Der Weihnachtsmann beißt nicht

weihnachtsmaenner_by_siepman.jpg

Foto: siebmanH (pixelio)

WIEN. (hpd) Der Inbegriff der Brutalität: Fußballclub Simmering gegen Kapfenberg, mutet wie eine harmlose Version dessen an, was in den heimischen Wohnzimmern unterm Christbaum tobt. Oder, um der internationalen Dimension des Konflikts gerecht zu werden, … gegen … . Man könnte auch sagen: Vergesst Frazier gegen Ali. Es geht ums Überleben der alpenländischen Kultur. Oder zumindest des christlichen Abendlandes.

Ein fettsüchtiger Alkoholiker, zu faul zum Rasieren, obendrein Ausländer, versucht die Arbeit eines blondgelockten, blauäugigen, zarten und unschuldigen Kindleins unter den heimischen Christbäumen zu sabotieren. Nicht, dass er die Geschenke stehlen will – für einen Suchtkranken wäre das zwecks Geldbeschaffung noch irgendwie verständlich. Und, wie der Kronenzeitungleser weiß, wäre das bei einem Ausländer eine geradezu erwartbare Verhaltensweise, zu ahnden mit sofortiger Abschiebung.

Nein, er macht es perfider. Er will die Kinder selber beschenken. Was zwangsläufig dazu führen muss, der er das geschenkebringende Kindlein stalkt. Kaum ist es aus einer Wohnung verschwunden, bricht dieser ausländische Alkoholiker ein, wirft die Kindleingeschenke - sicher alle aus der biologischen Fairtrade-Produktion von Kinderdörfern oder einer anderen Aktion von Licht ins Dunkel - aus dem Fenster und ersetzt sie mit elektronischem Spielzeug aus Fernost und fettmachenden Süßigkeiten. Wenigstens wissen wir, wer schuld daran ist, dass die Kinder in diesem Land alle verfetten. Würde er nicht vorher die Geschenke des Christkindleins entsorgen, es wäre ein klassischer Fall von Scheinintegration. Wobei man schon am roten Gewand des Manns sehen kann, dass es ihm nicht ernst ist damit, dass er sich in diese Gesellschaft eingliedert. Nicht zu vergessen, dass er seine Geschenke am liebsten in Socken gibt – das soll den Kindern die religiös-erbauende Erfahrung des Geschenke Auspackens vor der Krippe nehmen. Ein Schläfer ist dieser Weihnachtsmann, ganz klar.

In Bayern hat die CSU-Jugend in vorbildlicher Weise auf die akute Bedrohung reagiert und will weihnachtsmannfreie Zonen einführen. Irgendwo soll man ja sicher sein dürfen. Noch dazu braucht es Zonen, wohin sich der bayrische Katholik, bekanntermaßen eine besonders bedrohte Spezies, unbehelligt von protestantischer Propaganda zurückziehen und einfach nur er selbst sein kann. Und was für Bayern gilt, gilt für Österreich schon lange. Diese preußisch-amerikanische Kampagne muss man einfach verhindern, wenn man die alpenländische Kultur retten will.

Umso gefährlicher wird’s, wenn man sich die Sache im Detail ansieht. Dieser Santa Claus heißt eigentlich Nikolaus und kommt aus der Türkei. Dass man so jemanden nicht an Kinder heranlässt, ist jedem logisch denkenden Menschen klar. Der hat auch sicher kein Visum beantragt. Und was gibt’s gefährlicheres als einen illegal aufhältigen Türken im Land? Kosovarische Zwillinge vielleicht, aber man muss es nicht übertreiben. Und wie viele brave Studenten und Obdachlose sich anziehen wie der und sich gegen geringes Geld zum Sklaven dieser Kulturuntergrabung machen!

Vielleicht würden die Jung-CSU’ler und ähnlich gesinnte Kulturschützer hierzulande gerne zu drastischeren Maßnahmen greifen. Scheiterhaufen kommen sicher gut im Winter. Sie wärmen und spenden Licht. Nur widersprechen die möglicherweise dem Arbeitnehmerschutz für die Weihnachtsmänner vor den Einkaufszentren. Verprügeln mag in manchen Alpentälern zum guten Ton gehören – nur in unserer verweichlichten Gesellschaft darf sich ja der wehrhafte Kleinbürger nicht einmal mehr ordentlich zur Wehr setzen, wenn es wie hier ums nackte Überleben geht. Da sind die linkslinken grünrotkommunistischen Gutmenschen schuld. Die schreien sogar, wenn ein Asylwerber eine aufs Dach kriegt.

Nein, die Zeit ruft geradezu nach einem Akt präventiver Notwehr, um die heimische Kultur und das Alpenland vor dem ewigen Untergang zu retten. Und den Sinn des wahren Weihnachtens wiederherzustellen. Eine ruhige besinnliche Feier, wo die Geschenke ausgepackt werden, wenn die Kinder schön laut und falsch gesungen haben, die Mutter ganz fertig ist vom Christbaumaufputzen und vom Kochen, der Vater sich dann langsam betrinkt und in herrliche Prügellaune kommt, damit der Streit, ob man zu seinen oder ihren Eltern fährt, auch schön rustikal eskalieren kann. Danach wird eine Zigarre gepafft und es geht durch die Kälte in die Christmette, wo die Kinder wieder laut und falsch Weihnachtslieder singen können. „Ihr Kinderlein kommet“ dürfte übrigens aus aktuellen Gründen in katholischen Kirchen heuer eher nicht auf dem Programm stehen.

Ein feines, alpenländisches, katholisches Weihnachten eben. Mit einem schönen Christbaum, das muss sein. Wie es halt unsere Kultur ist und immer schon war. So gehört es sich halt. Dass der Weihnachtsbaum hierzulande erst seit wenigen Jahrzehnten heimisch ist, darf als Ironie der Geschichte gelten. Populär geworden ist er in den protestantischen Gebieten Deutschlands, nach Wien gebracht hat diesen Inbegriff alpenländisch-bodenständig-katholischen Weihnachtens eine jüdische Großbürgerfamilie. Höchstens an der aktuellen Mode für Christbaumspitzen merkt man dem Baum an, woher er kommt. Mit ihrer runden Basis und der langen Spitze sehen die Dinger aus wie preußische Pickelhauben.

Auch das mit dem Christkind als Inbegriff des katholischen Weihnachtens, ja der österreichischen Souveränität schlechthin, ist so eine Sache. Erstmals erwähnt wird es im Jahr 1531 in einem Brief aus Wittelsbach. Geschrieben von einem gewissen Martin Luther. Der empfiehlt, das Jesuskind als Geschenkebringer gegen den allzu katholischen Heiligen Nikolaus, den Weihnachtsmann, in Stellung zu bringen. Wenn man’s so sieht, ist es der Glaube ans Christkind, der das katholische Fundament des alpenländischen Weihnachtens untergräbt. Logisch wäre, den Weihnachtsmann gegen das Christkind zu beschützen. Nur haben die Jung-CSU’ler und hiesige Christkind- und Kulturverteidiger die Sticker mit dem Weihnachtsmannverbot schon drucken lassen. Und, was kümmern unwichtige Details wie die Wirklichkeit, wenn die Kultur auf dem Spiel steht. Was auch immer man darunter verstehen mag.

Außerdem, was würde man dann mit Christkindl bei Steyr machen, noch dazu wo dort das wahrscheinlich bestbesuchte Postamt Österreichs steht – sofern sie das nicht schon privatisiert haben. Jeder brave Österreicher muss dort mindestens einmal in seinem Leben seine Weihnachtspost aufgegeben haben. Das ist wie Mekka bei den Muslimen und rund um Weihnachten sieht’s dort auch so ähnlich aus. Nur, dass sich die Frauen der Kälte wegen verhüllen und die Männer aus dem gleichen Grund ihre Köpfe bedecken. In Mekka tut man das eher der Schläge der Religionspolizei wegen. Und was der schwarze Stein des Abraham und des Propheten Mohammed für den Rechtgläubigen, ist für den braven Österreicher der Stempel des heimischen Postbeamten. Bürokratenverehrung statt Mystizismus. Das nennt man kulturellen Fortschritt. Das alles könnte man sich abschminken, wenn man den ursprünglich katholischen Weihnachtsmann wieder zur Verkörperung des alpenländischen Seins schlechthin machen würde. Weihnachtsmandl klingt als Ortsname etwas holprig und St. Nikolaus würde bei weitem nicht den Charme von „Christkindl“ versprühen. Außerdem gibt’s schon ein St. Nikolaus in der Steiermark. Nicht auszudenken, wenn sich wer verfahren würde.

Das sollte als Motivation ausreichen, um den Kampf gegen den Weihnachtsmann fortzuführen. Wo’s der ohnehin so schwer hat. Als unterbezahlter Werbeträger von Coca Cola, angefeindet von seinen ursprünglichen Erfindern, angewiesen auf Rentiere zum Transport, ausgestattet mit einem primitiven Vorläufer des Nebelscheinwerfers, zum Bastard katholischer, niederländischer, nordischer und amerikanischer Vorstellung geworden – wer bitte würde da nicht zu saufen anfangen?

Vielleicht könnte man den Konflikt ein wenig entschärfen. Man könnte Weihnachten nicht stattfinden lassen. Keine einschlägige Musik, bei der sich zwischen Mitte Oktober und kurz nach Weihnachten immer wieder die Überraschung einstellt, dass man sie noch öfter spielen kann, als das ohnehin traumatisierte Ohr vermuten ließe. Keine Lichterorgien auf den Straßen, die so viel Energie verbrauchen, dass man ein mittleres afrikanisches Land damit versorgen könnte. Keine Weihnachtsartikel in den Regalen, kein Weihnachtsschmuck, den schlecht bezahlte Handelsangestellte zusätzlich zum Stress namens Weihnachtskaufrausch auf- und wieder abhängen müssen. Keine Christkindl- bzw. Weihnachtsmärkte, wo sich Menschen bei billigem Fusel den Arsch abfrieren und es merkwürdigerweise gemütlich finden. Kein „Frohe Weihnachten“ mehr, das zwei Wochen lang als Standardgruß einem aufgedrängt wird. Kein Schwafeln mehr von alleinstehenden Menschen, denen Einsamkeitsgefühle geradezu aufgedrängt werden. Keine Christbäume mehr, vor allem nicht vor Lokalen, wo Besoffene drüberstolpern können. Andererseits, dann könnte mein Hund nicht dagegen pinkeln. Ist ja doch meiner. Ein kleiner Weihnachtsmuffel. Wie ich. Falls es noch niemandem aufgefallen ist.

Christoph Baumgarten