Am 29. Oktober wurde in der Bundeskunsthalle in Bonn die Ausstellung "Touchdown" eröffnet – eine Ausstellung mit und über Menschen mit Down-Syndrom. hpd-Redakteurin Daniela Wakonigg sprach mit der Genetikerin Katja de Bragança. Sie ist eine der Kuratorinnen der Ausstellung, Leiterin des Forschungs-Projekts "Touchdown 21" und Gründerin der Zeitschrift "Ohrenkuss", in der seit knapp zwanzig Jahren Menschen mit und ohne Down-Syndrom gemeinsame Redaktionsarbeit machen.
Sagen Sie, Frau de Bragança, ist es nicht etwas ungewöhnlich, dass eine Ausstellung über das Down-Syndrom in einem Kunstmuseum stattfindet?
Fantastisch, nicht wahr? Ich finde es sehr gut, dass die erste Etappe der Wander-Ausstellung kein Museum ist, wo's um Krankheit oder Behinderung geht, sondern ein Musentempel. Denn die meisten Menschen denken, jemand mit Down-Syndrom sei ein kranker Mensch. Und das stimmt nicht. Das Down-Syndrom ist eine genetische Besonderheit, diese Menschen haben das Chromosom 21 dreimal statt zweimal. Es ist eine biologische Besonderheit. Aber es ist keine Krankheit.
In der Ausstellung werden viele Informationen über das Down-Syndrom durch Kunstobjekte vermittelt, es ist eine Mischung von Fakten und Kunst. Und deswegen ist dieses Museum genau der richtige Ort. Wobei ich mich sehr über den Mut der Bundeskunsthalle freue, sich auf die Ausstellung einzulassen.
Was ist das Besondere an dieser Ausstellung?
Da gibt es gleich zwei Besonderheiten. Erstens gab es bisher weltweit keine gezielte Zusammenstellung von Informationen über Menschen mit Down-Syndrom: Wie haben sie früher gelebt? Wie leben sie jetzt? Wie leben sie in Deutschland, in anderen Ländern? Wie ist die Situation für sie als Kind? Wie ist die medizinische Versorgung? Wie ist die schulische Situation? Was können sie lernen? Wie arbeiten sie? Wie sieht ihre familiäre Situation aus, wenn sie klein sind – und wenn sie groß sind und vielleicht selbst Familie haben wollen? Wie sieht der medizinische Standard aus? Und vor allem natürlich auch, wie sieht die Situation mit der vorgeburtlichen Diagnostik aus? All diese Informationen bietet die Ausstellung. Sie umspannt die Geschichte des Down-Syndroms von der Darstellung von Menschen mit Down-Syndrom in alten Kulturen über den Arzt John Langdon-Down, nach dem das Syndrom im 19. Jahrhundert benannt wurde, über die NS-Zeit bis heute – und sie wagt auch einen Blick in die Zukunft.
Die zweite Besonderheit ist, dass an dieser Ausstellung Menschen mit und ohne Down-Syndrom zusammen gearbeitet haben und arbeiten. Die Inhalte wurden gemeinsam erarbeitet und wir bieten auch Doppel-Führungen durch die Ausstellung an – mit jeweils einem Führer mit und einem Führer ohne Down-Syndrom.
Die Ausstellung hat eine Rahmenerzählung: Aliens mit dem Down-Syndrom besuchen die Erde. Und das nicht zum ersten Mal. Auf dieser "second mission" sind Forschungsreisende, die nachschauen wollen, wie es den Nachfahren der "first mission" geht, die sich vor Jahrtausenden auf der Erde neben den Menschen ohne Down-Syndrom angesiedelt haben. Wie kommt es zu dieser Rahmenerzählung? Erleben sich Menschen mit Down-Syndrom als Aliens in unserer Gesellschaft? Und erlebt die Gesellschaft Menschen mit Down-Syndrom als Aliens?
Selber erleben sich Menschen mit Down-Syndrom natürlich überhaupt nicht als Aliens, sondern als Menschen. Ein Mensch mit dunkler Hautfarbe denkt ja auch nicht dauernd über seine Hautfarbe nach, sondern fühlt sich erstmal als Mensch. Dieses fremde Gefühl kommt erst auf, wenn man wie ein Alien behandelt wird. Und Menschen mit Down-Syndrom erleben in der Tat sehr sehr oft, dass sie angeglotzt werden, als wären sie Außerirdische. Das hat natürlich zum einen damit zu tun, dass der betrachtende Mensch oft noch nie jemanden mit Down-Syndrom gesehen hat – und dann wird völlig ungehemmt geguckt, geglotzt, vielleicht aber auch mit einem negativen Unterton gesprochen. Und das ist dann bitter und schade, denn die Männer und Frauen mit Down-Syndrom kriegen das natürlich genau mit und fühlen sich nicht gut damit. Ihre Eltern haben es erlebt, dass Leute in den Kinderwagen geglotzt haben und gefragt haben: "Muss sowas denn heute noch sein?" Oder: "Ihr Kind soll nicht auf unsere Schule, das ist nicht gut für unsere Kinder". Der Fachbegriff dafür heißt Xenophobie, also die Angst vor dem Fremden. Und die Überwindung dieser Angst ist ein Anliegen der Ausstellung – und auch von mir persönlich. Ich möchte niemandem vorwerfen, dass er Angst hat oder sich gruselt vor etwas, das er nicht kennt. Aber die Ausstellung wird bewirken, dass viele Menschen sich hinterher lockerer fühlen im Umgang mit Menschen, die das Down-Syndrom haben, und dass sie vielleicht auch neugierig werden.
Die Pränataldiagnostik ist in den letzten Jahrzehnten immer intensiver geworden – und ganz besonders aufmerksam sucht sie nach dem Down-Syndrom. Inzwischen gibt es sogar einen nicht-invasiven Test für Schwangere, mit dem noch vor Ablauf der 3-Monatsfrist ein Down-Syndrom des Kindes mit 99%iger Wahrscheinlichkeit festgestellt werden kann. Viele werdende Mütter entscheiden sich bei dieser Diagnose für eine Abtreibung. Rund 94%. Warum, glauben Sie, treffen so viele diese Entscheidung?
Ich denke, die meisten Menschen haben ein Angstbild vom Down-Syndrom. Es gibt so viele Vorurteile gegen Menschen mit Down-Syndrom und die spuken in unseren Köpfen herum. Früher hieß es, sie werden nicht älter als 30, sie können nicht lesen und schreiben, sie können nie allein aufs Klo gehen, eine Familie mit Down-Syndrom muss sich ein Leben lang um dieses Kind kümmern, sie sind nicht bildungsfähig, sie werden nie glücklich sein, sie leiden – all diese Geschichten. Und diese Geschichten stimmen nicht. Das ist Quatsch. Natürlich können die meisten von ihnen lesen und schreiben, wenn man ihnen die Möglichkeit gibt, zur Schule zu gehen. Und natürlich werden Menschen mit Down-Syndrom älter als 30. Die Zahl wurde erhoben 30 Jahre nach Kriegsende. Natürlich gab's da so gut wie niemanden mit Down-Syndrom, der älter war 30, weil sie unter Hitler alle ermordet wurden. Aber das weiß eben kaum jemand.
Wenn eine Frau heute während der Schwangerschaft in die Screening-Maschinerie gerät, die ihr vermittelt, dass dieser und jener Test notwendig und selbstverständlich sei und dass in den meisten Fällen ja auch alles in Ordnung sei, und es dann auf einmal nicht in Ordnung ist, dann fällt sie plötzlich aus allen Wolken. Vorher hat man sich keine Gedanken darüber gemacht und dann kommt dieser Befund und man denkt: Scheiße, das wird jetzt nicht gut, das Kind ist behindert. Und es wird einem in der Regel sofort nahe gelegt, einen Abbruch zu machen. Die Chance, in Ruhe nachzudenken, sich wirklich zu informieren, wie lebt eigentlich ein Mensch mit Down-Syndrom heute, wie nimmt er die Welt wahr, die Chance ist in dieser unglaublich gestressten Situation und der Kürze der Zeit eigentlich nicht vorhanden. Hinzu kommt der Druck von außen. Die Rolle der Familie ist hier eine total wichtige. Wenn die Großeltern Ja sagen und man weiß, man bekommt Unterstützung, entscheiden sich Frauen eher für das Kind. Und es gibt auch Ergebnisse, die zeigen, dass in dem Maße, wie die Väter Ja sagen, die Mütter eher sagen "Ich kriege das Kind". Es ist total schwierig für eine Mutter, ein Kind mit Down-Syndrom zu bekommen, wenn sie weiß, der Mann möchte es nicht.
Am wichtigsten scheint aber tatsächlich der Faktor "Information" zu sein. Schwangere, die einen Verwandten mit Down-Syndrom haben, entscheiden sich häufig anders als das Gros der Frauen, die bei der Diagnose "Down-Syndrom" abtreiben.
Können Sie denn die Entscheidung für eine Abtreibung nachvollziehen?
Ich kann nachvollziehen, dass eine junge Frau sagt: "Ich bin 22 Jahre alt, ich studiere, ich habe keinen Freund, ich krieg ein Kind mit Down-Syndrom – ich habe Sorge, dass ich's nicht schaffe". Es ist ja schon schwer genug, ein Studium alleinerziehend zu schaffen, wenn das Kind kein Down-Syndrom hat. Hier wird dann ein Abbruch gemacht, weil die Sozialsituation mangelhaft ist. Aber die weitgehend unreflektierte Meinung in der Gesellschaft, dass Menschen mit Down-Syndrom eigentlich nicht wirklich Menschen sind, weil sie drei Chromosomen 21 und nicht nur zwei haben, und dass diese Chromosomenbesonderheit dazu berechtigt, eine Schwangerschaft abzubrechen, finde ich … nun ja … interessant. Es gibt Länder, in denen gibt es eine pränatale Geschlechtsdiagnostik und Kinder werden abgetrieben, weil sie – aus Sicht der Eltern – nicht das richtige Geschlecht haben. Hier in Deutschland ist man darüber völlig empört. Warum keine Empörung bei dem dritten 21er-Chromosom? Das ist sehr interessant. Das kann nicht an dem Chromosom als solchem liegen, sondern an dem Bild, das man von Menschen mit Down-Syndrom hat.
Übrigens habe ich mich über genau diese Fragen mit unserer Ausstellungs-Beirätin Julia Bertmann unterhalten, die das Down-Syndrom hat. Ich fragte sie, warum Menschen ihrer Meinung nach Kinder mit Down-Syndrom abtreiben. Ihre Antwort: "Weil sie nicht wissen, dass ein Mensch wie ich ein gutes Leben haben kann. Sie kennen mich nicht. Ich habe ein gutes Leben und das möchte ich mitteilen. Ich hab Rechte und ich hab Wünsche und die möchte ich durchsetzen." Übrigens habe ich sie auch gefragt, ob sie eine Frau verurteilen würde, die einen solchen Schwangerschaftsabbruch hat vornehmen lassen. Darauf sagte sie: "Nein, die tut mir leid, weil sie dachte, sie muss es tun. Und ich möchte dazu beitragen, mit dem, was ich vermittle, dass vielleicht irgendjemand sich nicht dafür entscheidet."
Unser Wissen über Genetik ist in den letzten Jahren und Jahrzehnten extrem gewachsen, ebenso unsere Fertigkeiten zur genetischen Manipulation. Was halten Sie von den Diskussionen um Designer-Babies und den genetisch optimierten Menschen - eine Zukunft, die wahrscheinlich nicht mehr in allzu großer Ferne liegt?
Ob es wirklich genetisch optimierte Menschen geben wird, das kann ich nicht beurteilen. Als Biologin und Genetikerin kann ich die Faszination verstehen, die von der entsprechenden Grundlagenforschung ausgeht. Ich weiß aber auch gleichzeitig, was es bedeutet, diese Forschung zu betreiben, und deswegen bin ich kein Freund davon. Jede forschende Person, jede Person, die sich auskennt in den Naturwissenschaften, weiß, dass dieses Grundlagenwissen, sobald man es erforscht hat, auch benutzt wird. Und das ist der Grund – so schwer es mir fällt – warum ich nicht mehr in der Forschung arbeite.
Falls die Optimierung irgendwann zur Normalität wird, welche Auswirkungen wird dies, Ihrer Meinung nach, auf den Umgang mit den Nicht-Optimierten in der Gesellschaft haben?
Der perfekte Mensch, das perfekte Gemüse, das perfekte Auto, was auch immer – das ist, glaube ich eine Urfantasie der Menschheit, alles schön perfekt zu machen. Wobei die Frage ist: Was ist perfekt?
Die meisten Machtpositionen sind aktuell besetzt von Menschen, die kein Handicap haben und die glauben, dass es sie auch nie treffen wird. Man muss sich allerdings klar machen, dass 96% aller Behinderungen sich erst im Laufe des Lebens ergeben. 2% während der Geburt und 2% sind schon vorgeburtlich festgelegt. Also die Chance, dass ich irgendwann im Laufe meines Lebens eine Behinderung bekomme, ist sehr viel größer, als damit geboren zu werden. Darum ist dieser ganze Aufwand mit Pränataldiagnostik eine Art Schattenboxen, weil man nicht verhindern kann, was einfach normal ist. Es ist normal, dass ein Mensch krank wird oder irgendwas passiert und er daraufhin eine Einschränkung hat. Das wird immer so sein, egal wie sehr man sich an irgendeiner genetischen Optimierung versucht. Deshalb geht es darum, eine Lebenskultur zu entwickeln, in der man trotzdem miteinander leben und gelassen denken kann: "Ja, mein Leben ist erfüllt, auch wenn ich jetzt vielleicht meinen kleinen Finger nicht mehr habe."
Menschen mit Down-Syndrom sind sehr stark. Sie haben eine hohe Resilienz. Von ihnen können wir lernen. Sie sind ehrlich. Sie sind realistisch. Und ich wünsche mir Politiker mit so einer Qualität. Und ein Anliegen des Touchdown 21-Forschungsprojektes ist es, dass die Menschen mit Down-Syndrom, die dort mitarbeiten, irgendwann mal Lobbyarbeit in eigener Sache machen. Und zwar auf eine Art, die wir uns heute noch gar nicht vorstellen können. Ich bin sehr sehr zuversichtlich, dass die Dinge sich interessant weiterentwickeln werden.
Die Ausstellung "Touchdown" ist noch bis zum 12. März 2017 in der Bundeskunsthalle Bonn zu sehen.
28 Kommentare
Kommentare
Thomas Friedrich am Permanenter Link
"Denn die meisten Menschen denken, jemand mit Down-Syndrom sei ein kranker Mensch. Und das stimmt nicht.
Allerdings eine Besonderheit, die mit schweren gesundheitlichen Problemen einhergeht. Personen mit Down-Syndrom leiden oft an Herzfehlern, Darmverschlüssen und haben ein 20 mal höheres Leukämie- und Epilepsierisiko. Ab 40 entwickeln fast alle Symptome der Alzheimerkrankheit.
Auch die geistige Behinderung würde ich nicht verharmlosen. Sie bedeutet zwar keinen unmittelbaren Leidensdruck, aber doch eine massive Einschränkung der Lebensmöglichkeiten. Menschen mit Down-Syndrom sind selten fähig, ein eigenständiges Leben zu führen, einer normalen Arbeit nachzugehen oder eine Familie zu gründen.
Insofern ist es kein Ausdruck von Xenophobie, wenn man sagt, dass ein Leben ohne Down-Syndrom wünschenswerter ist. Wäre das Down-Syndrom durch ein Medikament wie Contergan verursacht, dann würde niemand bestreiten, dass Frauen einen guten Grund haben, dieses Medikament nicht mehr zu nehmen und niemand würde darin eine behindertenfeindliche Maßnahme sehen. So wie Impfungen gegen Kinderlähmung oder Alkoholabstinenz in der Schwangerschaft nicht behindertenfeindlich sind.
"Man muss sich allerdings klar machen, dass 96% aller Behinderungen sich erst im Laufe des Lebens ergeben. 2% während der Geburt und 2% sind schon vorgeburtlich festgelegt. Also die Chance, dass ich irgendwann im Laufe meines Lebens eine Behinderung bekomme, ist sehr viel größer, als damit geboren zu werden. Darum ist dieser ganze Aufwand mit Pränataldiagnostik eine Art Schattenboxen, weil man nicht verhindern kann, was einfach normal ist."
Was ist das für eine Logik? Fast alle Menschen werden irgendwann im Laufe ihres Lebens krank. Sollen wir deshalb Kinder nicht mehr impfen, weil ein Leben ohne Krankheit nicht möglich ist? Ist es nicht schon ein Erfolg, dass Menschen seltener und später krank werden? Genauso bei Behinderung: Macht es keinen Unterschied, ob jemand sein ganzes Leben behindert ist oder erst nach einem Schlaganfall mit 85?
Dass wir nicht alle Behinderungen/Krankheiten vermeiden können, ist kein Grund, auch die vermeidbaren in Kauf zu nehmen.
angelika richter am Permanenter Link
"Auch die geistige Behinderung würde ich nicht verharmlosen. Sie bedeutet zwar keinen unmittelbaren Leidensdruck, aber doch eine massive Einschränkung der Lebensmöglichkeiten."
Bis ich den Bericht einer Mutter las, die beschrieb, wie sehr ihr Sohn mit Downsyndrom darunter leidet, nicht so vergleichsweise mühelos lernen zu können wie sein Bruder. Gerade Kinder, die geistig nicht so stark betroffen sind, werden sich ihrer Situation wohl doch oft schmerzlich gewahr.
Gäbe es Medikamente, die dieses Syndrom heilen oder auch nur abmildern könnten, dieser Junge würde sie sofort nehmen.
Martin Weidner am Permanenter Link
Krankheiten verhindern / vermeiden ist aber etwas anderes als Menschen zu töten. Einem Menschen mit Trisomie 21 kann man sagen: Ich wünschte, Du hättest diese Beeinträchtigungen nicht.
malte am Permanenter Link
"Aber man kann nicht zu ihm sagen; Ich wünschte, dich gäbe es gar nicht. Das aber ist genau die Botschaft, die die Gesellschaft gibt, indem Abtreibung von Kindern mit Down-Syndrom möglich sind."
Dieses Argument hört man ja immer wieder von PID/PND-Gegnern, und ich finde es ziemlich an den Haaren herbeigezogen. Drei meiner Großeltern waren schwer an Alzheimer erkrankt, es ist also gut möglich, dass es in meiner Familie eine genetische Prädisposition für die Krankheit gibt und auch ich dieses Gen trage. Würden sich nun Mütter zur Abtreibung von Föten mit dieser Disposition entscheiden, würde ich nicht im Traum auf die Idee kommen, mich deshalb diskriminiert und in der Gesellschaft ungewollt zu fühlen. Im Gegenteil: Ich würde mich freuen, dass zukünftige Generationen weniger Angst vor Alzheimer haben müssen als ich.
Martin Weidner am Permanenter Link
Da die genetische Disposition bei Alzheimer nur ein Risikofaktor ist, wäre es Wahnsinn, deshalb eine Abtreibung vorzunehmen.
Sie wollen Leid vermeiden und vermeiden Leben. Da sind Sie ganz auf der Linie von Hinduismus und Buddhismus. wo Leidvermeidung heißt, aus dem Kreislauf des Lebens auszusteigen.
malte am Permanenter Link
Ich habe das Beispiel Alzheimer gewählt, weil es mich persönlich betrifft und ich daher nicht auf Spekulationen angewiesen sind, wie Betroffene sich fühlen könnten.
Und wieso wäre es „Wahnsinn“ aufgrund eines Risikofaktors eine Abtreibung vorzunehmen? Durch die Abtreibung wird das Risiko verringert. Ich fände ein solches Vorgehen übertrieben, aber ethisch betrachtet ist daran nichts falsch.
malte am Permanenter Link
"Abgesehen davon, dass dann diese Eltern sich entscheiden müssten, gar keine Kinder zu bekommen."
Das stimmt übrigens auch nicht. Mendelsche Regeln - schon mal davon gehört?
Martin Weidner am Permanenter Link
Antwort auf beide Postings:
In der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ von 1948 heißt es in der Präambel:
Sie können sich nicht vorstellen, dass jemand diese Erklärung ernst nimmt. Dann stehen Sie eben außerhalb des Konsenses der zivilisierten Staaten. Wer Menschen das Menschsein abspricht, zerstört die Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft. Ein Kind zu zeugen mit dem Gedanken: „Wenn es Leid in seinen Genen trägt, töten wir es eben!“ ist eine unmenschliche Option.
Ihr ganzer ethischer Ansatz ist falsch. Leidvermeidung ist ein wichtiger Bestandteil von ethischen Überlegungen, aber es gibt da noch mehr, was zu bedenken ist.
malte am Permanenter Link
Ich glaube eben nicht, dass es sich bei einer befruchteten Eizelle oder einem wenige Wochen alten Embryo um einen Menschen handelt.
Martin Weidner am Permanenter Link
Eine befruchtete Eizelle ist ein eigenes Lebewesen. Der Immunschutz der Mutter muss ausgetrickst werden, damit es überlebt.
malte am Permanenter Link
Da haben wir wohl grundsätzlich unterschiedliche ethische Vorstellungen und werden auch wohl zu keinem Konsens kommen.
Allerdings hätten Sie von Anfang an sagen können, dass Sie Abtreibung ganz grundsätzlich ablehnen. Die ganze Diskussion um Behinderung und "Botschaften", die eine selektive Abtreibung sendet, war überflüssig. Sie sind Abtreibungsgegner und haben das lediglich hinter einer "anti-ableistischen" Fassade versteckt.
Martin Weidner am Permanenter Link
In welche Schublade ich gehöre, weiß ich nicht so genau.
malte am Permanenter Link
Jetzt geht es ja sehr vom ursprünglichen Thema weg und ins Grundsätzliche. Aber wir können natürlich trotzdem gerne weiterdiskutieren :-).
Ihr Beispiel mit dem tropischen Regenwald ist zu kurz gedacht. Selbstverständlich stellen auch Eingriffe in Ökosysteme wie das Abholzen des Regenwaldes ein ethisches Problem dar. Aber das liegt nicht daran, dass Pflanzen in der Ethik berücksichtigt werden müssten. Ich (und ich vermute auch Sie) verspeise ohne Gewissensbisse Gemüse und verbrenne ebenso guten Gewissens Holz im Kamin. Der Regenwald ist einerseits Lebensraum für Tiere mit einem Nervensystem, die auf ihn angewiesen sind. In erster Linie aber ist das Abholzen des Regenwaldes ein Problem für uns Menschen: der Regenwald erfüllt wichtige Funktionen, z.B. als Kohlenstoffspeicher und Quelle der Biodiversität (wichtig z.B. für die Entwicklung neuer Meikamente). Mindestens genau so wichtig ist aber etwas, was man im weitesten Sinne als „ästhetischen Wert“ bezeichnen könnte. Der Mensch will die Natur genießen, ist von ihr fasziniert. In diesem Sinne ist wilde Natur für den Menschen nicht weniger wichtig als Museen und Konzertsäale. Das Abholzen des Regenwaldes ist also ein Problem, weil WIR MENSCHEN ein Interesse an seiner Existenz haben. Den Bäumen ist es egal, ob sie leben oder gefällt werden.
Ich finde auch nicht, dass Abtreibung grundsätzlich mit der Menschenwürde unvereinbar ist. Heutige Philosophen sehen die Menschenwürde meist nicht als etwas, was der Mensch „besitzt“, sondern als ein „Worumwollen“: Kein Mensch soll in eine Situation geraten, in der er seine Selbstachtung einbüßen muss. Ein solches modernes Verständnis der Menschenwürde steht meiner Meinung nach nicht im Widerspruch mit der Praxis der Abtreibung.
Als Utilitaristen würde ich mich übrigens nicht bezeichnen. Der Utilitarismus trägt als letzte Konsequenz immer die Möglichkeit in sich, dass der Einzelne für das Wohl der Mehrheit geopfert werden kann. Das lehne ich strikt ab, im Mittelpunkt meiner Ethik steht immer das Individuum. Ich glaube auch nicht, dass sich die Konsequenzen des eigenen Handelns so klar kalkulieren lassen, wie sich z.B. Singer das vorstellt.
Norbert Schönecker am Permanenter Link
S.g. malte!
Ich hatte auf dieser Seite kürzlich eine Abtreibungsdiskussion, bei der ich Sie gerne dabeigehabt hätte. Sie scheinen eine klare Meinung zu haben und diese schnörkellos, aber stets höflich zu vertreten.
Nach meiner Erfahrung laufen sachlich geführte Abtreibungsdiskussionen stets auf folgende vier Fragen hinaus:
1) Was ist Leben?
2) Was ist ein Lebewesen?
3) Was ist ein Mensch?
4) Woher hat der Mensch sein Recht auf Leben?
Seit der letzten Abtreibungsdiskussion grüble ich darüber, ob nicht auch noch als fünfte Frage dazugenommen werden müsste:
5) Was ist einem Menschen (in unserem Fall: der Mutter) zumutbar, um ein Leben zu retten?
Besonders die ersten drei Fragen sind überraschend schwierig.
Die nächsten zwei sind genauso schwierig, aber das überrascht nicht so.
Ich kenne jedenfalls auf keine der fünf Fragen eine eindeutige, jedem Menschen einleuchtende Antwort.
Meine Meinung zur Abtreibung ist dann hingegen ganz einfach: Solange man sich nicht sicher ist, ob hierbei ein Mensch getötet ist, sollte man eine Abtreibung unterlassen.
Es ist wie bei der Jagd: Wenn ich mir nicht sicher bin, ob das Rascheln im Busch von einem Reh oder einem Menschen stammt, darf ich nicht schießen.
Und wenn ich mir nicht sicher bin, ob der Embryo ein Mensch ist, darf ich nicht abtreiben.
Nachdem die Tötung eines Menschen keine Familienangelegenheit ist, sondern der Staat den Schutz jedes Menschen übernommen hat, müsste der Staat auch Abtreibungen verbieten. Zumindest so lange, bis die obigen fünf Fragen eindeutig und unwiderlegbar beantwortet sind.
Martin Weidner am Permanenter Link
Danke für Ihre Klarstellungen. Da habe ich Sie in die falsche Schublade getan, Die Kritik am Utilitarismus sehe ich genauso.
Genauso ist ein Embryo um seiner selbst willen zu achten und zu schützen. Ich habe in anderen Postings dies mit einem Menschen im Koma verglichen. Da ist kein Schmerz, da ist keine Situation, wo jemand seine Selbstachtung verlieren könnte.
Natürlich mag es einzelne Situationen geben, wo es gute Gründe gibt, jemanden zu töten. Der Kreisauer Kreis hatte solche Gründe. Die mag auch eine Schwangere in einer besonderen Situation haben. Bonhoeffer, der es richtig fand, Hitler zu töten, war sich aber bewusst, dass er damit Schuld auf sich lädt. Einzelne Ausnahmefälle rechtfertigen noch lange nicht, dass man das wie sonst eine Handlung allgemein in Überlegungen, was zu tun ist, einbauen kann.
Man kann nicht hingehen und alle Menschen im Koma oder im Schlaf erschlagen, die zB einen ansteckenden Virus in sich tragen oder sonst irgendwie Leidvolles weiter geben. Genauso wenig kann man einen Menschen zeugen und dabei mit einplanen, dass man ihn ja auch wieder beseitigen kann.
Immer wieder in der Geschichte hat man Menschen so definiert, dass bestimmte Gruppen herausfielen: Menschen sind hellhäutig, Negber sind keine Menschen, auch wenn sie große Ähnlichkeiten mit Menschen haben. Juden sind keine Menschen. Schwachsinnige sind keinen Menschen, Usw. Ich halte diesen Ansatz nicht nur im Einzelfall sondern grundsätzlich falsch. Ich habe auch bewusst die historischen Bezeichnungen genannt, denn Sprache setzt Wirklichkeit, das wurde Als Realität empfunden. Immer gab es Philosophen, die das legitimierten. Genauso kann man Menschen als Zellhaufen bezeichnen und sieht es als Realität an. Bei allen Unterschieden: Ich lehne es grundsätzlich ab, Menschen das Menschsein abzusprechen, nur weil sie bestimmte Eigenschaften und Fähigkeiten nicht haben. Natürlich kann man sich das philosophisch so zurecht rücken, dass es passt. Das ist aber genau das Gegenteil von dem, wofür das Grundgesetz geschrieben wurde.
Und hier sind wir ganz nahe bei dem Artikel: Ich erlebe Menschen mit Down-Syndrom als sehr empfindsam. Sie haben tendenziell ein großes Gespür für Annahme und Ablehnung. Dass jemand abgetrieben wird, weil er bestimmte Eigenschaften aufweist, löst durchaus das Empfinden aus, Menschen, die schlechte Gene in sich tragen, sind nicht gewollt. Sie spüren vielleicht mehr als andere, dass Menschenwürde unteilbar ist.
angelika richter am Permanenter Link
Ich sehe das ganz ähnlich.
Es ist doch wichtig, sich einmal anzusehen, was im realen Leben wirklich passiert.
Einer unserer Söhne hat sich vor einiger Zeit testen lassen, negativ.
Aber wenn der Test positiv ausgefallen wäre, würde er bei seiner eigenen Familiengründung Kinder per PID bekommen wollen, hat er uns auseinandergesetzt.
Er wäre aber nicht im Traum darauf gekommen, dass das seine eigene Existenz in Frage stellen würde!
Martin Weidner am Permanenter Link
Würde Ihr Sohn bei der Familiengründung auch Schwangerschaften auf Probe und Abtreibung nach positivem Gen-Test machen (wenn es PID nicht gäbe)? Dann wäre die Situation mit der von Down-Syndrom vergleichbar.
angelika richter am Permanenter Link
Ich weiß es nicht. PID ist inzwischen möglich, und sich vorzustellen, wie man ohne diese Möglichkeit entscheiden würde, ist doch sehr hypothetisch.
Aber darum geht es mir eigentlich nicht.
Martin Weidner am Permanenter Link
Krankheiten zu verhindern ist die eine Sache, Menschen zu verhindern eine andere. Entweder man zeugt einen Menschen nicht oder nimmt ihn so, wie er ist.
Im realen Leben entstehen überzählige Embyronen. Im realen Leben werden Menschen getötet, weil man sie so nicht will, weil ihr Dasein Leid heißt etc. Die Frage ist, ob wir die Menschenwürde zur Disposition stellen.
Thomas Friedrich am Permanenter Link
"Krankheiten verhindern / vermeiden ist aber etwas anderes als Menschen zu töten."
Richtig. Aber ein Embryo ist keine menschliche Person. Heutzutage kann das Down-Syndrom schon in der 10. Woche festgestellt werden. Zu diesem Zeitpunkt ist der Embryo nur eine empfindungslose Zellformation und kein sinnvoller Gegenstand moralischer Rücksichtnahme.
Martin Weidner am Permanenter Link
Nun ein Koma-Patient ist dann auch nur ein empfindungsloser Zellhaufen, ein Embryo ist da viel eher ein Mensch, weil bei dem ziemlich sicher ist, dass die in ihm angelegten Möglichkeiten des Empfindens sich entfalten.
Thomas Friedrich am Permanenter Link
Wenn das Koma so tief und irreversibel ist, dass man jede Form von Bewusstsein ausschließen kann, dann würde ich tatsächlich nicht mehr von einer menschlichen Person sprechen, sondern nur noch von einem lebenden Körpe
Und das ist der Unterschied zum Embryo. Hier gab es zu keinem Zeitpunkt ein Interesse, gegen das man verstoßen könnte. Deshalb ist es auch absurd, eine Abtreibung im Frühstadium als "Interessenkonflikt" zu bezeichnen. Wenn ein zehn Wochen alter Embryo abgetrieben wird, dann gab es zu keinem Zeitpunkt eine Person, die irgendetwas gewollt, empfunden oder erlebt hätte.
Und nein: Die bloße Möglichkeit, dass in Zukunft eine Person entstehen könnte, ist moralisch nicht schützenswert. Potenzielle Personen sind eben keine realen Personen.
Martin Weidner am Permanenter Link
Es gibt auf dem Feld viele Grauzonen. Wann ist etwas irreversibel? Wann bekommt jemand nichts mit?
Außerdem war dies der Vergleich zu Embryos, bei denen der Zustand alles andere als irreversibel ist. Sie sprechen Menschen das Mensch- und Personsein ab aufgrund von Fähigkeiten / Möglichkeiten, die sie nicht besitzen. Wenn Menschen nach einer OP ins künstliche Koma gelegt werden und sie Aussicht auf Genesung haben: Dann könnte man sie nach Ihrer Logik totschlagen, wenn andere davon profitieren. Ihre Überlegungen sind unmenschlich und treten die Menschenwürde mit Füßen, ja Ihre Ethik ist menschenwürdefrei.
Thomas Friedrich am Permanenter Link
Dass ein 10 Wochen alter Embryo nichts mitbekommt, steht wissenschaftlich außer Frage. Hier kann man nicht von einer Grauzone sprechen. Davon kann man vielleicht bei einem sechs Monate alten Fötus sprechen.
"Außerdem war dies der Vergleich zu Embryos, bei denen der Zustand alles andere als irreversibel ist."
"Irreversibel" heißt "nicht wiederherstellbar". Beim Embryo gibt es aber nichts, das man (nicht) wiederherstellen könnte, weil ja nie ein Bewusstsein vorhanden war. Erst durch die Fortsetzung der Schwangerschaft könnte zu einem späteren Zeitpunkt ein Bewusstsein - und damit eine menschliche Person - entstehen.Wenn man den Embryo jedoch verwirft, dann hat nie eine Person existiert, gegen deren Interessen man verstoßen hätte.
"Wenn Menschen nach einer OP ins künstliche Koma gelegt werden und sie Aussicht auf Genesung haben: Dann könnte man sie nach Ihrer Logik totschlagen, wenn andere davon profitieren."
Das Argument verstehe ich nicht. Diese Menschen sind eindeutig Personen. Sie hatten vor der OP ein Bewusstsein und das Bewusstsein würde sofort wiederkommen, wenn man sie aus der Narkose aufweckt. Dieser Fall unterscheidet sich vom irreversiblen Koma und noch mehr vom Embryo.
Martin Weidner am Permanenter Link
>> Dass ein 10 Wochen alter Embryo nichts mitbekommt, steht wissenschaftlich außer Frage.<<
So nebenbei (um den Haarspalter mal raushängen zu lassen) eine kleine Verteidigung des Satzes, den ich gar nicht behauptet habe: In der 11 Woche ist es keine Frage, dass der Embryo etwas mitbekommt, da Reflexe funktionieren. Da die Erfahrungen, was ein Mensch kann oder nicht über das hinausgehen, was Ärzte als möglich ansehen, ist also die 10. Woche ein Graubereich. Das ist zwar keine bewusste Wahrnehmung, aber wissen wir wirklich, was das heißt? Wir wissen eben nicht, wie es ist, 10 Wochen alt zu sein. Wir wissen nur so viel, dass auch diese unbewussten Erfahrungen die Gehirnentwicklung prägen und in das Leben eingreifen.
Aber ich glaube nicht, dass man auf der Ebene weiter kommt, weil jeder es anders interpretiert. Der letzte Absatz sollte das nur verdeutlichen.
Eigentlich will ich nur damit sagen: Man kann Leben und Menschsein nicht definieren. Alle Einteilungen sind willkürlich.
Man kann einen Menschen in der Momentaufnahme betrachten, unabhängig von seiner Vergangenheit und Zukunft. Dann kann man Embryo und Wachkoma-Patient vergleichen. Nimmt man aber Vergangenheit und Zukunft mit hinein, dann unterscheiden sich beide darin, dass beim einen die Vergangenheit und beim andern die Zukunft die Verbindung zum „normalen“ Leben ist. Mir leuchtet es nicht ein, dass man einem Menschen die Zukunft wegnehmen kann, der keine Vergangenheit hat, aber einem Menschen, eventuell keine Zukunft hat nicht diese Zukunft wegnehmen darf, nur weil er eine Vergangenheit hat. Legt man den Physis-Begriff von Aristoteles zugrunde (und ich oute mich hiermit als Aristoteliker), dann kann man das nicht so aufteilen. Ich kann mir gar nicht vorstellen, mit welcher vernünftigen Philosophie man das könnte. Vergangenheit und Zukunft gehören bei einem Lebewesen immer mit hinein. Die Zukunft ist als Potential gegenwärtig.
Anders gesagt: Kaum ein Mensch hat bewusste Erinnerungen aus den ersten beiden Lebensjahren, aus dem ersten Jahr ist es ausgeschlossen. Trotzdem ist es nicht weniger verwerflich, so einem Säugling die Zukunft zu nehmen. Ja, einem Menschen, der seine ganze Zukunft vor sich hat, erscheint es besonders schlimm.
Nochmal: Solche Einteilungen: Bei dem darf man, bei dem nicht, der ist noch / nicht mehr Mensch, der schon: Das ist logisch nicht durchzuhalten, da versucht man Menschsein mit Eigenschaften und Fähigkeiten zu definieren, was immer daneben geht.
Norbert Schönecker am Permanenter Link
Danke für diesen schönen, informativen und optimistischen Artikel!
Ganz besonders danke ich dafür, dass dieser Artikel, der sich mit den Themen Abtreibung und Pränataldiagnostik kritisch auseinandersetzt, hier gezeigt wird.
Der Beitrag ist getragen von Respekt für alle Menschen. So habe ich mir Humanismus immer vorgestellt.
angelika richter am Permanenter Link
"Ich denke, die meisten Menschen haben ein Angstbild vom Down-Syndrom. Es gibt so viele Vorurteile gegen Menschen mit Down-Syndrom und die spuken in unseren Köpfen herum."
Außerdem unterschlägt die Autorin, dass Trisomie 21 mit einer deutlich erhöhten Rate von Herzfehlern, einem durchschnittlich schwächeren Immunsystem, häufigeren Atemwegserkrankungen, Schwerhörigkeit usw einhergeht, die mitunter stark lebensverkürzend wirken.
agender am Permanenter Link
1. Fehler: " Und natürlich werden Menschen mit Down-Syndrom älter als 30. Die Zahl wurde erhoben 30 Jahre nach Kriegsende.
Das ist unzutreffend, auch in der Weimarer Republik (u GB, u US u F...) war das so - ganz einfach zu der Zeit, in der die häufig zusammen mit der Trisomie auftretenden Krankheiten wie Herzklappenfehler dafür sorgten, dass die Kinder bald starben, weil Operationen erst in den 1970er Jahren und später möglich wurden - das drückt die Statistik.
2. "Ob es wirklich genetisch optimierte Menschen geben wird, das kann ich nicht beurteilen" - nun, ich schon. Persönliches Beispiel: Ich leide (!!!) am Von-Willebrand-Syndrom, einer Erbkrankheit, bei der Gerinnungsfaktor 7 verringert und verlangsamt gebildet wird. Das bedeutet verzögerte Wundheilung und beim kleinsten Stoss (Öffentliche Verkehrsmittel!) nicht nur einen riesigen Bluterguss, sondern wochenlanges sog "Unterbluten" d.h. der Bluterguss wird nicht grün und dann gelb, sondern es blutet immer wieder blau nach. Jedes dafür in Frage kommende Gen (meine Krankenkasse bezahlt keine Gendiagnostik, ich weiss also nicht welche der 6 Möglichkeiten) existiert in der Bevölkerung in 2 -3 sog. "Wildtypen" also Varianten, die mehr oder weniger gut funktionieren. Lehrbücher betonen, dass man kein ganzer Bluter ist, also nicht daran stirbt - aber ich finde das Wort "LEIDEN" angemessen.
Hätte ich jemals Kinder gewollt, (meine Existenz ist vom 218 erzwungen) hätte ich mich schon deswegen dagegen entschieden - und ich gebe auch jeder Person mit langer Blutgerinnungszeit den Rat, die schlechteren Genvarianten aussterben zu lassen! Um alles gleich zu beantworten: es gibt Spritzen, Risiko: deutlich erhöhte Schlaganfallsgefahr.
Und deshalb Kritik Nr. 3.: Da ist eine Überbevölkerungsapologetin zur Sprache gekommen und ich frage: WAS TUT SO ETWAS HIER???
Das völlig fehlformulierte Studentinnenbeispiel etwa: Wenn eine junge Frau mit Abitur UNBEDINGT Kinder will, ist die Uni die Zeit, wo sie das am ehesten riskieren kann; wenn sie aber nicht weiss ob, oder sie Gen- oder Verhaltensprobleme in der eigenen oder der Familie des Partners entdeckt, NO KIDDING.