Ein nicht ganz gelungener Band

Die 101 wichtigsten Fragen zum "Rassismus"

BONN. (hpd) Die Literaturwissenschaftlerin Susan Arndt will in ihrem Buch "Rassismus. Die 101 wichtigsten Fragen" Antworten auf unterschiedliche Aspekte des Themas geben. Es handelt sich dabei um eine interessante Erörterung relevanter Themen, wobei die Autorin aber mit einer eher diffusen Definition arbeitet, manche Fragen unbeantwortet lässt und andere sehr einseitig und wenig begründet beantwortet.

Rassismus gilt als eine der größten Schattenseiten in der Geschichte der Menschheit: Im Namen der angeblichen ethnischen Überlegenheit einer Gruppe ging man gegen Repräsentanten anderer Gruppen vor. Dabei reichten die Folgen von der Benachteiligung und Herabwürdigung bis zu Vertreibung und Vernichtung. Indessen ist Rassismus nicht nur aus historischen Gründen von Bedeutung, lassen sich doch auch in der Gegenwart immer wieder einschlägige Vorkommnisse ausmachen. Was es nun mit dieser Diskriminierungsideologie und –praxis auf sich hat, will der schlicht "Rassismus" betitelte Band von Susan Arndt klären. Er erschien in der Schriftenreihe "Die 101 wichtigsten Fragen" des C.H. Beck-Verlags, worin eben Antworten auf die vorgegebene Anzahl von Fragen zu einem bestimmten Thema präsentiert werden sollen. Wenn demnach die Autorin, die als Professorin für englische Literaturwissenschaft und anglophone Literaturen an der Universität Bayreuth arbeitet, nicht alle Aspekte erschöpfend behandeln kann, dann liegt dies auch an dieser Vorgabe.

Der Band ist in acht Kapitel eingeteilt, worin jeweils zu besonderen Aspekten inhaltlich Stellung genommen wird. Einen Eindruck vom Inhalt können die Kapitelüberschriften vermitteln: "Rassismus – Begriffsklärungen", "Rassismus vor der Aufklärung", "Rassismus seit der Aufklärung", "Rassismus (in) Begriffen", "Rassismus – Spuren und Auswirkungen", "Rassismus – Widerstand, Erinnerung und Aufarbeitung", "Rassismus und Migration" und "Rassismus – Ein Fazit". Zu den Fragen gehören erwartbare und überraschende Aspekte, was folgende Beispiele illustrieren: "Was ist Rassismus?", "Was meint antimuslimischer Rassismus?", "Gibt es kulturellen Rassismus?", "Gibt es auch in Ghana Rassismus?", "War Shakespeares 'dark lady' eine Schwarze Frau?", "Warum begrüßte Karl Marx den britischen Imperialismus?", "Ist Barack Obama ein 'Farbiger'?", "Was lieben wir an Winnetou?", "Wer war Sojourner Truth?", "Rassistische Emma?", "Ist es rassistisch, Schwarzen in die Haare zu fassen?" oder "Was sollte am Grundgesetz geändert werden?"

Bereits diese exemplarische Auflistung macht deutlich, dass eine Fülle von interessanten Aspekten unterschiedlichster Dimensionen angesprochen und erörtert werden. Darin besteht der Reiz des kleinen Bandes. Indessen fällt bei der genauen Lektüre auch auf, dass manche Fragen eigentlich gar nicht klar beantwortet werden. Mitunter referiert Arndt zwar die Auffassungen anderer Autoren, präsentiert aber keine eigene Antwort. Als Beispiel dafür kann gleich die erste und zentrale Frage dienen: "Was ist Rassismus?", denn: genau deutlich wird dies in der Antwort nicht. Der kurze Hinweis auf Albert Memmis Auffassung (vgl. S. 15f.) ersetzt nicht eine klare Arbeitsdefinition für das Buch. In diesem Kontext wäre auch angemessen, die inhaltliche Dimension des Rassismus genauer zu erörtern: Geht es nur um eine biologistische oder auch um eine kulturalistische Dimension. Arndt neigt zur letztgenannten Deutung (vgl. S. 29f.), problematisiert aber nicht, dass Kulturen sehr wohl, "Rassen" aber gerade nicht politisch differenziert gedeutet werden können.

An einer Stelle bemerkt die Autorin: Rassismus sollte "nicht inflationär verwendet werden" (S. 30). Dies tut sie aber, wobei mitunter problematische Deutungen herauskommen. In der Antwort auf die Frage "Gibt es auch in Ghana Rassismus?" heißt es etwa: "Wenn weiße Migrant_innen aus Portugal oder Italien diskriminiert werden, handelt es sich nicht um Rassismus" (S. 30). Indessen kann es Rassismus auch unter sozialen Gruppen geben, welche von anderen sozialen Gruppen selbst aufgrund ihrer angeblichen oder tatsächlichen ethnischen Zugehörigkeit diskriminiert werden. Bei der Auswahl der Fragen hat sich die Autorin darüber hinaus allzu sehr von ihrer beruflichen Perspektive leiten lassen: Rassismus in Literatur und Sprache gilt es genauer zu beachten, gleichwohl hätte man sich noch andere mehr gesellschaftliche und politische Kontexte gewünscht. Man findet durchaus interessante Aspekte: Rassismus ist in der Tat nicht nur eine Einstellung von Rechtsextremisten. Es gibt aber auch viele Überzeichnungen: Ist “Emma” etwa wirklich rassistisch?

 


Susan Arndt, Rassismus. Die 101 wichtigsten Fragen, München 2015 (C. H. Beck-Verlag), 160 S., 10,95 Euro