WIEN. (hpd) In Österreich wird derzeit sehr kontrovers über die Einführung eines verpflichtenden Ethikunterrichts diskutiert, der bislang von den Kirchen kontrolliert wird. Die Konfessionsfreien wehren sich gegen diese religiöse Bevormundung und die Abschaffung ihres Grundrechtes auf Religionsfreiheit.
In der Frage der Einführung eines verbindlichen Ethikunterrichts für alle SchülerInnen, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen, hat sich der Zentralrat der Konfessionsfreien in Österreich mit einer Erklärung eingemischt.
„Seit im November bekannt wurde, dass der verpflichtende Ethikunterricht aus Budgetgründen nicht umgesetzt wird, haben seine Verfechter (katholische Kirche, ÖVP usw.) dies wiederholt kritisiert. Am 19. Januar haben Michael Bünker (Bischof der Evangelischen Kirche), Michael Wagner (Rektor der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule Wien/Krems) und Peter Kampits (Alt-Dekan der Universität Wien) eine Pressekonferenz veranstaltet, um einmal mehr diesen Ethikunterricht einzufordern.
Die Geschichte des Ethikunterrichts ist die einer ständigen Bevormundung der etwa zwei Millionen Österreicher, die keiner Religion angehören (»oRB«). Denn der Ethikunterricht betrifft nur jene, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen, d. h. Schüler die entweder konfessionsfrei sind oder der Religion ihrer Eltern durch Abmeldung den Rücken gekehrt haben. Inhalte und Vermittlung des Ethikunterrichts liegen fast ausschließlich in den Händen von Theologen und Religionslehrern. Auch im Falle der derzeit geplanten Einführung eines verpflichtenden Ethikunterrichts soll daran nichts geändert werden.
Die Konfessionsfreien werden in einer Frage, die sie unmittelbar betrifft, nie konsultiert, sie werden sogar systematisch mundtot gemacht. Der Ethikunterricht berührt aber direkt ihre Menschen- und Grundrechte, vor allem das Grundrecht auf Religionsfreiheit.
Für konfessionsfreie Menschen gilt aber offenbar dieses Grundrecht nicht. Denn im Gegensatz zum Religionsunterricht, bei dem die jeweiligen Religionen das Recht auf alleiniger Selbstbestimmung über Inhalte und Vermittler haben, gilt bei Konfessionsfreien in Punkto Vermittlung von Werten an ihre Kinder dieses Prinzip der alleinigen Selbstbestimmung nicht. Dort wo es angeblich um Ethik geht, wird die elementarste Ethik regelrecht mit Füßen getreten, zusammen mit den demokratischen Prinzipien und Grundrechten.
Der Ethikunterricht (in der jetzigen und in der geplanten Form) ist u. a. die Abschaffung des Grundrechtes auf Religionsfreiheit. Solange der Religionsunterricht erhalten bleibt, werden die anerkannten Religionen nicht das Recht haben, sich in die Angelegenheiten der Konfessionsfreien einzumischen. Wir fordern die Kirchen (katholische und evangelische), die gesamte ÖVP, die Theologen, die Religionslehrer und alle, die den Ethikunterricht auf Grund ihrer religiösen Überzeugung einfordern, auf, die Finger von unseren Menschen- und Grundrechten und vor allem von unseren Kindern zu lassen.
Die Konfessionsfreien fordern außerdem jene Rechte ein, die ihnen seit fast 50 Jahren verfassungsmäßig zustehen (Europäische Menschenrechtskonvention; 1964), nämlich die völlige rechtliche Gleichstellung aller Bürger, unabhängig ihrer religiösen oder weltanschaulichen Überzeugungen. Die Grundvoraussetzung für die Herstellung dieser rechtlichen Gleichstellung ist die ersatzlose Abschaffung sämtlicher Privilegien, die den Religionen unrechtsmäßig immer noch gewährt werden.“
Philippe F. Lorre / Heinz Oberhummer
Zentralrat der Konfessionsfreien