Aufklärung und Kritik 4/2023 erschienen

Das aktuelle Heft von Aufklärung und Kritik (A&K), der umfangreichen Vierteljahreszeitschrift der Gesellschaft für Kritische Philosophie Nürnberg (GKP), ist erschienen. Die Redaktion hat dem hpd wieder das Vorwort zur Verfügung gestellt.

Die letzte Ausgabe des Jahres 2023 beginnt mit dem Artikel Dr. Jürgen Lambrechts "Epistemische Aspekte des ontologischen Strukturenrealismus", in dem er darstellt, wie neue, durch die Quantenphysik hervorgerufene Fragestellungen mit Grundproblemen der Erkenntnistheorie zusammenhängen und welche neuen Lösungsansätze es gibt. Kenntnisreich, detailliert und für die Leserschaft gut nachvollziehbar entwickelt er die Ansätze des epistemischen und des ontologischen Strukturenrealismus und zeigt auf, wie manche neuen Antworten sich aus neueren neurophysiologischen Forschungen ergeben könnten.

Im zweiten Artikel, "Wirtschaftsphilosophisches bei Platon abseits der üblichen Fundstellen. Die im 'Philebos' angedeutete Bedürfnistheorie als Beitrag zur ökonomischen Ideengeschichte aufgefasst", belegt Dr. Christian E.W. Kremser seine These, dass der Dialog "Philebos" aus Platons Dialogen bereits die Grundlagen einer Bedürfnistheorie enthalte. Nach der Vorstellung der üblichen Belegstellen der Wirtschaftswissenschaften aus Platons Dialogen weist er anhand des Philebos-Dialogs nach, dass dieser durch seine Untersuchung der Streitfrage, ob Lust oder Vernunft zu einem guten Leben verhelfen, bereits eine Wertigkeitsskala der menschlichen Bedürfnisse aufstelle und damit Grundlagen einer Bedürfnistheorie schaffe.

Um die Folgen menschlicher Bedürfnisbefriedigung mittels moderner, hochtechnisierter Industrie und entsprechendem Handel geht es in Dr. Wilhelm Richard Baiers Text "Entropie und Nachhaltigkeit". Er legt darin mit Bezug auf die Hauptsätze der Thermodynamik dar, dass lebende Systeme stets mehr Energie verbrauchen als sie erzeugen, und dass sie stets auf zunehmende Unordnung hin zustreben. So entwickelt er anhand der Wärmelehre eine Nachweiskette für die These, dass unsere Lebensweise ruinös für die vorhandenen Ressourcen sei.

Einen außergewöhnlichen Blick auf Immanuel Kant und dessen Anthropologie eröffnet uns Rüdiger Vaas in seiner Abhandlung "Kritik der außerirdischen Vernunft – Kant über extraterrestrische Ethik und Erkenntnis". Vaas zeigt darin auf, dass Kant sich über 30 Jahre lang in verschiedenen Zusammenhängen, von der Naturgeschichte 1755 bis zur Kritik der praktischen Vernunft 1788, mit Fragestellungen beschäftigt hat, die sich aus der Existenz von extraterrestrischen Wesen ergeben würden. Außerdem stellt er inhaltsreich und spannend dar, wie Kant diese Überlegungen nutzte, um sich mit höchst irdischen Problemen der menschlichen Erkenntnis, Psychologie und Ethik auseinanderzusetzen, den Himmel als Projektionsfläche nutzend.

Die grundsätzliche Bedeutung der Kritiken Kants für die Physik untersucht Dr. Tobias Jung in seinem Aufsatz "Immanuel Kant und die Naturwissenschaft – Bemerkungen zu den Bedingungen der Möglichkeit der Physik als Wissenschaft in der 'Kritik der reinen Vernunft'". Darin macht er Kants Fragestellungen und Lösungsansätze für den Leser nachvollziehbar, bezieht sie immer wieder auf die drei Grundfragen der Aufklärung und zeigt Kants Stellung und Stellungnahme zu seinen Vorläufern und zeitgenössischen Denkern. Schließlich zeigt der Autor noch auf, inwiefern Kants erkenntnistheoretische Ergebnisse auch aktuelle physikalische Streitfragen betreffen, weshalb er in einem zweiten Teil dies noch genauer darstellen will.

Nicht um Kants Beitrag zur Begründung der Naturwissenschaften, sondern um den zur Anthropologie geht es Dr. Ludwig Coenen in seinem Artikel "Von der Kritik an traditioneller Metaphysik zu empirischer Anthropologie – von Kant über d'Holbach zu Ludwig Feuerbach und Ernst Haeckel". Darin stellt er die Entwicklung dieser an den naturwissenschaftlichen Erkenntnissen orientierten Wissenschaft vom Menschen seit dem Ende des 18. Jahrhunderts detailreich und hochinformativ vor. Dabei spannt er den Bogen bis in die jüngste Vergangenheit, indem er die Überlegungen von Popper und Eccles zum Thema mit einbezieht.

Anlässlich des 300. Geburtstages von d'Holbach will uns Dr. Volker Mueller in "Paul-Henri Thiry d'Holbach als Enzyklopädist" diesen näherbringen. Sein Beitrag führt die Leserschaft nach einer Kurzbiographie und einer Werkübersicht ausführlich in d'Holbachs Beiträge zur Enzyklopädie ein. Dabei zeigt Volker Mueller deren Umfang und Bedeutung auf, für die naturwissenschaftlichen Artikel am Beispiel der Geologie, für die Artikel zur Gesellschaftstheorie am Beispiel von Religionskritik und dem Entwurf einer repräsentativen Staatsform.

Die beiden nächsten Arbeiten befassen sich mit Hans Blumenberg, dessen 100. Geburtstag 2020 gewesen wäre. Prof. Dr. Harald Seubert setzt sich in seinem Beitrag "Hans Blumenberg, Vergegenwärtigung aus der Ferne" mit drei zu diesem Anlass erschienenen Biographien auseinander, stellt deren unterschiedliche Schwerpunkte vor, und macht so die Leserinnen und Leser mit Hans Blumenbergs Leben, Werk und Denkwegen bekannt. Der letzte Teil befasst sich mit der bisher unveröffentlichten Dissertation Hans Blumenbergs, dessen differenzierter Auseinandersetzung mit Heideggers Fundamentalontologie und mit lebenslang gleichbleibenden Umrissen im Denken von Hans Blumenberg.

Auch Robert Fiedler geht bei seinem Beitrag "Umweltschutz und Theodizee – zu Hans Blumenbergs Technikphilosophie" von einer Veröffentlichung aus dem Nachlass aus, nämlich von "Ein Futurum". Darin wehre Blumenberg die Verantwortlichkeit des Menschen für Umwelt- und Fortschrittsprobleme ab, weil diese Argumentation der Augustinischen Lösung des Theodizee-Problems zu sehr ähnle. Außerdem überschätze dieser Ansatz die Macht und die Kontrollierbarkeit der Menschheit, übersehe die Funktionsweise der Evolution und des Fortschritts und Ähnliches. Im letzten Teil erläutert der Autor Blumenbergs Anthropologie und zeigt deren potentielle Anwendbarkeit auf die heutigen, verschärften Umstände auf.

Mit einer besonders aktuellen Problemstellung befasst sich Frederick Herget in seinem Artikel "Künstliche Intelligenz und die Zukunft des Schreibens". Zu dessen Erstellung wurden dem Sprachmodell GPT-3 Fragen zu Funktionsweise und Gefahren der Künstlichen Intelligenz gestellt, deren verschiedene Ergebnisse dem Leser eine erste, KI-generierte Antwort geben. Im zweiten Teil geht der Autor auf sich aus der KI-Textgenerierung ergebende politische und gesellschaftliche Problemstellungen ein.

Das FORUM wird eröffnet durch einen "Nietzsche-Block". So stellt Prof. Dr. Herbert Csef in "'Was mich nicht umbringt, macht mich stärker'. Friedrich Nietzsche als Vordenker der Resilienz" Nietzsches zentrale Sätze zu diesem Thema in den Mittelpunkt und zeigt deren weitreichende Wirkung in der Psychologie bis heute auf. In "Der Zwiespalt zwischen Anthropologie und Kosmologie in Löwiths Nietzsche-Interpretation" setzt sich Dr. Jan Kerkmann mit Karl Löwiths Auffassung, dass die Ewige Wiederkunft des Gleichen die Essenz von Nietzsches Denken sei, auseinander, und mit deren Rolle für Löwiths eigene philosophische Entwicklung. Als Abschluss des "Nietzsche-Blocks" nimmt Helmut Walther die "Grundgedanken von Nietzsches Philosophie – Wille zur Macht, Übermensch und die Ewige Wiederkunft des Gleichen" genau unter die Lupe und beleuchtet kritisch die existentiellen, anthropologischen und ethischen Implikationen von Nietzsches Grundgedanken. Anschließend unternimmt Dr. Sigbert Gebert in "Heidegger – selektiv – lesen! Zur Bedeutung seines 'geistigen' Antisemitismus" den Versuch, diese Heidegger'schen Verstrickungen anhand von dessen Biographie und Werk einzuordnen, da er dessen besondere Sicht auf die condition humaine im philosophischen Diskurs doch für wichtig hält. Prof. Dr. Jürgen Daviter setzt sich in "Die Frauenrechte in den Theorien der Gerechtigkeit von John Rawls und David Hume: Martha Nussbaums fragwürdige Interpretationen" mit den Thesen der genannten Autorin auseinander und bestreitet ihre Richtigkeit. In seinem Text "'GEFÜHL IST ALLES!' Bemerkungen zu einer Philosophie der Gefühle" stellt Klaus Goergen die jahrhundertelange Abwertung und derzeitige Aufwertung der Gefühle und ihrer Rolle beim Urteilen in Philosophie und Ethik dar. Prof. Dr. Hubert Kiesewetter sucht in "Die zerstörende Wirkung einer Tradition: Der Ukraine-Krieg" Gründe dafür, dass ein Angriffskrieg mitten in Europa von Demokratien nicht verhindert werden konnte, und überlegt Alternativen. Prof. Dr. Gerhard Schurz bezieht sich mit "Kritischer Rationalismus und Meta-Induktion. Eine Erwiderung auf Johannes Kimling" auf einen Artikel aus A&K 3/2023 und setzt eine traditionsreiche Diskussion fort.

Interessante Rezensionen zu einem breiten Spektrum von Themen und Autoren, einige Aphorismen und wichtige Informationen zu Veranstaltungen der GKP schließen das Heft ab.

Bezug der Ausgabe über die Gesellschaft für kritische Philosophie Nürnberg via Internet (Schutzgebühr 12,00 Euro, zuzüglich 2,50 Euro Verpackung und Porto).

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