Warum ich kein Christ sein will (2)

(hpd) Der frühere Bildungsinformatiker Uwe Lehnert legt mit seinem Buch eine Begründung zur Ablehnung von Christentum und Religion aus moralischer und naturwissenschaftlicher Sicht vor. Es handelt sich um eine überaus informative Gesamtdarstellung zum Thema, die mit Ausnahme der langen Ausführungen zu einem naturalistischen Weltbild auch gut als Einführung oder Gesamtdarstellung zum Thema genutzt werden kann.

 

„Warum ich kein Christ bin“ lautet der Titel einer Aufsatzsammlung von Bertrand Russell, worin der Philosoph seine ablehnende Einstellung gegenüber der Religion begründet. „Warum ich kein Christ sein will“ lautet der Titel eines Buches von Uwe Lehnert, worin der Bildungsinformatiker im Sinne einer Selbstvergewisserung die gleiche Grundauffassung belegen möchte. Der Autor hatte nach einem erziehungs- und naturwissenschaftlichen Studium bis 2002 eine Professur für Bildungsinformatik an der Freien Universität Berlin inne. Danach fühlte er sich zu einer systematischen Auseinandersetzung mit Fragen des Glaubens und der Wissenschaft gedrängt, woraus dann der Text für das genannte Buch mit dem Untertitel „Mein Weg vom christlichen Glauben zu einer naturalistisch-humanistischen Weltanschauung“ entstand. Auch wenn diese Formulierung eine sehr persönliche und subjektive Beschreibung erwarten lässt, handelt es sich mit Ausnahme weniger Seiten gerade nicht um eine autobiographisch und selektiv ausgerichtete Darstellung zum Thema.

Lehnert will vielmehr erläutern, warum man aus einem säkularen Humanismus wie naturwissenschaftlichem Weltbild heraus das Christentum wie jede andere Religion ablehnen muss. Die acht Kapitel des Buches gliedern sich in drei Teile: Zunächst geht es um die Darstellung eines naturalistischen Weltbildes auf der Basis heutigen Wissens. Hierbei steht die evolutionäre Erkenntnistheorie, der moderne Begriff von Raum und Zeit, die evolutionäre Herausbildung von Bewusstsein und Geist sowie die Illusion von der Willensfreiheit im Zentrum des Interesses. Im nächsten Teil zeigt der Autor auf, dass sich Christentum und Gottesglaube mit naturwissenschaftlichen Kenntnissen nicht mehr vereinbaren lassen. Darüber hinaus geht Lehnert hier auf die zweifelhafte Moral in Altem und Neuem Testament und die daraus ableitbaren Folgen in der Realgeschichte des Christentums ein. Und schließlich findet man noch grundsätzliche Gedanken über „Gott und die Welt“ als humanistisch-naturalistischer Gegenentwurf zum Christentum.

Resümierend stellt der Autor dann nach Betrachtungen zur Entstehungs- und Wirkungsgeschichte des Christentums fest, „dass für mich der christliche Glaube nichts anderes ist als eine – zugegeben höchst eindrucksvolle – gedankliche Konstruktion, die sich aus älteren religiösen Vorbildern und uralten Mythen im Laufe der Jahrhunderte entwickelt hat, dabei zugleich immer auch ein Instrument machtpolitischen Agierens war. Es handelt sich für mich um ein Gedankengebäude, das aus dem Bedürfnis nach Überwindung von Not, Krankheit und Tod als Wunschvorstellung entstand, dessen Bezugspunkt im Jenseits nur in den Köpfen der Gläubigen existiert und dem im Diesseits jede glaubwürdige Begründung fehlt. Dass dieser Glaube für unzählige Menschen dennoch von großer Anziehungskraft ist, zumal ohnehin die meisten in diesen hinein geboren wurden, erklärt sich aus Angst und Verzweiflung und der daraus entstandenen Hoffnung auf Erlösung aus irdischem Leid, auf Wiedergeburt und ausgleichende Gerechtigkeit dermaleinst im Jenseits“ (S. 268).

Wie diese Formulierungen bereits deutlich machen verzichtet Lehnert bei aller Schärfe der Kritik in der Sache auf eiferndes und hämisches Gehabe bei der Präsentation seiner Positionen. Er betont außerdem nicht nur die geringe Beweiskraft der Argumente und die zweifelhaften Moralvorstellungen der Bibel, gleichzeitig liefert das Buch denn auch noch Ausführungen zu den Gründen für die breite Akzeptanz von Religion. Gerade in dieser Dimension wird auch sein aufklärerischer Charakter deutlich. Zwar hätte man sich die Erläuterungen zum letztgenannten Punkt noch ausführlicher gewünscht, aber allein mit den kurzen Hinweisen darauf unterscheidet sich Lehnert wohltuend von anderen religionskritischen Büchern. Bis er zum eigentlichen Kern seines Themas vordringt, braucht der Autor aber 150 Seiten zur Präsentation seines naturwissenschaftlichen Weltbildes. Hier hätte man sich kürzer fassen und dafür bei der Benennung der Alternative ausführlicher sein können. Kurz: Es handelt sich um eine gute Einführung und Gesamtdarstellung.

Armin Pfahl-Traughber

Uwe Lehnert, Warum ich kein Christ sein will. Mein Weg vom christlichen Glauben zu einer naturalistisch-humanistischen Weltanschauung, 3. Auflage, Berlin 2009 (TEIA AG – Internet Akademie und Lehrbuch-Verlag), 389 S., 19,95 €

 


Warum ich kein Christ sein will. Rezension von Frank Navissi (3.3.2010)

hpd podcast 10/2010: Philipp Möller im Gespräch mit Uwe Lehnert (2.4.2010)