Bildung

"Lasset die Kinder zu mir kommen"?

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Michael Schmidt-Salomon

Am vergangenen Mittwoch hielt Michael Schmidt-Salomon den Eröffnungsvortrag zur Gründung des "Deutschen Kitaverbandes" in Berlin. Dort plädierte der Philosoph und Vorstandssprecher der Giordano-Bruno-Stiftung für eine seriöse und weltoffene Bildung. Der hpd dokumentiert den Vortrag.

Es ist mir eine große Ehre, hier und heute bei der Gründung des Deutschen Kitaverbandes sprechen zu dürfen. Vermutlich werden die Bibelkundigen unter Ihnen das Zitat im Titel meines Vortrags gleich erkannt haben: Es stammt aus dem Matthäusevangelium (Kapitel 19, Vers 14) beziehungsweise dem Lukasevangelium (Kapitel 18, Vers 16). Dort verkündet der biblische Jesus: "Lasset die Kinder zu mir kommen und hindert sie nicht daran! Denn ihnen gehört das Himmelreich."

Kurz nachdem ich dem Organisationsteam der heutigen Veranstaltung den Titel meines Vortrages übermittelt hatte, fand ich exakt dieselbe Überschrift in einem Beitrag des christlichen Medienmagazins "pro". Dort allerdings endet das Bibel-Zitat keineswegs mit einem Fragezeichen. Denn die Macher des Magazins sind fest davon überzeugt, dass Kitas gerade auch dazu genutzt werden sollten, "die Jüngsten mit dem Glauben vertraut zu machen" – und zwar auch dann (ja, vielleicht sogar in besonderem Maße dann), wenn die Kinder aus einem konfessionsfreien Elternhaus stammen. "Durch liebevolle und glaubwürdige Erwachsene, durch kindgerechte Erzählungen und Materialien, durch Feste und Rituale", so heißt es in dem Artikel, "kann es gelingen, den Samenkorn des Glaubens in kleine Herzen zu pflanzen." 

Dem stimmt Angela Kunze-Beiküfner, die stellvertretende Direktorin des Pädagogisch-Theologischen Instituts der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, ausdrücklich zu. Man solle "das eigenständige geistliche Leben im Kindergarten anerkennen, all die Morgenkreise und Andachten, die bereits heute eine große Anzahl von Kindern aus konfessionslosen Elternhäusern erreichen". Hierin sieht die evangelische Pfarrerin, die mit einer Dissertation zum Thema "Kindertheologisch-sensitive Responsivität pädagogischer Fachkräfte in Kindertagesstätten" promoviert wurde, eine vornehme Aufgabe christlicher Kitas, die durchaus auch eine Wirkung auf glaubensferne Eltern haben kann. Denn schließlich, so meint Kunze-Beiküfner, "können auch Eltern von Kindern lernen".

In diesem Zusammenhang stellen sich einige interessante Fragen. Erstens: Entspricht ein solches pädagogisches Konzept, das die Kita zum Ort einer zwar sanften, aber doch gezielten Glaubens-Mission macht, dem Bildungsauftrag eines modernen, weltanschaulich neutralen Verfassungsstaates? Zweitens: Kann es in irgendeiner Weise sinnvoll sein, Kita-Träger, die einen solchen weltanschaulichen oder religiösen Anspruch verfolgen, rechtlich und finanziell besser zu stellen als privatgewerbliche Träger, denen es einzig und allein darum geht, sich durch gute, professionelle Arbeit auf dem Markt zu behaupten? Drittens: Dienen gemeinnützige Träger wirklich immer und überall dem Gemeinwohl, wie unterstellt wird, oder führt ihre Dominanz im Kitabereich sogar zu einer Schädigung der Interessen der Allgemeinheit? Und viertens: Wäre es nicht längst schon Zeit für eine grundlegende Reform der Kinder- und Jugendhilfe – so wie es die Monopolkommission der Bundesregierung bereits vor 20 Jahren mit eindringlichen Worten gefordert hat?

Ich werde versuchen, diese Fragen im Rahmen meines Vortrags zu beantworten, indem ich nacheinander die verschiedenen Aspekte dieses Themas beleuchte. Beginnen möchte ich mit einem kurzen Überblick über die deutsche Kitalandschaft und die noch immer nicht behobene Spannung zwischen Angebot und Nachfrage.

Die deutsche Kita-Landschaft: Warum die Interessen der Eltern im gegenwärtigen System keine Rolle spielen

Wie Sie sicherlich alle wissen, werden derzeit etwa ein Drittel der deutschen Kitas von der öffentlichen Hand getragen und zwei Drittel von sogenannten freien Trägern. Die Quote der öffentlichen Kitas ist in den letzten Jahren kontinuierlich gesunken: 1994 stellten öffentliche Träger noch 47,4 Prozent aller Kitaplätze bereit, 2016 waren es nur noch 33 Prozent. Diese Abschwächung der "Staatsquote" ist nicht unbedingt problematisch, denn es tut den staatlichen Einrichtungen und ihren Angeboten durchaus gut, wenn sie Konkurrenz von nicht-staatlichen Trägern erhalten. Problematisch sind eher die unausgewogenen Kräfteverhältnisse innerhalb der Gruppe der freien Träger. Denn die beiden christlich-konfessionellen Wohlfahrtsverbände Caritas und Diakonie stellen noch immer knapp die Hälfte aller nicht-staatlichen Kita-Plätze. Innerhalb der einflussreichen Bundes-AG der freien Wohlfahrtspflege fallen auf sie sogar mehr als Zweidrittel der Kita-Plätze. 

Dem können die anderen Wohlfahrtsverbände nur wenig entgegensetzen. Einzig der Paritätische fällt mit inzwischen 18 Prozent der Kitaplätze innerhalb der Bundes-AG einigermaßen ins Gewicht. Aber der Paritätische Wohlfahrtsverband kann aufgrund seiner heterogenen Struktur kaum mit einer Stimme sprechen. In ihm finden sich nicht nur Fachverbände, die sich für Kitas kaum interessieren dürften wie etwa die Deutsche Tinitus-Liga oder der Bundesverband der Kehlkopfoperierten, sondern auch Organisationen mit einem geradezu gegensätzlichen weltanschaulichen bzw. politischen Profil – auf der einen Seite etwa pro familia und der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland, auf der anderen Seite das Johannische Sozialwerk, der Verband der Sozialwerke der Christengemeinschaft sowie mehrere anthroposophische Vereinigungen, die in sich selbst wiederum große Unterschiede aufweisen, je nachdem wie stark sie "versteinert" sind, d. h. inwieweit sie den weltanschaulich-religiösen Vorgaben Rudolf Steiners folgen oder nicht.

Träger, die nicht in einem Wohlfahrtsverband organisiert sind, stellen heute 26,8 Prozent der nicht-staatlichen Kita-Plätze. Dies ist ein großer Fortschritt gegenüber 1994, als ihr Anteil nur bei 14,7 Prozent lag, aber auch hier lohnt es sich, etwas genauer hinzuschauen: Die allermeisten dieser freien Träger außerhalb der Wohlfahrtsverbände sind als gemeinnützig anerkannt. Dies kann Unterschiedliches bedeuten: Zum Teil handelt es sich hier um Elterninitiativen, die aus der Not heraus eigene Kitas gegründet haben. Der überwiegende Teil der Träger jedoch verfolgt mit der öffentlich finanzierten Kita-Arbeit ganz spezifische Zwecke, entweder pädagogischer Art (wie einige Montessori-Kinderhäuser) oder aber religiös-weltanschaulicher Art, etwa Kita-Einrichtungen, die von muslimischen, christlich-orthodoxen, freikirchlichen, freireligiösen oder auch humanistischen Organisationen getragen werden. Weniger als 2 Prozent der Kita-Plätze stellen momentan privatgewerbliche Träger – und hierunter fallen auch noch einige Betriebs-Kitas, die an bestimmte Wirtschaftsunternehmen angeschlossen und somit nicht vollumfänglich für die Allgemeinheit zugänglich sind. 

Überschlägt man diese Zahlen, so kann man davon ausgehen, dass etwa 70 Prozent der nicht-staatlichen Kita-Plätze in Deutschland in der Hand von Organisationen liegen, welche die Kinder nicht zuletzt auch deshalb zu sich kommen lassen, weil sie darin eine Chance sehen, ihre jeweiligen weltanschaulich-religiösen (und hierbei überwiegend christlich-konfessionellen) Anschauungen zu verbreiten. Das Angebot an solchen Einrichtungen ist also recht hoch, schauen wir uns nun an, wie es um die Nachfrage bestellt ist. 

Kein Zweifel: Vor einigen Jahrzehnten hat es eine solche Nachfrage gegeben. Denn über weite Strecken der Geschichte war Deutschland ein genuin christliches Land. Von 1870 bis 1970 gehörten weit über 90 Prozent der Bevölkerung entweder der katholischen oder der evangelischen Kirche an. Tatsächlich ging der Anteil der Kirchenmitglieder auf dem Gebiet der Bundesrepublik innerhalb von 100 Jahren nur um magere 6 Prozentpunkte zurück, von 98,6 Prozent im Jahr 1871 über 95 Prozent im Jahr 1939 auf 93,6 Prozent im Mai 1970. 

Danach aber, in den letzten knapp 50 Jahren, sind die weltanschaulichen Verhältnisse gewaltig ins Wanken geraten: Der Anteil der Katholiken und Protestanten ist seither um fast 40 Prozentpunkte geschrumpft – von 93,6 Prozent im Jahr 1970 auf 55 Prozent im Jahr 2016. Gleichzeitig hat sich der Bevölkerungsanteil der konfessionsfreien Menschen nahezu verzehnfacht, nämlich von 3,9 Prozent im Jahr 1970 auf 36,2 Prozent Ende 2016. Damit leben heute deutlich mehr konfessionsfreie Menschen in Deutschland als Katholiken (28,5 Prozent) oder Protestanten (26,5 Prozent). Und angesichts des stabilen Trends der letzten Jahrzehnte ist schon heute absehbar, dass in 5 bis 6 Jahren mehr als die Hälfte der deutschen Bevölkerung keiner Religionsgemeinschaft mehr angehören wird. 

Noch klarer werden die Konturen dieses historisch einmaligen Säkularisierungsprozesses, wenn man nicht nur die nominellen Religionszugehörigkeiten, sondern die tatsächlichen Haltungen der Bürgerinnen und Bürger unter die Lupe nimmt: So ist der Anteil der "praktizierenden Gläubigen", also der Menschen, die mindestens einmal im Monat eine Kirche, Synagoge oder Moschee aufsuchen, auf den historischen Tiefstand von 12 Prozent der Bevölkerung gesunken. Mit anderen Worten: 88 Prozent der Deutschen suchen in ihrem Alltag, sofern sie sich dies aussuchen können, keinen Kontakt zu religiösen Institutionen. 

Wohl noch aussagekräftiger sind die Studien, die in den letzten Jahren das Vertrauen der Menschen in unterschiedliche gesellschaftliche Institutionen abgefragt haben. In all diesen Umfragen landeten die religiösen Institutionen auf den hintersten Plätzen, meist auf dem allerletzten Platz. So auch in der breit angelegten SINUS-Studie aus dem Jahr 2016, die sich auf die für Kitas besonders relevante Gruppe der 18–34-Jährigen konzentrierte. Das Ergebnis war frappierend: 81,5 Prozent der Befragten in Deutschland gaben an, religiösen Institutionen nicht zu vertrauen, europaweit waren es sogar 85,5 Prozent der Befragten. Zum Vergleich: Der Polizei misstrauen nur 47 Prozent der jungen Europäer.

Halten wir fest: Mehr als 80 Prozent der heutigen bzw. kommenden Elterngeneration misstraut ausgerechnet jenen Institutionen, die mehr als die Hälfte aller nicht-staatlichen Kitas stellen! Womit lässt sich dieses gravierende Missverhältnis erklären? Nun, ganz einfach damit, dass die Nachfrage in der Bevölkerung keinen nennenswerten Einfluss auf das Angebot im Kitabereich hat. Denn die Vergabe und Bezuschussung von Kitaplätzen findet in einem durch Sonderrechte verriegelten Raum statt, der kartellartige Züge aufweist. 

Schon vor 20 Jahren hat die Monopolkommission, welche die Bundesregierung auf dem Gebiet der Wettbewerbspolitik berät, die "mangelnde Konsumentensouveränität" im Sozialbereich und die "kartellgleich wirkenden Absprachen" zwischen dem Staat und den Spitzenverbänden der freien Wohlfahrtspflege kritisiert. In dem 1998 veröffentlichten 12. Hauptgutachten der Kommission heißt es dazu: "Die Leistungsberechtigten haben keinen oder aber nur einen geringen Einfluss auf die Qualität und die Ausgestaltung des Angebots. (…) Das Kartell der zugelassenen Anbieter stellt einen genuinen Bestandteil des Systems dar, mithin sind wettbewerbliche Reformen innerhalb des Systems nicht möglich."

Um diese strukturellen Defizite aufzuheben, schlug die Monopolkommission u. a. die Gleichstellung der gewerblichen mit den frei-gemeinnützigen Dienstleistungsträgern vor. "Folglich", so heißt es im 12. Hauptgutachten, "darf steuerrechtlich nicht mehr zwischen erwerbswirtschaftlich orientierten sowie steuerbegünstigten gemeinnützigen Unternehmen differenziert werden. Auch der Zugang zu Subventionen (…) sollte an einen sachlichen Bezug geknüpft werden. Die Benachteiligung privatgewerblicher Leistungserbringer in bezug auf Spendenvergünstigungen und Förderung ehrenamtlicher Arbeit ist ebenso aufzuheben."

All dies ist der Bundesregierung bereits vor 20 Jahren ins Merkheft geschrieben worden. An den kartellartigen Strukturen hat sich seitdem aber kaum etwas verändert. Daher hat die Monopolkommission vor 4 Jahren noch einmal nachgelegt. Im 20. Hauptgutachten von 2014 heißt es: "Die Monopolkommission kritisiert die ungleiche Förderpraxis von Kindertageseinrichtungen auf Länderebene zulasten privat-wirtschaftlicher Anbieter. Aus Sicht der Monopolkommission sind notwendige Fördermaßnahmen, besonders mit Blick auf den massiven erforderlichen Ausbaubedarf an Kindertageseinrichtungen, unabhängig von der Trägerschaft zu gewähren." 

Die Begründung, welche die Kommission hierfür vorgelegt hat, ist einsichtig, denn: das "Wahlrecht für Leistungsberechtigte ist nicht so zu interpretieren, dass sich die Leistungsberechtigten lediglich zwischen kommunalen und bereits etablierten großen freien Trägern entscheiden können. Vielmehr ist es auch mit Blick auf das Leistungsangebot neuer und/oder kleiner Wettbewerber zu sehen, die in Zeiten flexibler Arbeitsmarktverhältnisse adäquate Kinderbetreuungsangebote liefern können." "Möglicherweise", so fügte die Monopolkommission in aller Vorsicht hinzu, "ist die bisherige Dominanz konfessioneller Träger (…) – mit Blick auf das Zurücktreten des Einflusses der Kirchen in der Gesellschaft – nicht ausschließlich Ausdruck eines Nachfragewunsches, sondern vielleicht mangelnder Alternativen für die Eltern." 

Angesichts der Tatsache, dass mehr als 80 Prozent der gegenwärtigen bzw. kommenden Elterngeneration gerade religiösen Institutionen misstraut, dürfen wir diesen Sachverhalt durchaus etwas schärfer formulieren: Wir können mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass die allermeisten Eltern in Deutschland nicht wollen, dass ihre Kinder in der Kita in irgendeiner Weise religiös beeinflusst werden – selbst wenn dies auf sanfte Weise in Morgenkreisen, Andachten und Spielen geschieht. Sie erwarten von einer guten Kita eben keine Glaubensmission, sondern eine professionelle pädagogische Arbeit, einen Ort, an dem sich ihre Kinder wohl fühlen und frei entfalten können, an dem sie etwas über sich und die anderen erfahren und an dem sie Fähigkeiten lernen, die ihnen später helfen werden, ihren eigenen Platz in der Welt zu finden.

Wenn solche Eltern eine Wahlmöglichkeit haben und sich dennoch für einen konfessionellen, statt für einen kommunalen Kindergarten entscheiden, so liegt dies häufig daran, dass die kommunalen schlechter ausgestattet sind. Doch diese bessere Ausstattung der konfessionellen Einrichtungen ist weniger ein Verdienst der Kirchen als Ausdruck des Versagens des Staates, der noch immer an den falschen Enden spart und das Geld gleichzeitig an den falschen Stellen ausgibt. Denken Sie nur an die sog. Staatsleistungen in Höhe von inzwischen 500 Millionen Euro, welche die Kirchen jährlich zusätzlich zur Kirchensteuer, zusätzlich zu den milliardenschweren Leistungen für Caritas und Diakonie, aus dem allgemeinen Steuertopf erhalten. Dank dieser Staatsleistungen tragen Konfessionsfreie und Muslime mit ihren Steuern noch immer zum Gehalt deutscher Bischöfe sowie zur besseren Ausstattung konfessioneller Kitas bei. Eigentlich sollten diese Sonderprivilegien längst schon abgeschafft sein, nämlich mit dem Inkrafttreten der Weimarer Verfassung am 14. August 1919, welche die Trennung von Staat und Kirche festlegte. Aber trotz des eindeutigen Verfassungsauftrags, der 1949 auch in das deutsche Grundgesetz aufgenommen wurde, ist nichts geschehen! Und so befinden wir uns nun seit etwa eineinhalb Monaten, nämlich seit dem 14. August 2018, im "100. Jahr des Verfassungsbruchs" – ein Skandal, den wir, wie ich meine, nicht länger hinnehmen sollten!

Gerade im Bereich der Wohlfahrtspflege, insbesondere in der Kinder- und Jugendhilfe, ist die von der Verfassung geforderte Trennung von Staat und Kirche nur in höchst unzulänglichem Maße erfolgt. Nicht zuletzt mit öffentlichen Geldern haben sich Caritas und Diakonie zu den größten nicht-staatlichen Arbeitgebern Europas entwickeln können, die ihre enorme Marktmacht, wenn es darauf ankommt, rigoros ausspielen – nicht nur gegenüber ihren eigenen Arbeitnehmern, die weit weniger Rechte besitzen als ihre Kollegen in nichtkonfessionellen Betrieben, sondern auch gegenüber Eltern, deren Kinder eine konfessionelle Kita besuchen. 

Hierzu ein Beispiel aus meiner Heimatstadt Trier: Dort kam es 2012 zu einem regelrechten Aufstand der Eltern, als bekannt wurde, dass die katholischen Kitas künftig noch größeren Wert auf eine spezifisch christliche Erziehung legen sollen, um auf diese Weise die "große pastorale Chance, die in der Arbeit der Kindertageseinrichtungen liegt", zu nutzen. Viele Eltern waren hierüber hochgradig empört, doch ihr Protest zeigte keinerlei Wirkung, was allerdings niemanden verwunderte. Schließlich befanden sich zum damaligen Zeitpunkt knapp 70 Prozent der Trierer Kindergärten in katholischer Trägerschaft. 

Den meisten Eltern blieb also gar keine andere Möglichkeit, als ihre Kinder weiterhin in eine katholische Einrichtung zu geben. Die Kirchenverantwortlichen waren sich dessen voll bewusst, weshalb sie unnachgiebig auf ihrem Standpunkt beharrten, dass eine katholische Kita nun einmal ein Ort der Glaubensunterweisung sei. Wem dies nicht passe, so wurde argumentiert, der brauche seine Kinder ja nicht in eine katholische Einrichtung zu schicken und könne doch, wenn er es wolle, eine eigene Kita gründen.

Wie das Beispiel zeigt, haben die normalen Marktregeln im Kitabereich keine Gültigkeit. Der Kunde ist dort keineswegs König, sondern vielmehr Untertan, der zu schlucken hat, was ihm vorgesetzt wird. Dies ist die logische Konsequenz einer Organisationsstruktur, in der eben nicht die Nachfrage das Angebot bestimmt, sondern das Angebot von einem bilateralen Kartell des Staates und der großen Wohlfahrtsverbände vorgegeben wird. Unter solchen Bedingungen kommt es fast unweigerlich dazu, dass das gesetzlich garantierte Recht der Eltern, aus einer Vielfalt von Kita-Trägern die passende Institution auswählen zu können, in vielen Fällen nicht gewährleistet wird. 

Allerdings verstößt diese besondere Struktur der deutschen Kita-Landschaft nicht bloß gegen die Rechte der Eltern und auch nicht nur gegen die Rechte neuer Anbieter, die sich auf dem Markt nicht etablieren können, sie verstößt auch gegen die Rechte der Kinder, die einen Anspruch auf seriöse Bildung haben – ein Thema, mit dem ich mich im nun folgenden zweiten Teil meiner Ausführungen etwas näher beschäftigen werde.

Auch Kinder haben Rechte – Plädoyer für ein rationales, evidenzbasiertes und weltanschaulich neutrales Bildungssystem

Wenn heute über "Qualitätssicherung" (besser wäre eigentlich: "Qualitätsverbesserung") in frühkindlichen Bildungssystemen gesprochen wird, so konzentriert sich die Debatte meist auf formale Kriterien wie "institutionelle Ausstattung" oder "Personalschlüssel". Ich will gar nicht bestreiten, dass es sich hierbei um relevante Merkmale handelt. Allerdings scheint es mir doch recht sonderbar zu sein, dass man in diesem Zusammenhang bloß untersucht, unter welchen Bedingungen frühkindliche Bildung erfolgt, nicht aber, was dabei jeweils inhaltlich unter frühkindlicher Bildung verstanden wird. Denn auf diesem Gebiet gibt es durchaus einige Eigentümlichkeiten. 

Um hiervon einen Eindruck zu gewinnen, ist es, wie ich meine, aufschlussreich, die sogenannten "Auditkriterien zum Nachweis der Umsetzung des Rahmenleitbildes für katholische Kindertageseinrichtungen im Bistum Trier" unter die Lupe zu nehmen, die 2012 in die Öffentlichkeit geraten sind und dort, wie gesagt, für einige Empörung sorgten. Diese Auditkriterien sind für konfessionelle Kitas nicht wirklich ungewöhnlich. Wir können also davon ausgehen, dass die Mehrheit der nicht-staatlichen Kitas in Deutschland derartigen Vorgaben in der einen oder anderen Form folgt (auch wenn viele Erzieherinnen natürlich lebensklug genug sind, sie nicht eins zu eins in die Praxis umzusetzen).

Folgen wir den Trierer Auditkriterien, so zeichnet sich eine vorbildliche konfessionelle Kita durch folgende Merkmale aus: "In katholischen Kindertageseinrichtungen geschieht … 1. Verkündigung in vielfältigen Formen in Tat und Wort, 2. machen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in ihren täglichen Begegnungen miteinander, mit den Kindern und Eltern die Botschaft Jesu erfahrbar, 3. lernen die Kinder durch die kindgemäße Erschließung der Heiligen Schrift die Botschaft Jesu kennen, 4. helfen biblische Erzählungen Lebenssituationen von Kindern zu deuten und zu begleiten, 5. findet eine Orientierung an Jesus Christus, an vorbildhaften Menschen in der Bibel, an vorbildhaften Menschen der Kirchengeschichte und der Gegenwart statt." 

In der Praxis bedeutet dies, dass die Kinder in den Kitas nicht nur zum täglichen Gebet angehalten, sondern auch dazu animiert werden, biblische Geschichten zu malen oder mit Puppen nachzuspielen. Beim Spiel in der Natur dürfen die Erzieherinnen selbstverständlich nicht darauf verzichten, den Kleinen die biblische Schöpfungsgeschichte zu erzählen, wodurch kreationistische Vorstellungen in ihren Köpfen etabliert werden, die später im Rahmen des Biologieunterrichts mühsam wieder aufgebrochen werden müssen. 

Dies wirft, wie ich meine, einige peinliche Fragen auf. Erstens: Entsprechen solche Vorstellungen von frühkindlicher Bildung tatsächlich dem Bildungsauftrag eines weltanschaulich neutralen Verfassungsstaates im 21. Jahrhundert? Zweitens: Kann es rechtmäßig sein, Kitas mit öffentlichen Mitteln zu bezuschussen, die kleinen Kindern, welche die Dimensionen dessen, was an sie herangetragen wird, gar nicht überschauen können, Geschichten als wahr verkaufen, von denen nahezu alle Wissenschaftler, die sich damit beschäftigt haben, sagen, dass sie sich in dieser Weise selbstverständlich niemals abgespielt haben? Und drittens: Darf ein weltanschaulich neutraler Staat es zulassen, dass öffentlich finanzierte Bildungsinstitutionen (und auch die Kita ist ja eine solche Bildungsinstitution!) als Orte der Glaubensmissionierung missbraucht und dabei widersprechende empirische Fakten konsequent verdrängt werden?

Die Antwort auf diese Fragen lautet: Nein, nein und nochmals nein! Denn Kinder haben ein Recht auf seriöse Bildung! Sie haben ein Anrecht darauf, vorurteilsfrei in die Welt eingeführt zu werden, die Tatsachen des Lebens zu erfahren und verschiedene Perspektiven kennenzulernen, mit deren Hilfe sie später ihre eigene Sicht der Dinge entwickeln können, ohne von vornherein ideologisch in eine bestimmte Richtung gedrängt zu werden. 

Dass der ideologische Missbrauch, der auf diesem Gebiet stattfindet, so selten problematisiert wird, hängt damit zusammen, dass Kinder oft nicht als eigenständige Individuen gesehen werden, sondern als Träger einer wie auch immer gearteten Familienidentität. Befreit man sich von solchen Etikettierungen, so sollte man einsehen, dass es "katholische", "protestantische", "sunnitische" oder "schiitische" Kinder ebenso wenig gibt wie "christdemokratische", "liberale", "sozialdemokratische" oder "grüne" Kinder. Es gibt nur Kinder, deren Eltern bestimmte Partei- oder Weltanschauungspräferenzen aufweisen. Natürlich dürfen die Eltern ihre Kinder im Sinne ihrer jeweiligen Präferenzen erziehen, aber das heißt keineswegs, dass der Staat in seinen Bildungssystemen eine solche weltanschauliche oder politische Perspektivverengung aktiv unterstützen dürfte. 

Stellen Sie sich vor, den Kindern von CDU-Wählern würde in der Grundschule exklusiv das CDU-Grundsatzprogramm, Kindern von SPD-Wählern das SPD-Wahlprogramm vermittelt – so wie heute den Kindern von Katholiken katholischer und Kindern von Protestanten protestantischer Religionsunterricht erteilt wird. Oder noch absurder: Stellen Sie sich vor, SPD-Wählerkinder müssten in der Kita mit Puppen den Kniefall Willy Brandts und CDU-Wählerkinder den Triumph Helmut Kohls bei der Wiedervereinigung nachspielen – so wie Kinder in katholischen Kindergärten dazu angehalten werden, die Arche Noah oder die Auferstehung Jesu in Szene zu setzen. Es wäre wohl jedem klar, dass solche Formen politischer Manipulation in öffentlich geförderten Bildungsinstitutionen nichts zu suchen haben. Warum also sollte dies im Fall einer religiös-weltanschaulichen Manipulation so gänzlich anders sein?!

Ich meine: Wer seine Kita-Lizenz als Freibrief zur weltanschaulichen Manipulation wehrloser Kinder begreift, der sollte für dieses Anliegen keine öffentlichen Gelder in Anspruch nehmen dürfen! Genau dies unterscheidet ja den Bildungsauftrag des Staates vom Erziehungsrecht der Eltern: Selbstverständlich dürfen Eltern ihren Kindern erzählen, was immer sie wollen, aber der Staat muss peinlich genau darauf achten, dass seine Bildungssysteme erstens rational, zweitens evidenzbasiert und drittens weltanschaulich neutral ausgerichtet sind. Auf keinen Fall darf er es zulassen, dass Kinder in öffentlich geförderten Bildungsinstitutionen manipuliert, in künstlichen Filterblasen gehalten und systematisch von Informationen abgeschirmt werden, die ihnen ein tieferes Verständnis der Welt ermöglichen würden. 

Es ist die wohl vornehmste Bildungsaufgabe des Staates, allen Kindern, gleich aus welcher Familie sie stammen, im Namen der Chancengleichheit Zugang zu Wissensquellen zu verschaffen, die ihnen in ihrem Elternhaus womöglich verschlossen bleiben. Und eben deshalb darf sich das Curriculum öffentlicher Bildungseinrichtungen (auch bereits der Kitas!) nicht allein am Wunsch der Eltern und auch nicht an den Interessen spezifischer Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften orientieren, sondern an den Vorgaben der Verfassung sowie am aktuellen Stand der wissenschaftlichen Forschung.

Und hier liegt in Deutschland einiges im Argen. So werden in vielen deutschen Kitas schon die Allerkleinsten mit der biblischen Schöpfungsgeschichte konfrontiert, ohne dass ihnen die Tatsache der Evolution in spielerischer Weise nahegebracht würde. Die Folgen sind noch viele Jahre später feststellbar: Im Rahmen des sog. Evokids-Projekts, das die Evolutionstheorie an die Grundschulen bringen will, habe ich in den letzten Jahren einige Veranstaltungen mit Zweit-, Dritt- und Viertklässlern durchgeführt, bei denen ich feststellen musste, dass die meisten dieser Kinder zwar zu wissen glaubten, dass "Gott" die Welt erschaffen habe, dass aber nur die wenigsten von ihnen je etwas von der Evolution gehört hatten. Einige Schülerinnen und Schüler beeindruckten mich zwar sehr damit, dass sie die korrekten lateinischen Bezeichnungen der verschiedenen Dinosaurierarten aufsagen konnten, aber auf die Frage, warum die Dinos denn ausgestorben seien, meinten viele, sie seien wohl in der Sintflut ertrunken – nur erschreckend wenige von ihnen wussten, was den Untergang der Dinosaurier und den Aufstieg der Säugetiere tatsächlich eingeläutet hatte.

Obgleich die allermeisten akademischen Theologen längst schon ihren Frieden mit der Evolutionstheorie geschlossen und sie in ihre theologischen Konzepte eingearbeitet haben, ist der Widerstand gegen eine frühzeitige Vermittlung der Evolution bei vielen konfessionellen Trägern noch immer groß. Und so hat es kirchlicherseits auch immer wieder Proteste gegeben, wenn das inzwischen europaweit geschätzte Evokids-Lehrmaterial an deutschen Grundschulen eingesetzt wurde. In einem dieser kirchlichen Protestschreiben hieß es, man werde es auf keinen Fall hinnehmen, dass nun schon Grundschüler mit der – so wörtlich – "Ideologie der Evolution" konfrontiert würden.

Ich frage Sie: Steckt hinter einer solchen Verweigerungshaltung ein zeitgemäßer Bildungsbegriff? Und ist es wirklich entscheidend, dass eine Kita einen besonders guten Personalschlüssel besitzt, wenn sie diese herausragende personelle Ausstattung dazu nutzt, die Kinder noch effektiver in wissenschaftlicher Hinsicht zu desorientieren? 

Die Monopolkommission hat vor vier Jahren in ihrem 20. Hauptgutachten angeregt, zur Beurteilung von Kitas nicht nur quantitative Kriterien wie den Personalschlüssel heranzuziehen, sondern auch qualitative Kriterien wie etwa die Fortschritte, welche die Kinder im Laufe ihrer Kita-Zeit im Umgang mit der deutschen Sprache gemacht haben. Ich halte diese Anregung für äußerst sinnvoll, meine aber, dass hier – natürlich in altersgerechter Weise – auch andere Bildungsaspekte berücksichtigt werden sollten. So sollte es zu den Qualitätsstandards einer modernen Kita gehören, dass die Vorschulkinder ein basales Wissen über die Evolution erworben haben, dass ihnen klar ist, dass sie mit allen anderen Lebensformen auf der Erde verwandt sind und zusammen mit ihnen eine einzigartige große Familie bilden, deren Ursprünge in winzig kleinen Zellen liegen, welche vor Urzeiten auf der Erde entstanden sind.

Eine solche frühzeitige Vermittlung der Evolutionstheorie hätte nicht nur den großen Vorteil, dass die Kinder später das wohl wichtigste Fundament des modernen Weltbildes besser verstehen werden, sie hätte auch eine starke integrationspolitische Wirkung. Denn wer die Tatsache der Evolution begriffen hat, der versteht auch, dass Religionen, Nationen, Völker bloß vorübergehende Konstrukte sind, die eine fundamentale Tatsache des Lebens tragischerweise oft verdecken, nämlich dass uns Menschen untereinander sehr viel mehr verbindet als trennt. Warum ist das so wichtig? Ganz einfach: Weil heute die identitäre Perspektivverengung auf die "eigene Gruppe" eines der größten politischen Probleme weltweit ist – und dem könnte und müsste eine rationale, evidenzbasierte und weltanschaulich neutrale Bildung beherzt entgegenwirken, am besten bereits in der Kita! 

Besonders interessant dabei ist ja, dass es einen klaren Zusammenhang von Evolutionsleugnung auf der einen Seite und antidemokratischen, autoritären, patriarchalen, homophoben, antisemitischen Denkhaltungen auf der anderen Seite gibt. Keine Wunder also, dass die Evolutionstheorie trotz der millionenfachen Belege noch immer so heftig angegriffen wird. Denn wer die große Geschichte des Lebens, die uns die Evolution erzählt, im Kopf hat, der wird sich von den kleinen hinterwäldlerischen Possen religiöser Fundamentalisten oder chauvinistischer Nationalisten so schnell nicht mehr hinters Licht führen lassen.

Aber, so könnte man sich an dieser Stelle fragen, würde eine verpflichtende, altersgerechte Vermittlung evolutionären Wissens nicht gegen den Grundsatz der Vielfalt verstoßen, die der Staat im Bereich der Kitas garantieren soll? Würde dies nicht sogar bedeuten, dass es keine konfessionell gebundenen Kitas mehr geben dürfte? Die Antwort auf diese Frage lautet "Nein": Denn die Evolutionstheorie steht nicht notwendigerweise im Widerspruch zur Religion, sie steht nur im Widerspruch zu veralteten, ideologisierten, d.h. realitätsverleugnenden Formen der Religion – und ebensolche realitätsverleugnenden Ideologien darf der Staat in öffentlich finanzierten Bildungsinstitutionen nicht zulassen, da sie eben nicht zur Bildung, sondern zur Verbildung, zur ideologischen Manipulation von Kindern beitragen! 

Der Staat darf sich nicht vor seiner Verantwortung als Garant für gleiche Bildungschancen für alle Kinder drücken. Denn die Alternativen wären verheerend: Stellen Sie sich vor, kreationistische Christen oder salafistische Muslime würden mit öffentlichen Mitteln in die Lage versetzt, mehr und mehr Kitas zu betreiben, in denen Kinder in ähnlicher Weise manipuliert würden, wie ich es am Beispiel der katholischen Einrichtungen in Trier beschrieben habe! Wäre eine solche Entwicklung wünschenswert? Wohl kaum. Denn ihr Ergebnis wäre nicht "weltanschauliche Vielfalt", sondern "potenzierte Einfalt" – und das eine sollte man mit dem anderen nun wirklich nicht verwechseln!

Wenn Kitas nicht nur freundliche Kinderverwahrstationen, sondern Bildungsinstitutionen sein sollen, so muss der Staat – freilich ohne allzu großen bürokratischen Aufwand – gewisse Standards setzen, die über den Personalschlüssel hinausweisen. So sollte er den Kitabetreibern begreiflich machen, dass es in der frühkindlichen Bildung nicht um eine religiöse "Verkündigung in Tat und Wort" gehen kann, wie es in den Trierer Auditkriterien heißt, und schon gar nicht darum, den "Samenkorn des Glaubens" in konfessionsfreie Elternhäuser einzupflanzen, wie das anfangs zitierte christliche Medienmagazin "pro" meinte. 

Der Sinn und Zweck frühkindlicher Bildung besteht darin, die denkbar besten Grundlagen dafür zu schaffen, dass unsere Kinder zu selbstbewussten, kooperativen, kreativen Persönlichkeiten heranreifen, die Spaß an ihrem Leben haben, die vernünftige, faktenorientierte Entscheidungen treffen und sich in dieser zunehmend komplexer werdenden Welt zurechtfinden. Dies verlangt, dass wir sie als eigenständige Persönlichkeiten mit ihren jeweils unterschiedlichen Temperamenten und Fähigkeiten respektieren, ihnen das beste Wissen vermitteln, das uns zur Verfügung steht, und ihnen durch entsprechende Übungen dabei helfen, achtsam mit sich selbst und mit den anderen umzugehen.

Ich habe keinen Zweifel daran, dass auch konfessionelle Einrichtungen diese Ziele verfolgen könnten (und dass nicht wenige von ihnen dies heute schon tun). Aber der entscheidende Impuls für die notwendige Verbesserung der frühkindlichen Bildungssysteme wird aufgrund der festgefahrenen Strukturen kaum von ihnen ausgehen können, sondern vielmehr von privat-gewerblichen sowie von weltoffeneren gemeinnützigen Kitabetreibern, welche die Kinder zu sich kommen lassen, weil es in ihren pädagogischen Konzepten einzig und allein um das Wohl ebendieser Kinder geht – und nicht um die Verkündigung religiöser oder weltanschaulicher Heilslehren.

Damit komme ich zum Fazit meiner Überlegungen.

Fazit

Wie wir gesehen haben, krankt die deutsche Kita-Landschaft daran, dass es sich hierbei um ein angebotsorientiertes System handelt – nicht um ein nachfrageorientiertes System. Hätten die Eltern als zentrale Nachfrager einen größeren Einfluss auf das Angebot, so wäre die Dominanz konfessioneller Kitas längst gebrochen und hätten privat-gewerbliche bzw. kleinere gemeinnützige Träger einen sehr viel höheren Marktanteil, was den Wettbewerb beflügeln, Innovationen forcieren und die Qualität der Arbeit verbessern würde.

Die Monopolkommission hat bereits vor 20 Jahren und noch einmal vor 4 Jahren dargelegt, welche Reformen dringend erforderlich wären, nämlich a) die Auflösung des bilateralen Kartells des Staates und der Wohlfahrtsverbände in all seinen Erscheinungsformen; b) die Orientierung an den Bedürfnissen der Leistungsempfänger (vielleicht mithilfe eines Gutscheinsystems); und c) die Abschaffung der rechtlichen und finanziellen Privilegien gemeinnütziger Träger zulasten privat-gewerblicher Betreiber. Die zentrale Forderung an die deutsche Politik ist also klar. Sie lautet: Gleiche Förderung für gleiche Leistung – unabhängig von der Rechtsform des Trägers! 

Es gibt keinen vernünftigen Grund, diese Forderung nicht endlich umzusetzen (abgesehen von der Besitzstandswahrung derer, die von dem gegenwärtigen System zum Nachteil der Eltern, der Kinder sowie der unabhängigen Träger profitieren). Meines Erachtens ist die Umsetzung dieser Forderung sogar rechtlich zwingend. Denn nach allgemeiner Rechtsauffassung sollten gemeinnützige Organisationen nur dann bevorzugt behandelt werden, wenn es keine anderen Anbieter gibt, welche die gleiche Leistung erbringen können. Doch dies ist im Kitabereich nicht der Fall! Im Gegenteil: Gerade gewerbliche Kita-Träger können einen höheren Nutzen für das Gemeinwohl erzielen als viele sogenannte gemeinnützige Träger, da sie aufgrund ihrer organisatorischen Besonderheiten innovativer und flexibler sind, effektiver mit den vorhandenen Mitteln umgehen können, besonderen Wert auf die Qualität ihrer Produkte legen und ihre Kunden, hier: die Kinder und ihre Eltern, wie Könige behandeln – und eben nicht wie Untertanen, die schlucken müssen, was ihnen vorgesetzt wird. 

Die Forderungen der Monopolkommission wurden in den letzten 20 Jahren nicht umgesetzt, weil bislang ein Akteur fehlte, der die notwendigen Reformen einfordert und die verkrusteten Verhältnisse zum Tanzen bringt. Das könnte sich mit dem heutigen Tag ändern. Deshalb begrüße ich die Gründung des Deutschen Kitaverbandes sehr – und ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihren Unternehmungen! Leicht wird die Aufgabe, die vor Ihnen liegt, sicherlich nicht werden. Sie werden gewiss einige dicke Bretter bohren müssen, bevor sich irgendetwas an den bestehenden Strukturen ändert. Aber ich hoffe, dass Sie sich von diesen Widerständen nicht abschrecken lassen! Denn die Gründung des Deutschen Kitaverbandes ist genau die richtige Idee zur richtigen Zeit. Und nichts, so heißt es, ist mächtiger als eine Idee, deren Zeit gekommen ist.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.