Die Gentechnik und der Transhumanismus

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KÖLN. (hpd) Vom Standpunkt des Transhumanismus aus gesehen, ist der Alterungsprozess des menschlichen Körpers eine Erbkrankheit, die in Zukunft geheilt werden kann. Der Mensch ist das Ergebnis einer über Jahrmillionen abgelaufenen Evolution. Wesentlicher Bestandteil des Evolutionsprozesses ist die Selektion. Sie ist in der Regel ein ausgesprochen brutaler Prozess der mit extremem Leid verbunden ist. Die Naturwissenschaft ist nun mittlerweile so weit fortgeschritten, dass wir die zukünftige Weiterentwicklung des Menschen selbst in die Hand nehmen können. Sie wird uns in die Lage versetzen, das durch Krankheiten und Altern bedingte Leid zu reduzieren und die positiven Fähigkeiten des Menschen weiter zu optimieren. Während die Manipulation von Genen bis vor wenigen Jahren noch ein sehr aufwändiger Prozess war, hat sich dieser durch die Entwicklung der neuen CRISPR/Cas9-Technik nun drastisch vereinfacht.

Die Technik

In dem Science-Fiction-Spielfilm "Gattaca" aus dem Jahr 1997 gibt es eine Szene, in der ein Ehepaar zusammen mit ihrem "Gentechniker" bespricht, welches Aussehen und welche Fähigkeiten ihr zukünftiges Kind haben soll. Zur Zeit der Entstehung des Film war das noch reine Science Fiction. Aber die Entwicklung der Gentechnik hat seitdem gewaltige Fortschritte gemacht. 2003 wurde erstmals das menschliche Genom einer Person vollständig entschlüsselt. Damals war der Aufwand noch gewaltig. Inzwischen gibt es hochentwickelte Sequenzier-Maschinen, die das komplette menschliche Genom so schnell und effektiv entschlüsseln können, dass Firmen diese Arbeit schon für unter 1000 US Dollar anbieten können.

Bis man soweit ist, über die Heilung von Krankheiten hinaus Menschen gezielt zu verändern bis hin zu Designerbabys, wird noch einige Zeit vergehen. Mit Blick auf die grundlegenden Naturgesetze gibt es aber keinen Grund, warum man nicht die Daten des Genoms gezielt verändern könnte. Im Prinzip sollte es sogar möglich sein, völlig neue Lebewesen am Computer zu konstruieren und biotechnisch herzustellen. In der Tat ist es dem amerikanischen Biochemiker Craig Venter bereits im Jahr 2007 gelungen, erstmals ein künstliches Bakterium mit dem Namen "Mycoplasma mycoides JCVI-syn1.0" herzustellen. Dazu wurden Maschinen eingesetzt, die computergesteuert die etwa eine Million Basenpaare in der gewünschten Reihenfolge aneinandergesetzt haben. Das Design und die Erzeugung auch von komplexeren Lebewesen bis hin zum Menschen oder menschenähnlichen Wesen werden mit großer Wahrscheinlichkeit in einigen Jahrzehnten möglich sein.

Wie bei vielen neuen technologischen Entwicklungen ist die Gentechnik geprägt von Phasen der Euphorie und der Ernüchterung. So trat eine gewisse Ernüchterung ein, als man feststellen musste, dass die Entschlüsselung der Funktionen einzelner Gene erheblich komplexer ist als ursprünglich angenommen. In der Regel wird dies im Tierexperiment (meist mit Mäusen) gemacht. Eine gängige Methode ist, ein modifiziertes Gen z.B. über Viren in den Körper des Versuchstieres einzuschleusen. Ein Teil der Zellen baut dieses Gen ein und übernimmt die entsprechende Funktion. Danach untersucht man, wie sich die Körperfunktionen oder das Verhalten des Versuchstieres verändert haben.
Insgesamt war aber die Genmanipulation bis vor wenigen Jahren noch überwiegend ein Herumstochern im Nebel. Die Zielgenauigkeit war begrenzt und die unerwünschten Nebenwirkungen waren erheblich. Trotzdem gelang es gelegentlich, vorteilhafte Veränderungen zu erzielen. So berichteten Ende 2007 Forscher von der Ohio Universität, dass es ihnen gelungen ist, eine "Supermaus“ zu erzeugen. Bei dieser Maus wurden die Gene so verändert, dass sie ein bestimmtes Protein, das auf den Glucosestoffwechsel eingreift, verstärkt im Körper erzeugen. Das führte dazu, dass diese Mäuse nur halb so dick wie normale Mäuse wurden, obwohl sie fast doppelt so viel fraßen. Weiterhin waren sie körperlich extrem fit, sexuell sehr aktiv und hatten eine erheblich größere Lebensspanne. Dreijährige weibliche Mäuse konnten noch Nachkommen bekommen. Rechnet man das auf den Menschen hoch, so hieße das, dass noch achtzigjährige Frauen Kinder bekommen könnten. Dennoch sind diese Ergebnisse insgesamt nicht ohne weiteres auf den Menschen übertragbar.

Das experimentelle Verändern von Genen und die Untersuchung der Auswirkungen ist extrem arbeitsintensiv und damit auch teuer. Hinzu kommt, dass bestimmte Eigenschaften wie z.B. Krankheitsdispositionen häufig durch eine Kombination mehrerer Gene erzeugt werden. Man kann also in der Regel keineswegs sagen, dass ein einzelnes Gen für eine ganz bestimmte Eigenschaft des Körpers zuständig ist. Insofern schien die Möglichkeit der Erzeugung von Designerbabys in sehr weiter Zukunft zu liegen.
Im Jahr 2012 hat sich aber die Situation durch die Entwicklung der sogenannten CRISPR/ Cas9-Technik schlagartig geändert. CRISPR ist eine Abkürzung für "Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats". Es handelt sich dabei um Abschnitte sich wiederholender DNA im Genom. Sie sind Teil eines Mechanismus zur Immunabwehr, indem sie den Organismus gegen fremde DNA verteidigen. Dies geschieht durch den gezielten Einbau fremder DNA in diesen Bereichen. Mit Hilfe von so genannten Endonukleasen (Enzyme), die als molekulare Scheren (hier Cas9) arbeiten, kann man nun diese Eigenschaft nutzen, um gezielt fremde DNA-Abschnitte in das Genom einzuschleusen. Hierzu werden dem Enzym RNA-Schnipsel (guide RNA) beigegeben, die dafür sorgen, dass genau an der gewünschten Stelle, das Aufschneiden und Einbauen erfolgt. Es wird hier also ein natürlicher Vorgang der Immunabwehr für die Genmanipulation genutzt.

Der große Fortschritt liegt darin, dass diese neue Technologie erheblich einfacher als ältere Verfahren ist und keine extrem teure Laborausstattung voraussetzt. Daneben kann die Technik relativ schnell erlernt werden. Insgesamt führt diese neue Technologie dazu, dass die Funktionen einzelner Gene nun erheblich schneller als vorher identifiziert werden können. Dies ist die Voraussetzung dafür, ganz gezielt bestimmte genetisch bedingte Eigenschaften zu verändern.

Präimplantationsdiagnostik (PID)

Die Entwicklung hin zu Designerbabys wird in kleinen Schritten erfolgen. Als Einstieg kann man bereits die Präimplantationsdiagnostik (PID) sehen. Hier werden zwar nicht die Gene selbst verändert, sondern es wird zwischen verschiedenen befruchteten Eizellen selektiert. Mit dieser Methode können schon jetzt viele genetisch bedingte Krankheiten vermieden werden.
In seinem Buch "Superintelligence" erklärt der Autor Nick Bostrom, dass man z.B. den Intelligenzquotient (IQ) theoretisch durch Selektion aus 10 befruchteten Eizellen um etwa 12 Punkte steigern könnte. Dazu müsste man allerdings wissen, welche Gene für den IQ verantwortlich sind. Durch die restriktive Gesetzgebung in Deutschland ist hier die PID im Moment auf die wenigen Fälle beschränkt, bei denen eine natürliche Befruchtung nicht möglich ist. Manche sehen in der Nutzung der PID zur Vermeidung von Behinderungen eine Abwertung von behinderten Menschen. Dies ist aber eine etwas seltsame Logik. Denn dann dürften wir ja auch generell keine Vorbeugung gegen Krankheiten unternehmen, weil das eine Diskriminierung von Kranken wäre.
Letztlich liegt es aber an den Einzelnen, respektvoll und empathisch mit Behinderten umzugehen. Diese Frage hat aber mit dem rechtlichen Status der PID nichts zu tun.

Eine weit verbreitete Fehleinschätzung ist die Meinung, dass Menschen weitestgehend durch ihre Gene determiniert sind. In Wahrheit spielen dagegen deutlich mehr Faktoren eine Rolle. Aktuell wird etwa viel über die Wirkung von Umwelteinflüssen und frühkindlicher Erziehung geforscht. Sie können sogar Rückwirkungen auf die Gene erzeugen. Dabei wird zwar nicht die DNA-Sequenz verändert, aber die Aktivität einzelner Gene wird beeinflusst. Man bezeichnet das als Epigenetik.
Jenseits unserer genetischen Disposition haben wir also noch immer ein gehöriges Maß an Handlungsfreiheit, aus unserem Leben das zu machen , was wir wollen. Selbst wenn es gelänge, einem Kind die geistigen Veranlagungen eines Albert Einstein genetisch einzuprogrammieren, würde das keineswegs bedeuten, dass aus dem Kind dann ebenfalls ein erfolgreicher Physiker wird. Es könnte daraus durchaus auch ein mittelmäßiger Schuhverkäufer werden.

Medizinische Anwendungen

Die naheliegendste Anwendung der Gentechnik ist die Vermeidung und Reparatur von erblich bedingten Krankheiten und Behinderungen. Einige Erbkrankheiten wie z.B. Trisomie (Mongolismus) können inzwischen durch eine gentechnische Blutuntersuchung der Mutter während der Schwangerschaft erkannt werden. In der Praxis führt dies in etwa 90 Prozent der Fälle zu der Entscheidung für einen Schwangerschaftsabbruch.
Bei einigen anderen Erbkrankheiten sieht man die Möglichkeit, diese nach der Geburt durch das Einschleusen reparierter Gene weitgehend zu heilen. Das Verfahren ist aber noch am Beginn der Entwicklung. Weiterhin können Krankheitsdispositionen über eine Genom-Analyse erkannt werden und es können dadurch frühzeitig entsprechende Gegenmaßnahmen eingeleitet werden.
Im März diesen Jahres erschien in der Zeitschrift Nature ein Artikel, in dem die Beseitigung des HIV-1-Genoms aus lebenden Zellen, mit Hilfe der CRISPR/Cas9-Technik, beschrieben wird. Damit scheint sich erstmals die Möglichkeit zu ergeben, von HIV befallene Patienten völlig zu heilen.