Wahrheitskommission ist vom Tisch

Spanien: Ombudsmann soll kirchlichen Missbrauch untersuchen

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Palacio de las Cortes, Sitz des spanischen Abgeordnetenhauses.
Palacio de las Cortes, Sitz des Abgeordnetenhauses

Lange hatte die spanische katholische Kirche sexuelle Übergriffe auf Minderjährige aus ihren eigenen Reihen vertuscht. Erst eine große Medienrecherche hatte zahlreiche Fälle aufgedeckt. Nachdem es bereits andere Länder vorgemacht haben, soll nun auch in Spanien eine unabhängige Stelle Untersuchungen durchführen. Nachdem zunächst eine Wahrheitskommission im Raum stand, wird sich das Parlament nun wohl doch für eine Prüfung durch den Ombudsmann entscheiden.

Anfang Februar dieses Jahres endlich hatte sich das Parlament dazu entschieden, kirchlichen Missbrauch unabhängig untersuchen zu lassen. Jedoch konnten sich die unterschiedlichen Parteien nicht auf die Bildung einer "comisión de la verdad" (Wahrheitskommission), wie sie in Portugal im Januar dieses Jahres eingesetzt wurde, einigen. Stattdessen soll der "Defensor del Pueblo", also der Volksverteidiger oder auch Ombudsmann, die Untersuchung übernehmen.

Der aktuelle Ombudsmann, Ángel Gabilondo Pujol, überwacht eigentlich die staatliche Verwaltung, die Verwaltungen der autonomen Regionen Spaniens, aber auch öffentliche Unternehmen. Für die katholische Kirche, die sich bisher oftmals so verhielt, als gelte für sie und ihre Angestellten nur das Kirchen- jedoch nicht das weltliche Recht, dürfte das etwas ganz Neues sein.

Für das linke Parteienbündnis aus Unidas Podemos, Esquerra Republicana de Catalunya und Bildu ist der Ombudsmann ein nicht ausreichender Kompromiss. Von der Einrichtung einer Wahrheitskommission hätten sie sich mehr Aufmerksamkeit für die Betroffenen erhofft und dass es zu keiner parteipolitischen Verzögerung der Aufklärung kommen kann.

Nach der Ablehnung des ursprünglichen Kommissions-Vorschlags durch die Partido Popular – die in ihrer Regierungszeit unter José María Aznar der Kirche mit der vereinfachten Immobilieneintragung ja ein großzügiges Geschenk gemacht hatte – und andere, scheint der Vorschlag des Ombudsmannes von der sozialistischen Partei PSOE jedoch der kleinste gemeinsame Nenner zu sein. Im Hinblick darauf, dass es auch in Spanien Polizei und Staatsanwaltschaften gibt, ohnehin ein Hohn. Bei keiner anderen Organisation, bei keinem anderen Unternehmen müsste erst einmal das Parlament ein Untersuchungsorgan einsetzen, um derartigen Verbrechen nachzugehen.

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