Ein knapper Band und leider eher oberflächlich geraten

Die "Neue Rechte"

BONN. (hpd) Der Philosoph Julian Bruns und die Politikwissenschaftlerinnen Kathrin Glösel und Natascha Strobl wollen in ihrem Buch "Rechte Kulturrevolution. Wer und was ist die Neue Rechte von heute?" die aktuellen Entwicklungen im intellektuellen Rechtsextremismus darstellen und einschätzen. So informativ der kurze Band bei bestimmten Aspekten ist, so oberflächlich wirkt er als Gesamtdarstellung zum Thema – noch dazu mit bedenklichen bis falschen Zuordnungen.

Da die Bedeutung des intellektuellen Rechtsextremismus eher rückläufig ist, gibt es auch kaum noch aktuelle Literatur zum Thema. Gleichwohl bedarf es der fortgesetzten Aufmerksamkeit. Die "Identitären", die sich auch auf das Ideengut der "Konservativen Revolution" stützen, stehen exemplarisch für die Aktualität des Phänomens. Grund genug von daher, in ein neues Buch zum Thema zu blicken: Der Philosoph Julian Bruns und die beiden Politikwissenschaftlerinnen Kathrin Glösel und Natascha Strobl präsentieren eine aktuelle Darstellung zum Thema mit dem Titel "Rechte Kulturrevolution. Wer und was ist die Neue Rechte von heute?" Zur Definition heißt es: "Die Neue Rechte bildet ein Spektrum, das eine Scharnierfunktion zwischen Wertkonservativismus und Rechtsextremismus einnimmt." Und weiter formulieren die Autoren: "Mit der Neuen Rechten meinen wir jene Personen, Organisationen und Medien, die sich ideologisch als Opposition zu 1968 verstehen und dabei auf geistige Vorarbeit der Konservativen Revolution zurückgreifen" (S. 16f.).

Die darauf folgenden Kapitel gehen ausführlicher auf die Entwicklung in verschiedenen Ländern ein, wobei zunächst Deutschland mit dem "Institut für Staatspolitik" oder der "Konservativ Subversiven Aktion" inhaltliche Aufmerksamkeit findet. Danach konzentrieren sich die Autoren auf die Situation in Österreich mit Ausführungen zu dem FPÖ-Umfeld, den "Identitären" und Online-Aktivitäten. Dem folgen Darstellungen zur Entwicklung in Frankreich und Italien, wobei es um den "Bloc Identitaire" und um "Casa Pound geht. Die "Neue Rechte auf der Straße steht anschließend am Beispiel von Hogesa, Montagsmahnwachen und Pegida im Zentrum der Aufmerksamkeit. Hierzu heißt es: "Für alle drei Bewegungen gilt, dass sie sich als wahre Repräsentationen des Volkes sehen."; Diese Haltung habe "völkisch-nationalistische, ausschließende und selbstlegitimierende Komponenten. Kritik vonseiten der etablierten Parteien oder Medien werden nur als Beleg für deren Ignoranz, Unwissenheit oder gar Feindseligkeit … gesehen" (S. 56).

Erst danach behandeln die Autoren noch einmal ausführlicher die Ideologie und Strategie der Neuen Rechten, wobei die Darstellungen auf Eliten, Geschlechterbilder und Sozialdarwinismus ebenso wie auf Insinuationen, Mimikry und Querfront bezogen sind. Zur Entwicklung des gemeinten Phänomens heißt es dann: "In den letzten 10 bis 15 Jahren hat eine enorme Wandlung der Neuen Rechten stattgefunden. Das Spektrum ist jünger, aktionistischer und öffentlichkeitswirksamer geworden" (S. 79). Der strategische Gegensatz von Elite und Masse als Zielobjekt werde aktuell zugunsten einer Orientierung im letztgenannten Sinne überwunden. Daher plädieren die Autoren für Gegenmaßnahmen, wobei sie konstatieren: “Die Neue Rechte hat zum Ziel, die wertkonservative Mitte zu radikalisieren und rechtsextreme Ideologie salonfähig zu machen” (S. 85). Dann folgen Tipps wie: "Die Neue Rechte als das benennen, was sie ist", "Dokumentieren und Informationen weitergeben", "Keinen Raum geben" oder "Nicht nur personalisierte Kritik üben".

Der Band liegt im Umfang unter 100 Seiten. Nicht jedes dünne Buch muss auch ein oberflächliches Buch sein. Hier ist dies aber leider der Fall, denn die gemeinten Phänomene finden nur kurz Aufmerksamkeit ohne genauere Erörterung. Noch bedenklicher ist, dass die Definition nicht zu allen Objekten passt. Meinen die Autoren wirklich, dass sich die Aktivisten von Hogesa und Pegida mit dem Gedankengut der "Konservativen Revolution" beschäftigen? Die eigentlichen "Neuen Rechten auf der Straße", die "Identitären", finden zwar auch Aufmerksamkeit, aber nicht in einem gesonderten Kapitel. Statt alle nur möglichen Bestrebungen unter dem Sammelbegriff "Neue Rechte" zu fassen, hätten sich Bruns, Glösel und Strobl lieber auf die hier relevanten Akteure wie eben das "Institut für Staatspolitik" oder die Zeitschrift "Sezession" ausführlicher beziehen sollen. Warum die Neue Rechte das "Konzept des Extremismus-Begriffs" (S. 16) sprenge, bleibt angesichts der an anderer Stelle ausdrücklich konstatierten "rechtsextremistischen Ideologie" (S. 86) unklar.

 


Julian Bruns/Kathrin Glösel/Natascha Strobl, Rechte Kulturrevolution. Wer und was ist die Neue Rechte von heute? Hamburg 2015 (VSA-Verlag), 94 S., 7 Euro