Ein kritischer Blick

Das Erzbistum Paderborn legt seine Finanzen offen

GARBSEN. (hpd) Das Erzbistum Paderborn hat vergangenen Dienstag zum ersten Mal in seiner 1.200 jährigen Geschichte einen von einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft geprüften Jahresabschluss offengelegt. Es reiht sich damit in die Gruppe der Diözesen ein, die als Folge des Finanzskandals um Tebartz-van Elst ihre finanzielle Offenlegungspolitik überarbeitet haben.

Der vorgelegte Abschluss ist nach den handelsrechtlichen Vorschriften aufgestellt und damit nach denselben Regeln, nach denen auch der handelsrechtliche Kaufmann in Deutschland bilanzieren muss. Mit 4 Mrd. Euro Bilanzsumme ist das Erzbistum das bislang [1] reichste Deutschlands und weist mit 91,4 Mio. Euro ein für eine Non-Profit-Organisation stolzen Jahresüberschuss aus. Gründe, sich die veröffentlichten Zahlen einmal genauer anzuschauen.

Diözesen bestehen in Deutschland aus unterschiedlichen Organisationseinheiten, die meist als Körperschaften des öffentlichen Rechts (K.d.ö.R.) verfasst sind. Neben dem Bistum, das den Haushalt der Diözese im engeren Sinne darstellt, existieren in vielen Diözesen noch der Bischöfliche Stuhl, der das mit Vermögensmasse ausgestattete Amt des Bischofs darstellt, über die nur er verfügen darf, sowie das Domkapitel, dem die Verwaltung über den Dom obliegt und das meist auch dessen Rechtsträger ist.

Je nach Diözese können weitere organisatorische Einheiten vorkommen. Hierzu zählen z.B. Emeritenanstalten, Pfarrpfründestiftungen oder Priesterseminare, die jeweils eigene Körperschaften oder Stiftungen des öffentlichen Rechts sein können. Weiterhin bestehen noch vielerlei kirchliche und soziale Einrichtungen und die ebenfalls als eigenständige K.d.ö.R. korporierten Pfarreien. Der nun offengelegte Jahresabschluss beinhaltet nur die Rechtseinheit des (Erz-)Bistums Paderborn K.d.ö.R.

Vermögenslage

Mit 279 Millionen Euro ist der Anteil des Sachanlagevermögens an der Bilanzsumme vergleichsweise gering. Er besteht mit 276 Mio. Euro fast vollständig aus Grundstücken und Gebäuden, wovon mit 42,8 % Schulen den größten Posten darstellen. Kunst- und Kulturgüter werden aufgrund des Veräußerungsverbots des Codex Iuris Canonici [2] für religiös genutzt Vermögensgegenstände sowie der schwierigen Ermittlung von bilanzierbaren Werten nicht angesetzt. Sie werden wertmäßig in der Bilanz also nicht abgebildet.

Mit 3,6 Mrd. Euro besteht das Vermögen des Erzbistums zu 90 % aus Finanzanlagen. Hierbei handelt es sich überwiegend um festverzinsliche Wertpapiere mit hoher und höchster Bonität zur Generierung von Zinseinnahmen. Die Anlage der Gelder erfolgt dabei einer "ethisch nachhaltigen Werteorientierung" [3]. Das bedeutet, dass u.a. keine Geschäftsfelder unterstützt werden, die laut Bistumsangaben mit Verhütung oder Abtreibung zu tun haben. Bemerkenswert ist auch das selbst auferlegte Verbot, nicht in Unternehmen zu investieren, deren Geschäfte mit alkoholischen Getränken in Verbindung stehen, was bei der Vielzahl der katholischen Klosterbrauereien und –schenken, Weingüter und vor allem dem in der katholischen Messe verwendeten Weins paradox wirkt. Auch die Sorge um die Einhaltung arbeitsrechtlicher Standards bei getätigten Investments entbehrt vor dem Hintergrund des gerade für kirchliche Mitarbeiter in Deutschland eingeschränkten Arbeitsrechts [4] nicht einer gewissen Ironie.

Weiterhin besteht das Vermögen aus Ausleihungen von insgesamt 246,7 Mio. Euro, die hauptsächlich mittel- bis langfristigen Termin- und Festgeldern von 223,2 Mio. Euro und 19,8 Mio. Euro Sparguthaben ausmachen. Mit 66,3 Mio. Euro hat das Erzbistum u.a. Beteiligungen an einer Siedlungsgesellschaft, der Katholischen Hochschule gGmbH sowie der Katholischen Nachrichten-Agentur GmbH.

Das Umlaufvermögen von 126,4 Mio. Euro umfasst mit 57,0 Mio. Euro Forderungen und sonstige Vermögensgegenstände, die überwiegend aus Zinsabgrenzungen der Wertpapiere des Anlagevermögens bestehen. Die flüssigen Mittel betragen zum Stichtag 69,4 Mio. Euro.

Das Eigenkapital setzt sich aus dem Bistumskapital, diversen Rücklagen und dem Bilanzgewinn zusammen. Das Bistumskapital von 780,6 Mio. Euro dient der Deckung des Sachanlagevermögens (276 Mio. Euro) und steht dem Bistum ansonsten zur freien Verfügung. Die Ausgleichsrücklage beträgt 726,3 Mio. Euro und wurde zur Deckung von Ergebnisschwankungen gebildet. Mit 1.399,7 Mio. Euro stellen die Bau- und Sonderrücklagen die größten Rücklagen dar. Sie dienen hauptsächlich der Instandhaltung von Kirchengebäuden im Besitz der Kirchengemeinden, anderer kirchlicher und sozialer Einrichtungen sowie eigenen Gebäuden des Erzbistums. Die Pensionsrücklage von 461,7 Mio. Euro wurde zusätzlich zu der nicht in ausreichender Höhe bewerteten Pensionsrückstellung gebildet und soll die Finanzierungslücke zu der Rückstellung schließen. Bei Pensionsrückstellungen von nur 421,7 Mio. Euro und einer Pensionsrücklage von 461,7 Mio. Euro muss das – auch nach Abzug der ebenfalls in der Rücklage enthaltenen Versorgungszusagen an kirchliche Mitarbeiter – eine beachtliche Finanzierungslücke sein, obwohl der für die Begründung der Rücklage verwendete Abzinsungssatz von 4,53 % nur 1,43 Prozentpunkte höher liegt als die Rendite der Finanzanlagen des Bistums von 3,1 %. Die Ergebnisrücklage stellt mit 12,8 Mio. Euro die noch nicht verwendeten Ergebnisse der Vorjahre dar und der Bilanzgewinn von 41,5 Mio. Euro das des Berichtsjahres. Die Eigenkapitalquote des Bistums liegt bei 85,8 % [5] und offenbart damit einen hohen Grad an Eigenfinanzierung.

Der Sonderposten von 18,9 Mio. Euro besteht aus dem Eigenkapital der fünf unselbständigen Stiftungen sowie noch nicht ausgegebenen zweckgebundenen Kollekten und Spenden.

Neben den oben erwähnten Rückstellungen für Pensionen und ähnliche Verpflichtungen (421,7 Mio. Euro) bestehen die Rückstellungen zu 41,6 Mio. Euro aus sonstigen Rückstellungen, die u.a. für das Kirchensteuerclearing gebildet wurden.

Das Erzbistum hat insgesamt Verbindlichkeiten von 103,2 Mio. Euro. Sie bestehen mit 91,7 Mio. Euro vornehmlich gegenüber Kirchengemeinden und anderen kirchlichen Rechtsträgern für zugesagte Baukostenzuschüsse. Nach dem Wortlaut des Geschäftsberichts ist es "erklärtes Ziel der Finanzpolitik des Erzbistums, auf Bankverbindlichkeiten weitestgehend zu verzichten um Finanzierungkosten zu vermeiden und die Kirchensteuereinnahmen direkt der kirchlichen Arbeit zukommen zu lassen." [6] Das mit dem zugegeben vergleichsweise geringen Betrag von 1,5 Mio. Euro trotz der hervorragenden Kapital- und Liquiditätsstruktur dennoch Kredite bei Banken aufgenommen wurden, verwundert auf den ersten Blick. Nach Angaben des Erzbistums werden "Bankverbindlichkeiten […] nur aufgenommen im Rahmen von Investitionsmaßnahmen für Schulen" [7]. Diese Aussage ist insofern überraschend, als sehr hohe Rücklagen u.a. für Gebäude und mit 45 Mio. Euro insbesondere für Schulen gebildet wurden. Gerade die Aufnahme von Fremdkapital ist für eine Körperschaft, die keine Dividendenansprüche von Anteilseignern zu befriedigen hat, unverhältnismäßig teuer. Der Grund für dieses Vorgehen ist jedoch einfach: Er ergibt sich aus dem nordrhein-westfälischen Schulgesetz. Danach übernimmt die öffentliche Hand die Darlehenszinsen von Trägern von Ersatzschulen. Dieses Vorgehen war bisher auch beim Erzbistum Köln zu beobachten, das das geliehene Geld bei zusätzlich auch noch bei einer kirchlichen Bank aufnahm. [8]