MOOSSEEDORF/CH. (hpd) Papst Franziskus sprach sich vergangene Woche erstmals offen gegen die Todesstrafe aus und ließ damit nicht nur Sympathisanten überrascht aufhorchen. Ein Sinnbild der abgebrannten Sittlichkeit von Katholiken und Kirche, wenn es verblüfft, dass sich das Glaubens-Oberhaupt für die Einhaltung eines der zehn Gebote starkmacht.
Beflügelt vom Revolutionsgeist der Familiensynode rief Papst Franziskus am Donnerstag zur Abschaffung der Todesstrafe auf. Obwohl der Argentinier bereits zu seiner Zeit als Kardinal in Buenos Aires regelmäßig Füße von Häftlingen wusch, staunten sowohl Befürworter als auch Kritiker über die unumwundene Fürsprache von Franziskus, dass Sträflinge in Zukunft humaner behandelt werden sollen. Die ausgelöste Überraschung ist ein Armutszeugnis: Schließlich ist der Richtsatz des Nicht-Tötens bereits in den zehn biblischen Geboten – den Grundgesetzen des christlichen Glaubens – verankert.
Sturm im Wasserglas
Dass der Jesuiten-Papst mit seinen Botschaften der Nächstenliebe auch nach eineinhalb Jahren im Amt immer noch viele Menschen verdutzt, verdeutlicht das verkommene Vertrauen der Gesellschaft in die katholische Kirche.
Dass die Kirche in der neuzeitlichen Geschichte einen derart immensen Image-Schaden hat, ist nicht nur auf die Vertuschung von Pädophilie-Skandalen und die Veruntreuung von Geldern durch ranghohe Kardinäle zurückzuführen. Den immerwährenden Schaden erzeugt die Kirche durch erzkonservative Moralvorstellungen, die nicht nur in den Grundgedanken diskriminierend, homophob und frauenfeindlich sind. Für jeden Kübel Wasser, den Papst Franziskus aus dem sinkenden Kirchenschiff leert, spült der Sturm der Rückständigkeit Kubikmeter an neuen Wassermassen in den Kahn.
Für die brüderlichen Vorhaben und Gedanken darf dem Papst durchaus zugejubelt werden. Allerdings sollte sich jeder Jubelnde darüber im Klaren sein, dass er sich auf einem Festzug ins Nichts befindet, solange die erzkonservativen Kardinäle ihren fortschrittlichen und “revolutionären” Brüdern im Vatikan zahlenmäßig überlegen sind.
Verbleib oder Verwässerung
Es wäre falsch, den Schwarzen Peter allein den erzkonservativen Kreisen des Vatikans zu zuschieben. Schließlich vertreten auch sie mit genau so viel Recht christliche Ethik, die durch biblische Texte ihre theoretische Berechtigung findet. Ob diese Berechtigung noch zeitgemäß ist, spielt dabei keine Rolle. Es muss nämlich durchaus berücksichtigt werden, dass sich viele Katholiken nicht wünschen, dass ihre Kirche gesellschaftlichen Strömungen nachgibt und sich durch freiheitliches Gedankengut berieseln lässt.
Den Weg gemeinsam gehen
Bei der dringend notwendigen Erschließung eines Mittelweges schlüpft Papst Franziskus mustergültig in die Rolle des Hirten. Seine Bereitschaft zu Kompromissen bewies er zuletzt bei der Familiensynode. Nach Angaben der Teilnehmer habe er diese aufmerksam mitverfolgt, ohne direkt einzugreifen. Damit zeigt er, dass die Zukunft der Kirche in den Händen einer brüderlichen Konsensfindung liegt. So lange diese vorliegt, und man sich wieder auf die altchristlichen Werte der Nächstenliebe zurückberuft, sollte es auch niemanden mehr überraschen, wenn Papst Franziskus an Grundwerte des christlichen Glaubens erinnert.
2 Kommentare
Kommentare
Stefan Wagner am Permanenter Link
Einen Revolutionsgeist der Familiensynode haben Sie konstatieren können? Dann müssen Sie aber ein starkes Mikroskop haben! Revolution heißt doch Umsturz - was wurde denn Umgestürzt - ein Wasserglas?
Das "Du sollst nicht töten" ist doch bei Bedarf immer in ein "Du sollst nicht morden" umgedeutet worden, wenn es galt Kreuzzüge zu führen, überhaupt Kriege oder Ketzerverbrennungen. Konkurriert jetzt der Atheismus um die rechte Bibelexegese und lobt getreuliche Frömmigkeit? Da läuft doch irgendwas schief, möchte ich sagen!
Wenn Papst und/oder Katholiken trotz des falschen Verfahrens zu den richtigen Ergebnissen kommen, dann darf man das nicht loben. Ohne die Reflexion über die Gründe, die zu einem humanen Resultat geführt haben bleibt die Methode jener den Zufälligkeiten u.v.a. dem Opportunismus ausgeliefert.
valtental am Permanenter Link
"2266 Der Schutz des Gemeinwohls der Gesellschaft erfordert, daß der Angreifer außerstande gesetzt wird zu schaden.
Soweit das aktuelle Kanonische Recht der RKK in einer Edition von 1993. Der zweite Satz steht in völligem Widerspruch zur Forderung des Papstes (wie auch schon seines Vorgängers), die Todesstrafe weltweit zu ächten. Diese Forderung ist natürlich lobenswert, nur sollte man dann auch konsequent in diesem Sinne die eigenen Lehrdokumente ändern.