Kommentar zur Nationalratswahl in Österreich

Rechtsruck in Österreich

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Österreich

In Europa und andernorts auf der Welt schießen nationalkonservative und rechtspopulistische Regierungen derzeit wie Pilze aus dem Boden. Die Devise "Mein Land zuerst" hat Hochkonjunktur. Nun auch in Österreich. Und das, obwohl internationale Zusammenarbeit und globales Denken heute mehr denn je gefragt wären.

Es ist nicht so, dass es keiner erwartet hätte. Im Gegenteil: Seit Wochen und Monaten stand fest, dass die konservative ÖVP die Nationalratswahl in Österreich gewinnen würde, dass die bisher stärkste Kraft im Parlament, die sozialdemokratische SPÖ, massiv Wählerstimmen verlieren und die rechtspopulistische FPÖ massiv zulegen würde. Das Wahlergebnis wird voraussichtlich zu einer Regierungskoalition von ÖVP und FPÖ führen, die zusammen knapp 60% der Wählerstimmen erhalten haben.

Obwohl das Ergebnis der gestrigen Parlamentswahl in Österreich also keine Überraschung ist, ist es dennoch schockierend. Schockierend vor allem, wie einfach es ist, Menschen zu manipulieren, indem man auf der Klaviatur ihrer Ängste spielt und ihnen einfache Erklärungen für komplexe Probleme unterjubelt. "Du hast keinen Job und kein Geld? – Das liegt an den vielen Flüchtlingen!" – so die versteckte Botschaft der FPÖ an ihre Hauptzielgruppe, die schlecht Ausgebildeten und Arbeiter. Eine Botschaft, die funktioniert hat. Wer nur die Pflichtschule oder eine Lehre absolviert hat, wählte mit hoher Wahrscheinlichkeit FPÖ, ebenso wie 59% der Arbeiter. "Du hast noch deinen Job und dein Häuschen? – Aber die Flüchtlinge könnten dir das wegnehmen!" – so die versteckte Botschaft der ÖVP an ihre Wählerzielgruppe. Und auch diese Botschaft tat ihre Wirkung. Über 40% der Österreicher mit Mittlerer Schulbildung und Matura (Abitur), jedoch ohne Studium, kurz: die Besitzstandswahrer, wählten ÖVP.

Einfache Erklärungen, die funktionieren. Dass der FPÖ-Wähler keinen Job oder zu wenig Geld hat, weil er für eine immer komplexere Arbeitswelt vielleicht zu schlecht ausgebildet ist, hört er dagegen ungern. Ebenso wie den Hinweis, dass sich seine Situation durch eine konservative Regierung eher verschlechtern als verbessern wird. Denn der Fokus konservativer Regierungen liegt stets auf der Wahrung und Vermehrung des Besitzes derer, die bereits haben, und nicht in der Verbesserung der Situation jener, die nichts haben.

Doch nicht nur die Erkenntnis, dass Menschen leicht manipulierbar sind, und die Tatsache, dass sie sogar dazu gebracht werden können, gegen ihre eigenen Interessen abzustimmen, erschüttert. Was die Wahl in Österreich ebenso wie die zunehmend nationalkonservativen bis rechtspopulistischen politischen Verhältnisse in anderen europäischen Ländern zu einem echten Trauerspiel macht, ist, dass die Menschen ausgerechnet in einer Zeit mit nationaler Vereinzelung reagieren, in der internationale Zusammenarbeit und globales Denken mehr denn je gefragt wären.

Klimawandel und Insektensterben mögen manchen zwar noch immer als Spezialthemen für Öko-Heinis vorkommen, doch werden es genau diese Themen sein, die uns in den kommenden Jahren und Jahrzehnten auf diesem Planeten massiv beschäftigen werden. Hungersnöte ungekannten Ausmaßes werden weltweite Flüchtlingsströme auslösen, gegen die die aktuelle Flüchtlingssituation geradezu als goldenes Zeitalter erscheinen wird. Es sei denn, die Menschheit entschließt sich, doch endlich etwas gegen diese wirklich bedrohlichen Probleme zu unternehmen.

Sie finden, das hört sich nach einem reichlich futuristischen Weltuntergangsszenario an? Nun, in Österreich wären Sie mit dieser Meinung in guter Gesellschaft. Dort sind bei der gestrigen Nationalratswahl die Grünen aus dem Parlament gewählt worden. Deren Themen waren wohl einfach zu wenig an den echten Problemen orientiert.