DORTMUND. (hpd) Eine bunte Schar Christenmenschen traf sich am zurückliegenden Wochenende in Dortmund, um den „1. Kirchentag Mensch und Tier“ zu begehen. Wie bitte? Ausgerechnet die Kirchen machen sich stark für ein neues Verhältnis „Mensch-Tier“?
Na ja, die Kirchen selbst gerade nicht. Die katholische Abteilung hält es getreu mit Papst Ratzinger, der unmissverständlich dekretierte:
“Gott hat die Tiere unter die Herrschaft des Menschen gestellt, den er nach seinem Bilde geschaffen hat”. Der Mensch dürfe sich ihrer zur Ernährung und zur Herstellung von Kleidung bedienen, er dürfe sie sich dienstbar machen, und auch Tierversuche seien ethisch zulässig, sei doch das "Gewaltverhältnis zwischen Mensch und Tier grundsätzlich unaufhebbar." Die evangelische Fraktion sieht das nicht anders: auch sie bezieht sich grundlegend auf das biblische Diktum des 1. Buches Moses, in dem Gott selbst seinen Ebenbildern befiehlt: „Furcht und Schrecken vor euch über alle Tiere, machet sie euch untertan und herrschet!“
Es gibt in der gesamten Bibel keinen einzigen Satz, in dem Tieren Schutz vor der Rohheit und Gier des Menschen zugesprochen würde.
Vielmehr sei es dessen unhintergehbares Recht, sie nach Belieben zu unterjochen und auszubeuten. Auf dem „offiziellen“ Kirchentag in München im Mai dieses Jahres wurde konsequenterweise das Verhältnis „Mensch-Tier“ mit keinem Wort angesprochen.
Keine noch so abartige Tierquälerei ohne Weihe
Auch auf den Tiermessen und Tiersegnungen, die die Kirchen allenthalben inszenieren, geht es nie um Segnung, sprich: Schutz der Tiere um ihrer selbst willen, allenfalls sollen sie durch den Segen vor Krankheit und Unfall bewahrt werden, um umso besser ausgenutzt werden zu können. Auf eigenen Hubertusmessen werden die Jäger gesegnet, vor Walfangfahrten die Walschlächter, vor Stierkämpfen die Toreros. Keine Eröffnung eines Zoos oder Delphinariums, keine Zirkuspremiere, keine noch so abartige Tierquälerei im Gewande von Tradition oder Brauchtum, ohne dass nicht ein Priester seinen Weihwasserwedel schwänge.
Das alles müsse anders werden, befand Ost-Pfarrer Ulrich Seidel. Angesichts rapide sich leerender Betstühle müssten neue Wege beschritten werden, abhanden gekommene Schäflein in die Herde zurückzuholen und neue zu gewinnen. Was lag näher, als sich auf das Thema „Tierschutz“ aufzuschwingen, bei dem die Kirchen bislang beispiellos versagt haben – auch wenn sie damit nur ihren katechetischen Grundsätzen treu blieben.
Als Vorsitzender des Vereins „Aktion Kirche und Tier“ sieht Seidel seine Aufgabe darin, dem „diakonischen Auftrag Jesu auch an der nichtmenschlichen Schöpfung nachzukommen und den Tieren in Kirchen und Gemeinden Raum zu geben.“ Der Dortmunder Kirchentag sollte Tierfreunde unterschiedlicher Herkunft und Ausrichtung zusammenbringen, um, wie es in den Werbeflyern hieß, „Begeisterung für das Engagement für Tiere zu schaffen“. Tatsächlich ging es um nichts anderes, als die in unzählige Gruppen und Grüppchen zersplitterten Tierschützer unter Talar und Soutane der Großkirchen zusammenzuführen, weshalb ja auch kein
Tierschutz- oder gar Tierrechtstag veranstaltet wurde, sondern ein ökumenischer Kirchentag mit Bibelkreisen, Gottesdiensten, Kinderprogramm („Wir basteln eine Arche Noah“) und unvermeidlichem Gospelchor.
Es blieb eine Farce
Seidel hatte eine ganze Reihe an Theologen aufgeboten, die sich in Vorträgen und Podiumsdiskussionen redlich abmühten, tierfreundliche Passagen in die Bibel hinein- oder aus dieser herauszuinterpretieren.
Der österreichische Theologieprofessor Kurt Remele etwa deutete das Herrschafts- und Unterjochungsgebot aus dem 1. Buch Moses allen Ernstes in einen Auftrag Gottes an den Menschen um zu „verantwortungsvollem Leiten der ihm an die Hand gegebenen Mitgeschöpfe“. Die theologisch bewegte Psychologin Hanna Rheinz beschrieb gar das ganze Alte Testament als besonders tierfreundlich: Das historisch entstandene Schächten sei ein enormer Fortschritt des Tierschutzes gewesen, das Judentum habe insofern die „schonendstmögliche Methode des Schlachtens“ entwickelt.
Auch Eugen Drewermann, Klaus-Peter Jörns und andere gaben sich jede Mühe, allein es blieb alles Farce.
Keinem der Referenten und keiner der Tierschutzorganisationen, die ihre Infostände aufgebaut hatten, ging und geht es um wirkliche Veränderung des Verhältnisses Mensch-Tier. Allenfalls geht es um Reformen der bestehenden Zustände – größere Käfige, kürzere Transportwege ins Schlachthaus, schonendere Tötung -, so dass prinzipiell alles weiterlaufen kann wie bisher, nur besser: sprich:
ohne schlechtes Gewissen.
Die gemeinsame Abschlussforderung „Nein zur Massentierhaltung!“ brachte es auf den Begriff: um ein Ende der Tierausbeutung an sich geht es den Christengutmenschen nicht.
Ganz abgesehen davon, dass Gebete und Hallelujasingen noch nie etwas verändert haben: statt der erwarteten 10.000 Teilnehmer tauchten nur ein paar hundert auf. Und das lag nicht nur am Regenwetter und an den 25 EUR Eintrittsgebühr.
Colin Goldner