenn Du die Bestimmungen des Menschen auf Erden erfüllen willst, richte Dich danach und lebe nach den Prinzipien, nach denen uns Tella erzogen hat. Überlege im Zweifelsfalle, was sie gemacht hätte. Ich glaube, das sie der makelloseste Mensch ist. Eva Lindt

Hannelore: „Anfang 1943 lebten etwa 5.000 Kinder im „Ghetto“ – ein Euphemismus, eine Beschönigung und Verschleierung für das, was eigentlich ein Konzentrationslager war – und ein Durchgangslager in den Tod. Konzentrationslager für 140.000 Menschen, Durchgangslager in den Tod für 88.000 Menschen, darunter mehr als 14.000 Kinder. Endstation und Sterbeort für 33.500 Menschen.
Das Mädchenheim L 410 bot Unterkunft für Mädchen. Sie waren nach Jahrgängen geordnet, in die Zimmer aufgeteilt – jeweils 30 qm für 30 Kinder. Jedes Zimmer hatte eine Hauptbetreuerin – im Zimmer 28 war es Ella Pollak genannt Tella. Ihr zur Seite stand die um einige Jahre jüngere Eva Weiss.

Helga: „2. April 1943 - Dieser Tag ist voll von Freude! Die Deutschen erleiden lauter Verluste. Heute Nachmittag bin ich in ein anderes Stockbett, neben Ella Stein umgezogen ... Gestern haben wir unsere erste Sitzung abgehalten. Da es im Heim schrecklich war, fangen wir von neuem an, gerade so, als wären wir eben angekommen. Wir werden sozusagen ein Parlament haben. Die Betreuerinnen sind die Minister, dann kommen die Abgeordneten in zwei Klassen .... Das Oberhaus ist der „Maagal“. Im Maagal sind die Mädchen vertreten, die zuvorkommend sind, freundlich und fleißig ....

Maria: "Durch Theresienstadt ziehen Nachrichten, genauer gesagt: Bonkes, Gerüchte, dass ein Transport von 5.000 Leuten in Vorbereitung ist. In den Straßen, Kasernen und Heimen herrscht eine angespannte Atmosphäre. Leider – diesmal ist es die traurige Wahrheit. .... Am Nachmittag bekam Zdenka die Einberufung. Wir dachten, dass sie weinen wird. Doch Zdenka hielt sich tapfer. Am Abend kam dann die Einberufung für Pavla und Olile.

Evelina: „Niemals. Seid tapfer. Wir denken immer an euch.

Helga: "Leb wohl. Pavla. Du weißt, nach dem Krieg: Olbramavice, die Nummer eins."

Evelina: „Wir treffen uns am ersten Sonntag nach dem Krieg auf dem Altstädter Ring vor dem alten Glockenturm.

Helga und Evelina: „Du glaubst mir, ich glaube dir. Du weißt, was ich weiß. Was immer kommen mag. Du verrätst mich nicht. Ich verrate Dich nicht.

Helga: "Mittwoch, 22. September 1943. Ela und ich sind wie zwei Schwestern. Wir teilen uns alles, auch den Quark und den Pfeffer. Gerne möchte ich eine Antwort bekommen: Was ist nichts? Aber Nichts existiert doch gar nicht! Aber eine totale Leere gibt es ja auch nicht – alles enthält etwas. Und dann möchte ich gerne wissen: Wie kann sich ein Mensch im Geiste die Unendlichkeit vorstellen – zum Beispiel eine unendliche Linie oder das unendliche Universum? Warum gibt es gerade auf der Erde Lebewesen? Hat das die Natur gemacht oder gibt es doch etwas Höheres? Wer beantwortet mir das und wem kann ich glauben? Ich möchte, dass sich der Traum der Menschen erfüllt, in Frieden zu leben ...

Fragmente ihrer Sätze

Szenen des unerwarteten Wiedersehens, wie auch lang vorbereitete Verabredungen, laufen diszipliniert und eng nebeneinander ab. Fragmente ihrer Sätze steigen auf, dringen an mein Ohr und das der anderen, beleben die Vergangenheit, hallen weiter in den Raum: „Hans Krása...“, „Gideon Klein...“, „Rafael Schächter ...“ , „Friedl Brandeis...“ , „Fredy Hirsch...“, „Ilse Weber ....“ immer wieder „Auschwitz ...“, „Theresienstadt...“, „Bergen-Belsen ....“, „Polen ...“, „Rumänien...“, „ ... der Film kehrt zu mir zurück, immer wieder. Ich sehe mich und kann nicht fassen, das ich es bin“, so zieht Judith Rosenzweig die Brücke zu ihrer Gegenwart. Geboren wurde sie 1930 in Brünn, März 1942 mit 12 Jahren deportiert nach Theresienstadt, dann Bergen-Belsen. Sie lebt in Israel.

Die Kinder des Moran Choir sind wieder zu Hause in Beit Yitzhak. Der Flieger mit dem GewandhausKinderchor ist in Leipzig gelandet. Tränen gab es und einen langen Abschied von den Freunden. Musizieren verbindet und nicht alle werden sich wieder sehen. Doch die „Mädchen“ verabschieden sich wie bei jedem Treffen mit „See you again.“

 

                Ela Weissberger                                          Helga Kinsky

 
 
             Evelina Landova                                           Handa Drori

                     Edith Kraus, Gaby Flatow                                  Vera Kreiner

                        Judith Rosenzweig                                     Hannelore Brenner-Wonschick

 

Room 28 e. V. begleitete alle Veranstaltungen mit 23 großformatigen Tafeln die, ins Englische übersetzt, die Dokumente wiedergeben. Dazu stand eine hebräische Übersetzung zur Verfügung sowie von Hannelore Brenner-Wonschick „Die Mädchen von Zimmer 28, Freundschaft, Hoffnung und Überleben in Theresienstadt“, Porträts, private Zeugnisse, amtliche Dokumente. Gebunden, 383 Seiten, Aufbau-Verlag, ISBN 978-3-351-02663-9, Euro 19,95 €.