Kommentar

Was macht ein Humanist zu Weihnachten? – Feiern!

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BERLIN. (hpd) "Das muss ja ziemlich langweilig sein für einen Humanisten", so frotzelte ein christlich gläubiger Freund, als wir darüber sprachen, was jeder von uns beiden für Weihnachten plant. Ja, einige atheistische Kollegen beharren ganz explizit darauf: "Für mich ist das ein Tag wie jeder andere auch". Und wiederum andere Religionsfreie fordern gar, sich als nicht gläubiger Mensch deutlich von den christlichen Festen zu distanzieren und allerlei Brauchtum bewusst und erkenntlich zu meiden.

Ich finde das irgendwie schade, denn soll ich mir durch eine Religion die Möglichkeit nehmen lassen, die von ihr durch eine Geschichte besetzte Zeit des Jahresabschlusses auch für mich zu nutzen? Entsprechend war meine Antwort an meinen Freund auch eindeutig: "Nein, langweilig es ist es überhaupt nicht, ich feiere einfach mit!" Aber was es denn da für mich zu feiern gäbe, wenn sich die Christenheit jedes Jahr neu über ein Kind in einer Krippe freut? Zugegeben, an diesen Sohn Gottes kann ich nicht (mehr) glauben. Er mag dort in Bethlehem geboren sein, auch in einem Stall. Aber dass er der "auserkorene" Retter sein soll, von einer jungfräulichen Mutter zur Welt gebracht, daneben ein dann doch unbeteiligter (menschlicher) Vater und einige Hirten, ein "Stern" mit wissenschaftlich fundierter Erklärung und gleichsam wenig wundersamen Königen, umrahmt von der schönen Vorstellung der unserer ganzen Welt diese frohe Botschaft lauthals verkündenden Engelscharen – eine Mischung aus Wunschvorstellung und gewöhnlichem Alltag, der eigentlich keinerlei Aufstand wie den bräuchte, der immer wieder um den 24. Dezember in unserer Gesellschaft zelebriert wird.

Gleichsam sage ich mir aber: Braucht es aber stattdessen diese Eitelkeit, mich mit aller Vehemenz von einem religiösen Fest distanzieren zu müssen, um zum Ausdruck zu bringen, dass ich einen derartigen Hype, einen doch merkwürdigen Rummel, nicht verstehen kann? Ich bin möglicherweise ein bisschen darüber neidisch, dass es ausgerechnet eine Religion ist, die den Anlass liefert, heute eine – aber ohnehin oftmals als "Schein" herauskristallisierende und künstlich daherkommende – Glückseligkeit zu verbreiten und von Frieden und Freude zu philosophieren. Aber nun ist es eben so, dass in unseren Breiten Weihnachten zu einer Tradition geworden ist, die ich sicherlich nicht werde verdrängen können, solange ich mich nicht auf die Ebene der Religionen stellen möchte, die ihre Anhänger durch Mission gewinnen will. Solange ich darauf vertraue, dass sich über Jahrzehnte und Jahrhunderte hinweg eine Säkularisierung fortsetzt, die auf der Einsicht von Menschen durch Information statt einer Indoktrination beruht und schlussendlich vielleicht irgendwann die Weihnachtsgeschichte nicht nur in Frage stellt, sondern möglicherweise ihres "Wundersamen" beraubt, bleibt mir lediglich die Auswahl: Ich kann dieses jährliche Ritual bekämpfen, indem ich mich ihm vollkommen zu entziehen vermag – oder ich bleibe gelassen und nehme die "Gunst der Stunde" wahr, um auch für mich persönlich zu überlegen, was aus humanistischer Sicht eine Aussage dieser Parabel der Evangelien sein kann. Mein Vorteil ist: Ich kann das auch das restliche Jahr tun, ich brauche dafür keinen biblischen Grund.

Und sobald ich diesem Kind in der Krippe seine religiöse Bedeutung nehme, bleibt etwas übrig, was auch ohne gläubiges Aufgeladensein durchaus bedenkenswert ist: Mancher Evolutionist mag in einer Geburt ein bedeutungsloses und alltägliches Ergebnis menschlicher Fortpflanzung sehen. Letzteres stimmt zweifelsohne – Geburten geschehen jeden Tag. Daher verwahre ich mich auch einer besonderen Hervorhebung der Geburt im Stall von Bethlehem. Aber bedeutungslos ist eine Geburt für mich in keinem Fall. Sie bleibt für mich ein Geschenk – Absender unbekannt. Denn sie zeigt mir Dynamik und bringt mir auch eine gewisse Sicherheit: Das Leben besteht fort. Gerade, wenn für mich die Vergänglichkeit eben ganz "normal" ist und ich nicht an eine Ewigkeit glaube, ist ein Kind für mich ein Grund zum Freuen. Nicht nur, weil sich in den allermeisten Fällen glückliche Eltern schon lange darauf vorbereitet haben und jetzt ein neuer Lebensweg beginnt – sondern gerade auch, weil die Vitalität eines Neugeborenen für mich Symbolcharakter hat. Wie lebendig bin ich eigentlich noch? Im Sinne von Energie, von Ambition, von Ideen und auch von Sinn? Wenn ich ansonsten so wenig Konzentration finde, mich wieder einmal für neues Engagement zu sammeln – nicht für den Frieden in der Welt, sondern im Kleinen –, dann habe ich sicherlich mehr erreicht, als mich von Weihrauch und Myrrhe betören zu lassen. Zweifelsohne überprüfe ich mich auf die substanziellen Fragen meiner sozialen und individuellen Bedeutung immer wieder – und nicht nur an Weihnachten. Doch warum sollte ich die Gelegenheit auslassen, mitzufeiern, wenn in unserem Land endlich einmal alles ruht, der Stress sich zu legen versuchen will und ich zumindest – wie viele andere Mitbürger auch – anstrebe, einige Tage für das Nachdenken und die Dankbarkeit heranzuziehen, dass ich eben lebe.

Ich benötige dafür auch keinen personifizierten Gott, dem ich die Hand schütteln und ihm sagen kann, dass ich es toll finde, wonach er mich geschaffen hat. Mir reicht es, nicht alles als selbstverständlich hin- und anzunehmen. Denn auch wenn hinter der Existenz von Milliarden Erdenbewohnern keinerlei Sinn oder auch Zweck stecken mag, bleibe ich ein Mensch, der nicht nur da ist, sondern staunen kann. Und das tue ich bei jedem Baby, von dessen Geburt ich erfahre. Dafür bräuchte es kein Weihnachten, aber es tut gut, diese Übereinkunft über eine Zäsur im Jahr zu haben, in der ich mir dessen ganz ohne den Trubel der sonstigen Tage gezielt bewusst werden kann…