In der Ausgabe 49 von "Ammerbuch Aktuell" erschien unter der Rubrik "Sonstiges" eine kurze Mitteilung der Humanisten Ammerbuch. Der Hinweis der Autoren, dass der Geburtstag Jesu erst im 4. Jahrhundert von der Kirche auf diesen Tag gelegt wurde, wurde dabei allerdings nicht veröffentlicht. Zensorische Hintergründe sind bei der Änderung des Originaltextes nicht ganz auszuschließen.
Die Kirchen präsentierten sich in der gleichen Ausgabe auf den Seiten 9 bis 15 wesentlich ausgedehnter. Eine Praxis, die in der deutschen Medienlandschaft leider alltäglich ist. Dessen ungeachtet wollen die Ammerbucher Humanisten in ihrem Bemühen um Gehör nicht nachlassen.
Ammerbuch ist eine schwäbische Gemeinde, die 1971 im Zuge der Gemeindereform entstanden ist und sechs Dörfer umfasst. Da einige am Flüsschen Ammer und andere am Schönbuch liegen, nannte man den Verbund Ammerbuch. Die Dörfer des Verbandes sind ländlich geprägt, aufgrund der hervorragenden Infrastruktur wie Bahn, S- Bahn und der A 81 bestens mit den Zentren der Arbeit verbunden und somit eine beliebte Wohngegend für viele Pendler geworden.
Oberflächlich betrachtet schein die Welt in Ammerbuch und Umgebung noch in bester schwäbischer Ordnung zu sein, Traditionen werden gepflegt, man kennt sich vielfach untereinander, pflegt das Vereinsleben und jeder Ort hat seine Kirche. In einigen Orten - wie Altingen - stehen sogar zwei Gotteshäuser des geteilten Christentums. Wenn die Glocken läuten, sieht man immer noch relativ viele Menschen in die Kirchen gehen. Aber wie so oft ist dies nur ein trügerischer Schein. Die Realität sieht auch zwischen Tübingen und Herrenberg anders aus.
Laut Diözese Rottenburg – Stuttgart lag 2015 die Teilnahme am Gottesdienst statistisch bei 9,5 Prozent. In der Evangelischen Landeskirche Würrtemberg sind einige der relevanten Zahlen wie Gottesdienstbesuche ebenfalls rückgängig. Von Heiligabend abgesehen nahmen im Jahr 2016 ca. 100.000 Menschen am sonntäglichen Kirchgang teil, das sind bei 2.08 Millionen Mitgliedern 4,8 Prozent der Kirchenmitglieder.
Dieser Widerspruch ist nicht allein symptomatisch für diese Gemeinde, es ist einer, der ganz Deutschland betrifft und die quasi Abkehr von der Institution Kirche darstellt. Doch soziale Zwänge, der Einfluss von Verwandten und die Sorge um das Ansehen in der dörflichen Gemeinschaft und im Beruf halten noch immer Menschen davon ab, sich von der Kirche ganz abzuwenden. Und so wird auch heute noch getauft, gefirmt oder konfirmiert und oft auch noch die standesamtliche geschlossene Ehe am Altar abgesegnet.
In diesem konservativen Umfeld haben sich Menschen zusammengeschlossen, die sich religionsfrei mit Humanismus beschäftigen, diskutieren und mit ihren Vorstellungen in die Öffentlichkeit gehen.
Am 16.04.2016 gründeten etwa 8 Männer und 2 Frauen eine Ortsgruppe der Humanisten Baden-Württembergs. Initiiert wurde der Zusammenschluss von der pensionierten Lehrerin für Ethik, Karin Resnikschek, die als ersten Mitstreiter den Künstler Roland Fakler gewinnen konnte, der wie er selbst sagt, lieber im stillen Kämmerlein arbeitet und in Bezug auf die Kritik an Religion und Kirche seit langem aktiv ist.
Während eines Gespräches der Initiatoren mit dem hpd berichteten diese, wie sie arbeiten und versuchen, ihre Anschauungen einer breiteren Öffentlichkeitzugänglich zu machen. Dabei wurde klargemacht, dass nicht jedes Mitglied der Ortsgruppe schon jetzt mit seinen Anschauungen an die Öffentlichkeit gehen möchte. Es gibt aber über die Gruppe, die sich in unregelmäßigen Abständen trifft, hinaus zahlreiche Kontakte mit Interessierten über die elektronischen Medien, was sicher dazu führen wird, dass die Gruppe irgendwann auch zahlenmäßig wächst.
Die Ortsgruppe Ammerbuch steht nicht allein auf schwäbischer Flur, denn Resnikschek und Fakler sind auch in der Tübinger Ortsgruppe aktiv und Frau Resnikschek reist darüber hinaus auch nach Stuttgart in die "Schaltstelle" der Humanisten Baden - Württemberg.
Befragt nach den bisherigen Aktivitäten und zukünftigen Plänen antworteten beide und stellten die Arbeit in den lokalen Printmedien in den Vordergrund. Wie die Wünsche zu Weihnachten und Neujahr in "Ammerbuch aktuell" finden die Ammerbucher Humanisten eine eigene klare Ausdrucksweise, die bei den Lesern – ja nach Einstellung – verschiedene Reaktionen ausgelöst haben mag.
Das Duo Fakler/ Resnikschek schreibt jährlich ca. 30 Leserbriefe u.a. im Gäuboten und dem Schwäbischen Tagblatt. Bei all diesen Bemühungen bleibt zu hoffen, dass sich die Gruppe vergrößern und vor allem auch verjüngen wird. Die Altersstruktur der Mitglieder ist relativ hoch, die meisten haben die 50 schon überschritten.
Ein Verjüngung durch neue Mitglieder, die ihre ganz eigenen Erfahrungen einbringen und von den Erfahrungen der Älteren lernen könnten, wäre zweifellos eine Bereicherung für die Gruppe.
Sind es heute zum großen Teil Intellektuelle, Lehrer und Künstler, die sich bei den Ammerbucher Humanisten engagieren, wäre es erstrebenswert, wenn sich dort auch Facharbeiter, Angestellte etc. betätigen würden. Letztendlich geht es, wie das Gespräch ergab, nicht nur um Religionskritik und das Bestreben, die Trennung von Staat und Kirche zu vollziehen. Es geht auch darum - Das kritische Denken zu fördern! - wie der ebenfalls anwesende Philosoph Andreas Luther während des Gespräches erklärte, und das zu allen Themen der Gesellschaft und vor allem in den sozialen Netzwerken wie Facebook.
In 2017 wird sich die Ortsgruppe Ammerbuch u.a. mit der Thematik "Arbeitswelt 4.0" beschäftigen, eine Anfrage der Intergrata Stiftung Tübingen liegt laut Karin Resnikschek schon vor.
Die letzten Themenschwerpunkte erfordern nahezu die Einbeziehung von jungen Menschen, die damit umgehen, die davon betroffen sind oder es in absehbarer Zeit sein werden. Bleibt zu hoffen, dass es den Mitgliedern der Ortsgruppe Ammerbuch gelingen wird.
2 Kommentare
Kommentare
Lauer am Permanenter Link
Weiter so! Schließlich wurde auch der heute so gefeierte Martin Luther nicht zuletzt durch seine erfolgreiche Pressearbeit so erfolgreich...
Ludwig Lauer, dhbw
Roland Fakler am Permanenter Link
Danke lieber Thomas, für den schönen Artikel, der die Lage in der Provinz ganz gut beschreibt.
Dass wir Viele sein sollten, wäre zu viel verlangt.