(hpd) Der Politikwissenschaftler Farid Hafez will mit dem neu gegründeten „Jahrbuch für Islamophobieforschung“ ein Forum für Forschungen über die Feindschaft gegen den Islam und die Muslime etablieren. Der erste Band enthält eine Reihe von beachtenswerten Fallstudien zur Vorurteilsforschung, irritiert aber auch durch den nicht trennscharfen und unklaren Gebrauch der Kategorie „Islamophobie“.
Seit den Anschlägen vom 11. September 2001 lässt sich – darauf weisen nicht nur Umfragen hin - in der westlichen Welt ein Anstieg der Ressentiments gegen den Islam und die Muslime ausmachen. Um diese Entwicklung begrifflich zu erfassen, nutzt man verstärkt die Bezeichnung „Islamophobie“. Sie findet aber nicht nur in Arbeiten aus dem Bereich der Vorurteilsforschung Verwendung, gleichzeitig dient sie islamistischen Gruppierungen zur Abwehr von Kritik an ihrem politischen und sozialen Selbstverständnis. Daher sollte „Islamophobie“ als wissenschaftliche Bezeichnung entsprechend differenziert verwendet werden. Hiervon geht auch das von dem Politikwissenschaftler Farid Hafez erstmals herausgegebene „Jahrbuch für Islamophieforschung“ aus. Es will sachlich fundierte und wissenschaftlich systematische Analysen „islamophober Geschehnisse in drei deutschsprachigen Ländern – Deutschland, Österreich und der Schweiz - in einem jährlichen Abstand zur Verfügung“ (S. 8) stellen.
Dieser erste Band enthält neun Aufsätze: Im einleitenden Beitrag skizziert der Herausgeber die Absicht des Projekts und geht auf die Etablierung des Begriffs „Islamophobie“ ein. Danach analysieren Iman Attia und Yasemin Shooman die Rezeption des Mordes an Marwa el-Sherbini in Internet und Printmedien. Die schweizerische Variante der Islamophie wird von Georg Kreis anhand der Minarett-Volksabstimmung thematisiert. Hafez untersucht danach den Islamophobie-Diskurs der FPÖ in Österreich und Rüdiger Lohlker im Internetblog „Islamkritik.at“ ebenfalls in Österreich. Die Notwendigkeit zur Erforschung von Ängsten und Vorbehalten begründet dem folgend Thomas Schönberger. Alexander Steffek gibt danach eine qualitative Überblicksdarstellung zur Islamophobie in Österreich. Und die Angstkonstruktionen als nationale oder private Mythenbildungen im Kontext von Islamophobie werden abschließend aus psychodynamischer Sicht von Edith Frank-Reiser, Eva Mückstein und Hermann Spielhofer untersucht.
Bei den einzelnen Beiträgen handelt es sich überwiegend um beachtenswerte Fallstudien im Sinne einer Vorurteilsforschung, was etwa für die kritische Untersuchung der einschlägigen Agitationstechnik der FPÖ in Österreich auch am Beispiel von Plakaten gilt. Durch nahezu alle Texte zieht sich aber ein unklares Verständnis von „Islamophobie“. Der Herausgeber Hafez geht zwar in der Einleitung auf die Problematik der trennscharfen Definition ein, plädiert aber nur für sein Modell eines „islamophoben Populismus“ (vgl. S. 16-18). Wie nun eine menschenrechtlich begründete und eine hetzerisch motivierte Position in dieser Frage zu unterscheiden wären, bleibt so unklar. In einem Beitrag wird wohl sogar eine „islamkritische bzw. islamophobe Haltung“ (S. 114) gleichgesetzt. Da besteht aber durchaus ein Unterschied! Diskussionswürdig wäre auch die Annahme, das „Feindbild Islam“ habe keine Bezüge zu den realen Muslimen (vgl. S. 10). Sollten Vorurteile nicht eher als ideologisch verzerrte Wahrnehmungen sozialer Realität betrachtet und interpretiert werden?
Armin Pfahl-Traughber
Farid Hafez (Hrsg.), Jahrbuch für Islamophobieforschung. Deutschland, Österreich, Schweiz, Innsbruck 2010 (Studien-Verlag), 144 S. 22,90 €