Scientology-Skandal im Haus der Kunst in München

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Der im März 2017 zum Rücktritt gezwungene ehemalige Leiter des Münchner Hauses der Kunst ist Scientologe und war dies, wie die SPD Landtagsabgeordnete Isabell Zacharias in einer Nachforschung ermittelte, schon bevor er vor über 20 Jahren als Hauptverantwortlicher für eben dieses Haus benannt wurde.

Der Skandal ist, dass das in der Staatskanzlei jahrzehntelang offenbar niemanden gestört hat, Beschwerden von Mitarbeitern abgetan wurden oder einfach kein Gehör fanden. Erst die Einberufung eines Untersuchungsausschusses durch die bayrische SPD im Landtag unter Vorsitz der Abgeordneten Zacharias hat Bewegung in die Rücktrittsforderungen und die Unhaltbarkeit der Besetzung eines solchen Amtes durch einen Scientologen gebracht.

Wenn die Geschäftspraxis von Scientology näher beleuchtet wird, weiß man, dass es weiterhin sehr unwahrscheinlich ist, dass es bei dieser einen Scientology-Mitgliedschaft geblieben ist. Insider sprächen von einer Dunkelziffer von 30% der Mitarbeitenden, wie die Süddeutsche Zeitung in einem Artikel vom 02. März berichtete. Diese seien, so die anonymisierten Insider, gezielt eingeschleust worden. Dies ist umso gravierender, gibt es doch eigentlich eine Regelung, der zufolge jeder Angestellte vor seiner Einstellung in den öffentlichen Dienst verpflichtet ist, ein Formular auszufüllen, indem klar ersichtlich wird, ob eine Mitgliedschaft bei Scientology vorliegt oder nicht, da diese seit 1996 als extremistische Organisation gilt und daher von Beschäftigungen im öffentlichen Dienst und erst recht in leitender Position ausgeschlossen sind.

Wie nachträgliche Ermittlungen ergaben, wurde das beim inzwischen aufgeflogenen und entlassenen, ehemaligen Leiter des Hauses der Kunst, der in das Amt bereits 1995 kam, in der Folge nicht nachträglich abgefragt. Dass dies bis vor wenigen Monaten vom Haus der Kunst auch für die übrigen Mitarbeiter nicht abgefragt wurde und bei Insidern zufolge ca. 30 Prozent der Mitarbeiter betreffe, die als Scientologen gelten, wird von der Geschäftsführung unter Verweis auf den Persönlichkeitsschutz der Mitarbeiter abgetan und eine Auskunft hierüber verweigert.

Haus der Kunst in München
Südwestecke des Hauses der Kunst in München mit Namensschriftzug, Foto: "Avda", wikimedia, CC BY-SA 3.0

Dass die kühne Hoffnung, öffentliche Stellen "vor einer Infiltration durch Scientology" (der damalige Innenminister Beckstein 1996 zur Einführung einer solchen Erklärung) zu schützen, so nicht funktionieren kann, wenn auf die Einhaltung und Befolgung von Regelungen eine nur laxe oder gar keine Überprüfung stattfindet, ist klar. Erst die den Betriebsrat erreichten, in 2016 zunehmend "massiveren Beschwerden über Missstände im Haus der Kunst" ließen den Aufsichtsrat unter Vorsitz von Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) offenbar hellhörig werden, woraufhin dieser den Verfassungsschutz zur Beobachtung des Hauses einschaltete.

Ein Fauxpas in der ganzen Skandalgeschichte ist, dass offenbar selbst der Direktor Okwui Enwezor erst auf Druck des Ministeriums an die Geschäftsführung des Hauses den Fragebogen erhielt. Bis zum Schluss sei die Geschäftsführung offenbar der Auffassung gewesen, eine Abfrage nach Scientology-Mitgliedschaft sei nicht so wichtig.

Wie Politik, Direktorium, Betriebsrat und Aufsichtsrat derart lange einen Mitarbeiter, der Insidern zufolge innerhalb des Betriebes und an Wochenenden offen mit seiner Scientology verkörpernden Leidenschaft prahlte und darüber hinaus ungehindert seine Arbeit machen durfte und überdies andere mit der Ideologie über zwei Jahrzehnte konfrontieren und beeinflussen durfte, ist erheblich gravierender, als es in Worte gefasst werden kann.

Im Laufe der Ermittlung kamen offenbar immer mehr Details über die Praktiken ans Licht mit denen der geschasste Mitarbeiter innerhalb des Betriebsklimas Werbung für Scientology machte. Ein weiterer Mitarbeiter habe sich in dem Fall bereits im Februar 2016, also vor über einem Jahr, an den Aufsichtsrat mit einem Brief gewandt, indem er über die Wochenendausflüge des Scientologen zur Dianetik in Schwabing (Stadtteil von München und Ort an dem sich eine der Kirchenzentren von Scientology befindet) Beschwerde eingelegt habe, sich darüber geäußert habe, dass dieser deshalb nie Wochenenddienste übernommen habe und wie offen er Mitarbeiter des Aufsichtsrates einlud, der Dianetik beizuwohnen.

Dieser Fall zeigt einmal mehr wie heikel und schwer es Politik und den meinungsprägendsten Leitmedien fällt, eine entschiedenere Kirchen- und Religionskritik auf die Agenda zu setzen und die häufig sektenartigen und undemokratischen Machenschaften von Religionen stärker unter die Lupe zu nehmen.

Daher bleibt wieder einmal die Hoffnung und der Optimismus, dass dieser Skandal vielleicht endlich einmal einen Stein ins Rollen bringt und dass der scheinbar monopolistische "Sozial- und Moralanspruch" christlicher Kirchen und ihr Treiben einer Obduktion unterzogen wird. Auch dass der mit Scientology in Verbindung gebrachte ehemalige Personalverwalter erst zurücktrat, nachdem der öffentliche Druck auf die bayrische Staatskanzlei so groß wurde, dass diese zum Handeln gezwungen war, ist ein Skandal. Gespannt sollte der Fall Scientology im Haus der Kunst in München weiter beobachtet und kritisch begutachtet werden, angesichts des Verdachts von 30 Prozent Scientology-Mitgliedern unter allen Beschäftigten.