Stimmungstest

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Unterstützungsformular

WIEN. (hpd) Erstmals hat sich in Österreich eine breite Plattform humanistischer und laizistischer Organisationen gegen die Privilegien von Religionsgemeinschaften formiert. Sie hat das Einleitungsverfahren für ein Volksbegehren gestartet, mit dem das Parlament gezwungen werden soll, sich mit dem Thema zu befassen. Intern wie extern wird das auch als Stimmungstest gesehen.

 

Es hätte schlimmer kommen können. Seit der Buskampagne hat keine Aktion Österreichs atheistischer und humanistischer Organisationen so viel Aufmerksamkeit bekommen wie das Einleitungsverfahren für ein Volksbegehren gegen die Privilegien von Religionsgemeinschaften. Sogar in den Ö1-Religionsnachrichten wurde thematisiert, dass mehrere Gruppen eine klare Trennung von Kirche und Staat, ein Ende von Subventionen für Religionsgemeinschaften und ein Gesetz zur Aufklärung kirchlicher Gewaltverbrechen fordern. Die evangelische Kirche und die katholische Laien-Organisation „Wir sind Kirche“, die sich als kritisch versteht, sahen sich genötigt, umgehend auf Distanz zu gehen. „Wir sind Kirche“ dürfte es auch darum gegangen sein, Verwechslungen mit dem so genannten Kirchen-Volksbegehren auszuschließen. Die von hunderttausenden unterschriebene Petition aus dem Jahr 1995 hatte sich ausschließlich an den Vatikan gerichtet und kircheninterne Reformen eingefordert. Mit einem Volksbegehren im Sinn der österreichischen Verfassung hatte das damals nichts zu tun.

Mit innerkirchlichen Reformen hat die aktuelle Bewegung wenig am Hut. Ausgehend von einer Plattform von Opfern sexueller und körperlicher Gewalt durch die katholische Kirche haben sämtliche Vereine und Einrichtungen der Szene ein zweistufiges Verfahren in Gang gesetzt, das die österreichische Gesetzgebung zwingen soll, sich mit ihren Anliegen zu befassen. In Stufe eins müssen sie in den nächsten Monaten etwa 8.000 Österreicherinnen und Österreicher bewegen, ihre Forderungen zu unterschreiben. Nehmen sie diese Hürde, wird ein so genanntes Volksbegehren eingeleitet. Grob gesprochen eine Möglichkeit für Staatsbürger, Gesetzesvorschläge auch ohne Parteienunterstützung in die gesetzgebenden Körperschaften einzubringen – sofern innerhalb einer festgesetzten siebentägigen Frist 100.000 Menschen das Volksbegehren unterschreiben. Dann muss sich der Nationalrat mit den Forderungen auseinandersetzen. An Entscheidungen ist er nicht gebunden. Theoretisch können die Vorschläge zur Gänze oder teilweise als Gesetze beschlossen werden. Oder gar nicht. Was meistens passiert.

Kirchliche Privilegien

Die Liste religiöser Privilegien in Österreich ist ähnlich lang wie in Deutschland – und ähnlich komplex strukturiert. Laut vorsichtigen Schätzungen der Initiatoren bekommen die Religionsgemeinschaften deutlich mehr als eine Milliarde Euro jährlich an direkten und indirekten Subventionen. Unterstützungen für Erhalt und Bau von Kirchen und Agrarsubventionen für Größter Einzelposten ist das Unterrichtswesen. Die Gehälter der konfessionellen Religionslehrer und des Personals der konfessionellen Privatschulen allein dürften die Republik etwa 650 Millionen Euro kosten.
Die Initiatoren zeigen sich zuversichtlich, die erste Hürde zu schaffen. „In den ersten zwei Tagen hatten wir 9.000 Zugriffe auf die Homepage kirchen-privilegien.at“, zeigt sich Jakob Purkathofer erfreut. Er macht ehrenamtlich die Öffentlichkeitsarbeit der Opferplattform und des Volksbegehrens. „1.000 Menschen haben sich das Unterstützungsformular heruntergeladen.“ Prominenter Unterstützer ist Heinz Oberhummer, Vorsitzender des Zentralrats der Konfessionsfreien. „Es ist höchste Zeit, die Privilegien von Religionsgemeinschaften und damit die Diskriminierung von zwei Millionen Konfessionsfreien zu beenden.“ Eytan Reif vom Verein „Religion ist Privatsache“ gibt sich gegenüber dem hpd optimistisch. „Dass wir die 8.000 Unterschriften schaffen, sollte sich ausgehen.“ Ob die 100.000 Unterschriften im zweiten Schritt zu erreichen sein werden, traue er sich nicht zu prognostizieren. Andererseits haben vor wenigen Jahren auch obskure Plattformen wie „Heimat und Umwelt“ mehr als 100.000 Unterschriften für einen Austritt aus der EU bekommen.

Skepsis

Dass alles eitel Wonne wäre und alle Initiatoren einem sicheren Sieg entgegensehen, wäre eine Übertreibung. Hinter vorgehaltener Hand zeigen sich manche Funktionäre der unterstützenden Vereine skeptisch, ob es nicht etwas zu früh sei für eine solch breite Kampagne. Einzelne Vereine haben noch nicht einmal e-mails an die Mitglieder ausgeschickt, in die sie sie auffordern, Unterstützungsunterschriften zu leisten. Wobei die Reibungsverluste in dieser Phase kaum überraschen. Es ist die erste größere gemeinsame Aktion seit der Buskampagne 2009 und logistisch mit Sicherheit ein wesentlich größerer Aufwand als damals. Außerdem hat sich die humanistische Bewegung in den vergangenen zwei Jahren verbreitert. Ganz eingespielt scheint man noch nicht zu sein aufeinander. „Wenn man sich die Diskussionen zwischen den Unterstützern des Bildungsvolksbegehrens anschaut, sind wir vergleichsweise nicht schlecht aufgestellt. Niemand springt ab und wir haben auch ohne Geld öffentliche Aufmerksamkeit“, sagt ein Freidenker gegenüber dem hpd.

Die katholische Kirche zeigt sich zumindest offiziell unbeeindruckt. Bisher gab es keine Reaktion. Man will offenbar der Initiative nicht durch eigene Wortmeldungen mehr Aufmerksamkeit verschaffen. Insgeheim dürfte man die Sache mit großem Interesse zu verfolgen. „Am Ergebnis wird man sehen, wie viele Menschen man für sowas mobilisieren kann“, heißt es inoffiziell.

Unterstützer

Unterstützer außerhalb der größeren Vereine wie des Freidenkerbunds sehen schon das Zustandekommen als Gewinn. Der Wiener Arzt Christian Fiala, Leiter der Klinik GynMed und Gründer des Verhütungsmuseums etwa bezeichnet das Volksbegehren als „gute Sache“ und Schritt gegen die Entmündigung im „traditionell autoritätshörigen Österreich.“ Für ihn ist das Volksbegehren, ähnlich wie die parallel laufenden Initiativen gegen den EURATOM-Vertrag und für eine Reform des Bildungswesens, ein Schritt in Richtung Emanzipation. „Es ist immer ein Fortschritt, wenn Menschen über sich selbst bestimmen wollen und können.“ Fiala wird das Volksbegehren unterstützen. Ebenso wie ein Grazer Schüler, der mit 16 Jahren erstmals an einem demokratischen Prozess teilnehmen darf. Von seinem Vater wird er sich eine Entschuldigung schreiben lassen, um aufs Gemeindeamt zu gehen, wo er die Unterstützungsunterschrift leisten muss. Fehlen wird er übrigens im Ethikunterricht, den er an dieser Schule als Konfessionsfreier statt des konfessionellen Religionsunterrichts besuchen muss. Gehalten wird der von einer Religionslehrerin.

Christoph Baumgarten