(hpd) Der Journalist Ulli Schauen wirft in einen kritischen Blick auf die „normalen Skandale“ der Kirche, vor allem bezüglich der Folgen einer unterbliebenen Trennung von Kirche und Staat. Es handelt sich eher um eine Sammlung von einzelnen Beispielen in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen, welche in dem Buch insgesamt eher fragmentarisch wirken.
Gegenwärtig steht es um das öffentliche Image der Kirchen schlecht: Gewalttätige Erziehungsmethoden und sexueller Missbrauch, moralische Bigotterie und finanzielle Unregelmäßigkeiten sorgten für schlechte Schlagzeilen. Doch wie sieht es mit der Normalität vor den Skandalen aus? Auch hier lässt sich nicht selten ein Auseinanderklaffen von Anspruch und Wirklichkeit bei den Institutionen mit einem hohen Moralanspruch ausmachen. Darauf will der Journalist Ulli Schauen in seinem Buch „Das Kirchenhasser-Brevier. Ein verlorener Sohn rechnet ab“ aufmerksam machen. Der Untertitel spielt auf seine familiäre Herkunft aus einer Pfarrerfamilie an. Zunächst habe Schauen sich auch selbst als fromm, später aber als ungläubig verstanden. Mit dazu beigetragen haben wohl seine Recherchen zur Rolle der Kirchen in der Gesellschaft, welche den Ausgangspunkt für sein Buch bildeten. Darin thematisiert er anhand einer Reihe von Beispielen kirchliche Normalität, die zumindest Kritik verdient, mitunter aber auch Skandale steht.
Zunächst geht es um die kirchlichen Finanzen, die dank staatlicher Unterstützung auf Basis des Steuergeldes auch von Nicht-Religiösen üppig vorhanden sind. Die fehlende Trennung von Kirche und Religion führe aber auch in anderen Bereichen zur einseitigen Bevorzugung wie bei den Bekenntnisschulen, der Militärseelsorge oder den Universitäten. Mittlerweile habe sich auch ein kirchlich-medialer Komplex herausgebildet, welcher für ein besseres Image der Kirchen werbe und öffentlich geäußerte Kritik zurückdrängen wolle. Als Arbeitgeber verhielten sich die Kirchen mit dem Dumping von Löhnen ebenso wie mit der Einmischung ins Privatleben auf eine besondere Art. Den „christlich-islamischen Dialog“ nutze man primär als Vehikel zur Absicherung eigener Macht. Bilanzierend bemerkt der Autor: „Das beste Urteil, das über die Kirchen zu fällen wäre: Sie sind auch nicht besser als der Rest der Welt. Dass sie allerdings ständig so tun, als seien sie die moralisch höherwertigen Organisationen mit den besseren Menschen, das macht sie unsympathisch“ (S. 17).
Schauen bzw. sein Verlag hat sich selbst keinen Gefallen damit getan, sein Buch „Das Kirchenhasser-Brevier. Ein verlorener Sohn rechnet ab“ zu betiteln. So wirkt es wie ein emotional hasserfüllter und persönlich motivierter Angriff auf die Kirchen. Inhaltlich präsentiert der Autor aber überzeugende Fakten, welche die problematische Bevorzugung der Kirchen durch den Staat und den unangemessenen Anspruch auf die Monopolvertretung von Moral thematisieren. Dies geschieht am konkreten Fall und in lockerer Schreibe, wobei aber mehr das gerade zum Themenkomplex Gewusste in ein Kapitel „geworfen“ wird. Mitunter fehlen wichtige Aspekte, die aber nicht gegen die kritische Richtung des Buches sprechen, sondern sie allenfalls noch verstärken würden. Gleichwohl wirkt der gesamte Text ohne einen richtigen Anfang und ein richtiges Ende doch sehr fragmentarisch. Eine Erklärung für das Aufkommen der angesprochenen Zustände findet man darin auch nicht. Gleichwohl wirft Schauen einen kritischen Blick auf die „normalen Skandale“ der Kirche.
Armin Pfahl-Traughber
Ulli Schauen, Das Kirchenhasser-Brevier. Ein verlorener Sohn rechnet ab, München 2010 (Heyne-Verlag), 304 S., 8,95 €
Das Buch ist auch im denkladen erhältlich.