(hpd) Der von dem Soziologen Christoph Busch herausgegebene Sammelband enthält 19 Beiträge, welche die unterschiedlichsten Aspekte des Themas von der Ästhetik rechtsextremistischer Seiten bis zu den Chancen und Grenzen von Gegenstrategien thematisieren.
Mit nur leichten Abstrichen handelt es sich um einen beachtenswerten Sammelband, bleiben doch vor allem die Fallstudien nicht bei einer oberflächlichen Betrachtung stehen, sondern gehen auch analytisch in die Tiefe.
Das Internet hat sich mittlerweile neben Fernsehen, Radio, Zeitschriften und Zeitungen zu einem gleichrangig bedeutsamen Teil der Medienwelt entwickelt. Nahezu jeder gesellschaftlich, politisch oder wirtschaftlich auch nur ansatzweise bedeutsame Akteur stellt Informationen aus seiner Sicht ins Netz. Dies gilt auch für Rechtsextremisten, die seit Jahren das Internet zur Agitation nutzen. Sie können damit zum einen ein Publikum außerhalb ihres eigenen politischen Lagers erreichen und zum anderen rechtliche Schranken für ihre Propaganda überschreiten. Immer wieder berichteten Medien über die damit zusammenhängenden Inhalte mit nationalsozialistischem oder rassistischem Einschlag. An einer darüber hinausgehende Analyse auf wissenschaftlicher Grundlage mangelte es aber bislang. Beiträge mit diesem Anspruch findet man in dem von dem Soziologen Christoph Busch herausgegebenen Sammelband „Rechtsradikalismus im Internet“, der überwiegend Texte von Studierenden der Sozialwissenschaft an der Universität Siegen enthält.
Die 19 Aufsätze gliedern sich in sieben Kapitel: Nach einer Einleitung mit einem Forschungsüberblick geht es zunächst um allgemeine Aspekte wie die Bedeutung der Erlebniswelt Rechtsextremismus am Beispiel des Internets, Gegenstrategien aus der Jugendschutzperspektive oder den Kontext von Demokratie, Internet und Neuen Sozialen Bewegungen. Das folgende Kapitel zur „New-Nazi-Economy“ enthält Beiträge zur Analyse der Kundenstruktur des rechtsextremistischen Online-Shops „Aufruhr-Versand“ und zur Wirkung rechtsextremistischer Onlineshops in den USA. Danach stehen rechtsextremistische Ästhetik und Selbstinszenierung anhand von Frauen- und Männerbildern in „Odin Kontaktanzeigen“, die Selbstdarstellung in „media-pro-patria.net“ aus dem Umfeld der „Autonomen Nationalisten“, die Homepages ausgewählter rechtsextremistischer Musikbands von „Endstufe“ bis zu „Oidoxie“ und die Ästhetik besonderer rechtsextremistischer Webseiten von „Faustrecht“ bis zum „Thule-Seminar“ im Zentrum des Interesses.
Dem folgen Beiträge zum rechtsextremistischen Einfluss auf die Internetöffentlichkeit, wobei es um die Aufarbeitung der „Internetcharts“ im Sinne von hohen Besucherzahlen, eine Inhaltsanalyse von „Altermedia“ als Leitmedium der Szene und den Einfluss von rechtsextremistischen Argumentationsmustern in öffentlichen Foren geht. Danach behandeln die Beiträge Strategien der Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus im Internet, wobei die Regulierungsvorschläge der Bundestagsparteien, die juristischen und technischen Grenzen und Probleme der Regulierung im Internet, die Zugänge von Jugendlichen zu rechtsextremistischen Online-Welten und das Abwehr- und Gegeninstrumentarium im Social Web im Zentrum stehen. Und schließlich fragen noch Beiträge nach der möglichen Aufklärung der Gesellschaft, wobei es um eine quantitative Inhaltsanalyse der Berichterstattung von Frankfurter Allgemeiner und taz sowie um die Frage der jugendgerechten Anlage von Aufklärungswebsites geht.
Wie bereits die Übersicht zu den Themen vermuten lässt, handelt es sich um einen inhaltlich und methodisch unterschiedlich zusammengesetzten Sammelband. Mancher Beitrag passt auch gar nicht zum Thema wie die Abhandlung zu Internet und Neuen Sozialen Bewegungen. Hier und da findet man auch kleinere Fehler oder Ungenauigkeiten. Gleichwohl handelt es sich um ein beachtenswertes Projekt: Dies gilt insbesondere für die zahlreichen Fallstudien, die nicht bei der oberflächlichen Betrachtung stehen bleiben, sondern analytisch in die Tiefe gehen. Gerade in diesem Bereich bestand und besteht ein Forschungsdesiderat. Allgemein irritiert etwas die – auch nicht einheitlich verwendete – Nutzung der Bezeichnung „Rechtsradikalismus“ statt „Rechtsextremismus“, wofür der Herausgeber aber in der Einleitung Gründe nennt. Auch hätte man sich zur Breitenwirkung und den Zufallsfunden rechtsextremistisch ausgerichteter Informationen im Internet noch nähere Ausführungen gewünscht. Diese Anmerkung mindert allerdings nicht den Erkenntniswert des Bandes.
Armin Pfahl-Traughber
Christoph Busch (Hrsg.), Rechtsradikalismus im Internet, Siegen 2010 (Universitätsverlag Siegen), 388 S., Euro 14,95