Kommentar

Und sie bewegt sich doch nicht

Der Vatikan hat das katholische Kirchenrecht reformiert. Sexueller Missbrauch von Kindern gilt nun endlich als Vergehen. Ebenso wie die Weihe einer Frau zur Priesterin. Wobei Letzteres deutlich härter bestraft wird. Ein Kommentar von hpd-Redakteurin Daniela Wakonigg.

Wenn man eines mit Gewissheit von der katholischen Kirche sagen kann, dann ist es, dass sie derzeit wirklich kein besonders gutes Händchen für PR hat. Nach jahrelangen Proteststürmen über den schleppenden, ja geradezu gewollt schlampig wirkenden Umgang der katholischen Kirche mit dem systematischen Missbrauch von Kindern in den eigenen Reihen hat sich der Vatikan nun endlich zu einer Verschärfung des Kirchenrechts durchgerungen. Denn der sexuelle Missbrauch von Kindern, der für das weltliche Recht eine schwere Straftat darstellt, wurde vom katholischen Kirchenrecht bislang nur unter ferner liefen im Abschnitt "Straftaten gegen besondere Verpflichtungen" behandelt, also mehr oder weniger als Verstoß gegen den Zölibat. Eine Regelung, die nicht nur Opferverbände empörte.

Nun also hat der Vatikan endlich mit einer Reform des Kirchenrechts reagiert. Am Dienstag stellte man in Rom das reformierte VI. Buch des "Codex Iuris Canonici" (CIC) vor. Abgesegnet wurde es an Pfingsten von Papst Franziskus per päpstlichem Rechtserlass mit dem Titel "Weidet die Herde Gottes". In Kraft treten soll die Änderung im Dezember. In der neuen Fassung des Kirchenrechtsbuchs werden nun explizit auch Sexualstraftaten gegen Minderjährige und Schutzbefohlene genannt, ebenso wie der Erwerb, der Besitz und die Verbreitung von Kinderpornografie. Begehen Priester solche Delikte, drohen ihnen nach neuem Kirchenrecht die Amtsenthebung oder gar die Entlassung aus dem Klerikerstand.

Experten sehen zwar noch immer deutlichen Änderungsbedarf in der kirchlichen Gesetzgebung zum Missbrauch – aber immerhin hat sich der Vatikan nun überhaupt erstmal zu einer Verschärfung des entsprechenden Rechts durchgerungen. "Und sie bewegt sich doch", möchte man in Anlehnung an Galileo Galieli angesichts dieser Änderung fast sagen – wäre da nicht eine weitere Änderung, die der Vatikan im selben Atemzug ins Kirchenrecht einfügte: Das explizite Verbot der Weihe von Frauen zu Priesterinnen. Und zwar unter Androhung empfindlichster Strafen.

Während die Vergewaltigung eines Kindes nach Kirchenrecht – übersetzt in weltliche Sprache – für einen Priester lediglich ein Berufsverbot zur Folge hat, droht nun jedem, der auch nur den Versuch unternimmt, eine Frau zur Priesterin zu weihen, ebenso wie einer Frau, die den Versuch unternimmt, diese Weihe zu empfangen, die katholische Höchststrafe: die Exkommunikation. Für einen gläubigen Katholiken eine Katastrophe, denn er ist dadurch aus der Kirchengemeinschaft ausgeschlossen, nicht mehr berechtigt, Sakramente zu empfangen, und sein ewiges Heil im Jenseits dadurch wohl deutlich gefährdet – sofern man an den katholischen Klimbim glaubt.

Für die Innen- und Außenwirkung der katholischen Kirche ist diese Reform des Kirchenrechts verheerend. Den aufkommenden Hoffnungsschimmer ihrer liberalen Anhängerinnen und Anhänger, dass die Kirche in Hinblick auf ihren Umgang mit der Missbrauchsproblematik doch reformierbar sei, macht sie durch die zeitgleiche Zementierung ihres strikten Kurses zur Priesterweihe von Frauen sofort wieder zunichte. Auch dem glühendsten Anhänger eines liberalen Katholizismus sollte nun langsam dämmern, dass seine Kirche nicht reformierbar ist. Denn einer Organisation, die – gemessen an den vorgesehenen kirchlichen Strafen – die Vergewaltigung eines Kindes für weniger schwerwiegend hält als die Priesterweihe einer Frau, der ist nicht mehr zu helfen.

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