(hpd) Die beiden Journalisten Andrea Röpke und Andreas Speit berichten in ihrem Buch „Mädelsache“ anhand von Fallbeispielen über die Rolle von Frauen im Rechtsextremismus. Die Stärken des Buches liegen im plastischen Eindruck als Ergebnis von investigativen Recherchen, die Schwächen im Fehlen differenzierter Einschätzungen zur Entwicklung des Frauenanteils in diesem politischen Lager.
Frauen sind im rechtsextremistischen Lager auf allen Ebenen unterrepräsentiert: Das gilt sowohl für die einfachen Mitgliedschaften wie für die Führungspositionen. Gleichwohl gab es immer wieder Bemühungen, diesen Zustand zu verändern. So entstanden Frauenorganisationen, die aber kaum eigenständige und längerfristige Aktivitäten entfalteten und relativ schnell wieder aufgelöst werden mussten. Gelegentlich konnten auch Frauen als Abgeordnete oder Funktionsträgerinnen eine bedeutende Rolle spielen. Aber hier handelte es sich meist um Ausnahmen. Gleichwohl lässt sich aktuell beobachten, dass auch in der NPD und der Neonazi-Szene Frauen durchaus in unterschiedlicher Form aktiv sind. Die beiden Journalisten Andrea Röpke und Andreas Speit, die durch Artikel und Bücher auf Basis investigativer Recherche bekannt geworden sind, wollen dazu in ihrem neuen Werk „Mädelsache! Frauen in der Neonazi-Szene“ einen „Blick hinter die Kulissen der ‚Front der Frauen’“ werfen und „aktuelle Tendenzen und Strategien dieser Szene aufzeigen“ (S. 20).
Es gliedert sich in sechs Kapitel, die im Stil einer journalistischen Reportage gehalten sind. Zunächst geht es um den „Ring Nationaler Frauen“ (RNF), der im Umfeld der NPD aktiv ist, und die „Gemeinschaft Nationaler Frauen“ (GDF), die sich als eine Art „Frauenkameradschaft“ versteht. Danach finden Frauen bei den „Autonomen Nationalisten“ und den „Freien Kräften“ am Beispiel von der „Mädelgruppe“ der „Kameradschaft Tor Berlin“ oder dem „Frontbann 24“, aber auch Frauen in traditionellen Organisation wie der „Hilfsgemeinschaft für nationale Gefangene“ (HNG) besondere Aufmerksamkeit. Gegen Ende steht noch die Rolle von Frauen in „Siedlungsprojekten“ in Mecklenburg-Vorpommern und der Umgang mit rechtsextremistischen Frauen im Zentrum des Interesses. In die jeweiligen Kapitel integriert sind Portraits von Frauen aus der Szene wie etwa von der alten Hitler-Verehrerin und Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck, der jungen Multifunktionärin Ricarda Rieflin oder der NPD-Landtagsabgeordneten Gitta Schüßler.
Bilanzierend bemerken die Autoren: „Radikal und aggressiv wirken Frauen und Mädchen in der gesamten Szene von NPD über ‚Freie Kameradschaften’ bis hin zu ‚Autonome Nationalisten’ mit: Bilden bei Aufmärschen mit Transparenten ‚Todesstrafe für Kinderschänder’ die erste Reihe, grölen Parolen wie ‚Frei, sozial, national’ bei Kundgebungen, verteilen Flugblätter für ‚Müttergehalt statt Elterngeld’ oder werben im Internet mit Podcasts für die ‚Volksgemeinschaft.“ Weiter heißt es: „Die Führung der NPD hat das politische Potential der sich engagieren wollenden Frauen erkannt. Im lokalen Alltag sind es oft die Frauen, die schnell gesellschaftliche Akzeptanz gewinnen. Bei Kommunalwahlen erreichen weibliche Kandidaten oft schon bessere Wahlergebnisse als die Männer.“ Und schließlich bemerken Röpke/Speit: „Im Hintergrund sind sie die treue Stütze der Kameraden. In der Öffentlichkeit geben sie sich selbstbewusst und energisch. Beide Optionen stehen heute Frauen in der extrem rechten Szene frei“ (S. 8f.).
Die Stärke des Bandes liegt im geschilderten direkten Eindruck, der von der Rolle von Frauen anhand bestimmter Personen und in spezifischen Situationen vermittelt wird. Hier können die beiden Autoren ihre besondere Kompetenz als investigative Journalisten ausspielen. Bei analytischen und bilanzierenden Einschätzungen bleiben sie dafür leider sehr allgemein und unverbindlich. Eine vergleichende Betrachtung wie „Anders als der Ring Nationaler Frauen will die GDF kein Sprachrohr nach außen sein, sondern die ‚Frauenkameradschaft’ nach innen stärken und so zur Stabilisierung der ersehnten nationalsozialistischen Bewegung beitragen“ (S. 62) bildet da schon die seltene Ausnahme. Insofern stellt sich auch die Frage, ob der Anteil von Frauen in der Szene tatsächlich zugenommen hat oder er nur aus politischen Interessen von Rechtsextremisten stärker herausgestellt wird. Richtig ist sicherlich, dass Frauen nicht mehr nur als Partner von Männern in die Szene kommen. Inwieweit es sich hier aber um eine neue Qualität handelt, bleibt auch nach Lektüre des Buches unklar.
Armin Pfahl-Traughber
Andrea Röpke/Andreas Speit, Mädelsache. Frauen in der Neonazi-Szene, Berlin 2011 (Ch. Links-Verlag), 237 S.