Studie

Schnelles Denken, langsames Denken in der Coronakrise

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Wer über ein gutes Verständnis wissenschaftlicher Zusammenhänge verfügt, glaubt weniger an Corona-Verschwörungserzählungen. Doch gerade in Krisenzeiten, wie wir sie derzeit erleben, können Emotionen leicht die Oberhand gegenüber dem rationalen Denken gewinnen und die Anfälligkeit für Pseudowissenschaft und Verschwörungsdenken erhöhen.

Was der eine oder die andere im Verlauf der Pandemie exemplarisch im Bekanntenkreis feststellen musste, wird nun durch die Arbeit eines slowakischen Forschungsteams belegt, nachzulesen in der Fachpublikation Journal of Health Psychology.

Schon wenige Tage nach dem ersten bestätigten Fall von Covid-19 in der Slowakei am 6. März 2020 begannen die ForscherInnen um die Psychologin Vladimira Cavojova von der Slowakischen Akademie der Wissenschaften mit ihren Versuchen.

Zunächst befragten sie die 783 Teilnehmerinnen und Teilnehmer zwischen 18 und 84 Jahren nach ihrer Zustimmung zu verschiedenen Verschwörungsmythen über das neue Virus. Einer davon lautete: "SARS-CoV-2 ist eine biologische Waffe, die entwickelt wurde, um die Menschheit zu dezimieren und die Überbevölkerung zu stoppen", ein anderer: "Covid-19 ist nur eine Erfindung. In Wahrheit handelt es sich um eine gewöhnliche Grippe, der die Pharmaunternehmen einen neuen Namen gegeben haben, um mehr Medikamente zu verkaufen."

In einem weiteren Test stellten Cavojova und ihr Team das Verständnis ihrer ProbandInnen für wissenschaftliches Schlussfolgern auf die Probe, indem sie ihre Zustimmung zu sechs Aussagen erfragten. Auch hier ein Beispiel: "Forscher wollen herausfinden, wie sich die Geburtenrate erhöhen lässt. Bei der Recherche zu statistischen Informationen entdecken sie, dass in Städten mit mehr Krankenhäusern mehr Kinder geboren werden. Diese Feststellung legt nahe, dass der Bau von neuen Krankenhäusern die Geburtenrate in einer Population erhöht."

Abschließend erfragte man bei den Teilnehmenden das Wissen über das Coronavirus, den Glauben an unbelegte Behauptungen im Gesundheitsbereich, analytisches Denken sowie die Einstellungen zu Impfungen und zu Maßnahmen zur Pandemie-Eindämmung.

Bei der Auswertung zeigte sich ein starker Glaube an Corona-Verschwörungserzählungen bei denjenigen, die schlechte Ergebnisse beim Test der wissenschaftlichen Argumentationsfähigkeit hatten. Wer an eine Corona-Verschwörung glaubte, war meist auch weniger bereit, sich gegen die Infektion impfen zu lassen und hatte gegenüber Impfungen im Allgemeinen eine kritischere Einstellung als andere Befragte. Eine weitere, im November 2020 durchgeführte und noch unpublizierte Studie ergab, dass ein schlechteres Verständnis von wissenschaftlicher Argumentation mit einer Ablehnung der Vorschriften zur Pandemie-Eindämmung einhergeht, berichtet Vladimira Cavojova im Gespräch mit PsyPost, einer Website für Nachrichten aus der Psychologie.

Als bedeutendstes Ergebnis ihrer Studie nennt die Forscherin: "Obgleich wissenschaftliches Argumentieren Menschen bei der Unterscheidung von sinnvollen, durch Belege gestützten Annahmen und unbegründeten Glaubensinhalten hilft, ist es beim Auftreten von Krisensituationen (...) wohl zu spät, um wissenschaftliches Denken zu fördern." Demnach verlassen sich Menschen beim Interpretieren neuer Befunde auf ihre langgehegten Lieblingsüberzeugungen. Wer eher zu unbegründeten Glaubenssätzen neigt, ist deshalb anfälliger für Falschinformationen. Gerade in unsicheren Zeiten bringt dies Gefahren für den Einzelnen und oft auch die soziale Gruppe mit sich – man denke nur an überzeugte Maskenverweigerer, die weder sich noch andere vor einer Covid-Infektion schützen.

Ist rationales Denken also das Allheilmittel gegen alle Corona-Unvernunft? Spätestens seit den Arbeiten von Daniel Kahneman und Amos Tversky ahnen wir die Antwort; und auch Vladimira Cavojova erteilt solchen Hoffnungen einen herben Dämpfer. Die Psychologin weist darauf hin, dass diese Fähigkeit das menschliche Verhalten nur zum Teil bestimmt. "Wenn Gefühle übermächtig werden, reagieren Menschen intuitiv und emotional", fasst sie zusammen. "Das erschwert das wissenschaftliche Argumentieren."

Deshalb sei es erforderlich, Strategien zu entwickeln, um rasche intuitive Reaktionen zu bremsen, damit aufwändigere, aber fundierte Urteile stärkeren Einfluss auf Denken und Handeln ausüben können.

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