Rezension

Einführung in die moderne Tierethik

BONN. (hpd) Die beiden Hochschullehrer für Philosophie Heriwg Grimm und Markus Wild legen mit "Tierethik" eine Einführung mit einem Schwerpunkt auf den modernen Vertretern vor. Dafür fehlen klassische Ansätze, während dafür die neuere Debatte thematisiert wird, was den Band zu einer informativen Einführung macht.

Die Einstellung der Menschen zu den Tieren ist von Widersprüchen geprägt: Während man Hunde und Katzen liebt, werden Hühner und Schweine getötet. Um an deren Fleisch als Nahrung heran zu kommen, hält man diese Lebewesen in der Massentierhaltung unter erschreckenden Rahmenbedingungen. Auch wenn die Betreiber derartiger Einrichtungen kein Interesse an der öffentlichen Kenntnis derartiger Zustände haben, so sind sie durch die Aktivitäten von mitunter illegal agierenden Tierrechtlern zum allgemeinen Wissen geworden. Auch dadurch, aber nicht nur dadurch stellen sich Fragen nach dem Mensch-Tier-Verhältnis.

Im Bereich der Philosophie bildete sich hierzu die Tierethik heraus. Mittlerweile finden die dortigen Debatten auch weit über die Fachphilosophen hinaus öffentliches Interesse. Um die einzelnen Ansätze und deren Unterschiede besser verstehen zu können, haben Herwig Grimm, Professor für Ethik der Mensch-Tier-Beziehung in Wien, und Markus Wild, Professor für Theoretische Philosophie in Basel, den Einführungsband "Tierethik" geschrieben.

Darin formulieren die Autoren als Grundfrage: "Was dürfen wir mit Tieren tun und was nicht?" (S. 23), womit sie das Erkenntnisinteresse der Tierethik umreißen. Dem folgen Darstellungen und Erörterungen zu den modernen Ansätzen der Tierethik und den neueren Reaktionen darauf. Daher fehlen die klassische Ansätze, gab es doch bereits in der Antike tierethische Positionen. Auch die danach folgende instrumentelle Sicht, die die Denker der Aufklärung ebenfalls prägten, findet keine Aufmerksamkeit.

Gleiches gilt für die religiös geprägten Ansätze wie etwa von Albert Schweitzer oder die Positionen dazu aus nicht-westlichen Kulturkreisen. Grimm und Wild räumen dies bereits zu Beginn ein, verweisen aber auf die Notwendigkeit der Schwerpunktsetzung. Nach einigen kurzen methodische Erörterungen und einer knappen Darstellung zu Jeremy Benthams Ansatz utilitaristischer Prägung geht es dann schon direkt zu den modernen Positionen der Tierethik, die zumindest in einem Fall genau dort anknüpfen und eine Weiterentwicklung vornehmen.

Gemeint ist damit der Präferenz-Utilitarismus von Peter Singer, der am Beginn der modernen Tierethik stand. Dessen Auffassungen auch hinsichtlich der Folgen werden von Grimm und Wild ebenso ausführlich dargestellt und erörtert wie der damit konkurrierende Tierrechtsansatz von Tom Regan. Danach geht es um neuere Entwicklungen, die im englischsprachigen Raum erfolgten und bislang in Deutschland noch nicht breiteres Interesse fanden. Dies gilt etwa für Peter Carruthers, Alasdair Cochrane, Cora Diamond, Rosalind Hursthouse, Clare Palmer, aber auch für Sue Donaldson und Will Kymlika, die aber durch die Übersetzung ihres "Zoopolis" hierzulande bekannter sind. Dazwischen "packen" die Autoren eine Betrachtung "Wie man Tierrechte begründen kann", wobei eine abweichende Auffassung zu Regan vertreten wird. Gegen Ende geht es noch um Anwendungsfragen von Tierethik von der Jagd über Tierversuche bis zum Vegetarismus. Darauf bezogen erfolgt noch eine Auseinandersetzung mit den Einwänden gegen ethischen Vegetarismus.

Akzeptiert man die erwähnten Einschränkungen, die dem begrenzten Raum und der Schwerpunktsetzung geschuldet waren, so handelt es sich um eine differenzierte und kenntnisreiche Einführung ins Thema. Grimm und Wild konzentrieren sich bei den modernen Ansätzen nicht nur auf Regan und Singer, sondern thematisieren ebenfalls die neuere Debatte in Erweiterung von diesen Klassikern. Gerade darin unterscheidet sich diese Einführung positiv von anderen ins Thema.

Im Inhalt und der Literaturliste fehlt das Buch "Haben Tiere eine Würde?" von Norbert Hoerster. Man muss dessen Einwände gegen Regan, Singer & Co. nicht teilen, gleichwohl wäre eine Auseinandersetzung mit dessen grundlegender Gegen-Position wünschenswert gewesen. In der Gesamtschau handelte es sich aber um eine gelungenen Gesamtdarstellung. Je nach philosophischer Vorbildung kann man bestimmte Ausführungen auch als "harte Kost" empfinden, aber es lohnt die "geistig-kulinarische" Beschäftigung mit diesen tierethischen Überlegungen.

Herwig Grimm/Markus Wild, Tierethik zur Einführung, Hamburg 2016 (Junius-Verlag), 251 S., ISBN 978-3-88506-748-1, 15,90 Euro