Jesusbild? Einige Lügen der Bibel

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Prof. Dr. Gerd Lüdemann / Fotos: Jürgen Hübner

ERLANGEN. (hpd) Am vergangenen Mittwoch sprach Prof. Dr. Gerd Lüdemann im Frankenhof zum Thema „Jesus der Judenfeind und andere Lügen der Bibel“. Er konnte an vielen Beispielen deutlich machen, dass die „Heilige Schrift“ nicht besonders heilig ist, sondern unter anderem Ausdruck der Machtkämpfe verschiedener Gruppen ist.

Auf Einladung der Regionalgruppe des Bund für Geistesfreiheit sprach Gerd Lüdemann über einige Ergebnisse seiner historischen Bibelforschung. Der Saal im Frankenhof war gut besucht, denn Prof. Lüdemann ist nicht nur als Wissenschaftler bekannt. Er war Inhaber eines Lehrstuhls Neues Testament an der theologischen Fakultät der Universität Göttingen. Ihm wurde aber auf Betreiben der evangelischen Kirche sein Lehrstuhl entzogen: Er hatte sich in seinem Buch „Der große Betrug. Und was Jesus wirklich sagte und tat“ (1998) von der kirchlich-offiziellen Sicht auf Jesus als den Sohn Gottes und den Stifter einer Kirche verabschiedet. Er hat zwar durchsetzen können, dass er weiter an der theologischen Fakultät lehren kann, aber mit einer anderen Lehrstuhlbezeichnung und ohne das Recht, Prüfungen abzunehmen. Seine Auseinandersetzung mit der evangelischen Kirche hat er dargestellt in „Im Würgegriff der Kirche. Für die Freiheit der theologischen Wissenschaft“ (1998).

Sein Vortrag machte deutlich, dass die „Heilige Schrift“, die Bibel, nicht besonders heilig ist, sondern dass sich in ihr unter anderem Machtkämpfe verschiedener Gruppen spiegeln.

Einleitend betont er, dass es notwendig ist, die eigenen „heilige Schriften“ zu prüfen, ob sie überhaupt korrekt sind. Auch das Christentum hat solche historischen Texte als Glaubensgrundlage ihrer Gemeinschaften.

„Geschichte aber kann verfälscht und Geschichtsschreibung auf vielerlei Art manipuliert werden. Je weiter man in die Vergangenheit zurückgeht, desto schwerer sind neutrale von parteiischer Berichterstattung zu unterscheiden. Es gibt Nachrichtenmangel, Irrtum, Versehen, Unwissenheit aber auch bewusste Täuschungen, d. h. Lügen.

Quellenkritische Arbeiten an den Glaubensurkunden der Kirche führten zu folgenden Ergebnissen:

„Sieben der 27 Dokumente des Neuen Testaments sind echt, drei vielleicht echt, die übrigen bewegen sich zwischen Unechtheit und Anonymität.“

So fragwürdig das bereits ist, zeigt eine Detailanalyse, dass wesentliche Aussagen der Bibel, die sich in der Geschichte des Abendslandes verhängnisvoll als „Worte der heiligen Schrift“ ausgewirkt haben, gezielte Erfindungen sind.

Jesus der (angebliche) Judenfeind

Nach einer Erläuterung, dass die vier Evangelien aus verschiedenen Blickwinkeln und mit unterschiedlichen Zwecksetzungen verfasst wurden, legte Lüdemann besonderen Wert auf Darstellung von Jesus als Judenfeind. Dazu analysiert er aus dem Johannes-Evangelium die Passagen Joh 8,30 – 59, den Höhepunkt des so genannten Tempelstreitgesprächs zwischen Jesus und den Juden.

„In der harten Konfrontation zwischen den Juden, die sich selbst als Abrahams- bzw. Gotteskinder verstehen, aber sogleich als Teufelskinder entlarvt werden, und dem Gottessohn, der den Tod überwindet und seit Urzeiten bei Gott gewesen ist, spitzt sich der Konflikt zu; er wird an Intensität nur noch übertroffen, wenn die Juden in Kap. 18–19 Jesu Hinrichtung betreiben.“

Nach einer detaillierten Textanalyse zum Inhalt des Streites und zur Dramaturgie des Aufbaus der Darstellung kommt Lüdemann zu der Bewertung:

„Den Jesus des Johannesevangeliums hat es nur in der Phantasie gegeben. Seine totale Feindschaft gegenüber den ungläubigen Juden sucht ihresgleichen in den ersten drei Evangelien des Neuen Testaments; sie wird geradezu zum Judenhass, der wie ein roter Faden das vierte Evangelium durchzieht. Die Schärfe der Polemik erklärt sich teilweise daraus, dass Teile der Gemeinde des Johannes aus einer jüdischen Synagoge ausgeschlossen worden sind. Im Gegenzug verteufelt Johannes nun die Juden – d.h., er legt Jesus deren Verteufelung in den Mund – und lässt auf diesem dunklen Hintergrund die Würde Jesu als des mit Gott Vater vereinten Sohnes, des Judenfeindes, umso heller erstrahlen. Offenbar kommt der richtige, exklusive Glaube ohne ein feindliches Gegenüber nicht aus und findet es in den Juden, von denen die Rettung einst gekommen ist.“

Und auch weitere Details der Jesusdarstellungen in den anderen drei Evangelien des Neuen Testamentes zeigen Zweck und Absicht von Jesusdarstellungen.

  1. „Jesusworte wurden im Rahmen der Auseinandersetzungen innerhalb der frühchristlichen Gemeinde erfunden. Man borgte sich die Autorität Jesu, um konkurrierende Mitchristen zum Schweigen zu bringen. Ein Beispiel ist das unechte Jesuswort Lk 16,17: „Es ist leichter, dass der Himmel und die Erde vergehen, als dass ein einziges Häkchen vom Gesetz wegfällt.“ Das Wort entstammt einer Gemeindesituation, in der ein Kampf zwischen liberalen und konservativen Christen entbrannt war.“
  2. „Auch im Kampf gegen ungläubige Juden fälschte man Jesusworte.“
  3. „Jesusworte wurden fingiert, um die besondere Würde des Gottessohnes auszudrücken. So entstammen zwei Worte, die Jesus am Kreuz gesprochen haben soll, der erbaulichen Lektüre der alttestamentlichen Psalmen.“
  4. „Die Auffassung der neutestamentlichen Verfasser, Jesus selbst habe sein Leiden und seine Auferstehung vorhergesagt, ist widerlegt. Es handelt sich bei den diesbezüglichen Voraussagen um nachträgliche Rückdatierungen aus der Sicht des Glaubens.“
  5. „Die Auferstehung Jesu fand so, wie sie in den neutestamentlichen Evangelien beschrieben bzw. vorausgesetzt wird, mit Sicherheit nicht statt. Die diesbezüglichen Texte vom leeren Grab stammen erst aus dem zweiten Stadium des Auferstehungsglaubens, als es darum ging, die Auferstehung Jesu von den Toten dingfest zu machen.“
  6. „Sämtliche Weissagungen aus dem Alten Testament, die traditionell auf Jesus bezogen werden, haben mit diesem nichts zu tun. So sind sämtliche Voraussagen, die alljährlich im Weihnachts- und Karfreitagsgottesdienst erklingen, erst nachträglich mit Jesus in Verbindung gebracht worden.“

Im dritten Teil seines Vortrages widmete sich Gerd Lüdemann insbesondere noch dem Evangelium des Lukas, dessen Erfindungen zur „Erfolgsgeschichte“ des Christentums und seiner eigenartigen Vorliebe für das römische Militär, die ihn zu systematischen Schönfärbereien der Rolle der Römer veranlasst, indem er an zahlreichen Stellen Fiktion und Fakten vertauscht

Bilanz

Entsprechend fällt Lüdemanns Bilanz für den christlichen Glauben nicht positiv aus:

  • Die historische Kritik hat die Bibel entzaubert und ist zur Totengräberin des Glaubens geworden. Neutestamentliche Forschungen ergeben: Für den Glauben bleibt kein geschichtliches Fundament zurück, auf das er nach eigenem Bekunden angewiesen ist – und das er sich doch nur selbst ausgedacht hat.
  • Frühchristliche Fromme haben massenhaft und mit gutem Gewissen Jesussprüche erlogen, die später ihren Weg ins Neue Testament nahmen. Die gröbste Lüge ist die von Jesus dem Judenfeind.
  • Die hemmungslose Erfindung von Worten Jesu, diente gemeindlichen Zielen: unter anderem dem Kampf mit ungläubigen Juden und Dissidenten aus den eigenen Reihen.
  • Das Neue Testament kann demnach für niemanden, der seine fünf Sinne beisammen hat, noch Heilige Schrift sein. Aufklärung lässt sich eben nicht an die Ketten des Glaubens legen. Sie stürzt wie ein brausender Strom heran, gegen den alle Glaubensschleusen und -dämme machtlos sind.

Textarchiv

Der Text des Vortrages befindet sich im fowid-Textarchiv und kann dort in vollständiger Länge gelesen werden.

Interview als podcast

Mit technischer Unterstützung der Regionalgruppe der Giordano Bruno Stiftung hat Prof. Theodor Ebert anlässlich des Vortrages ein Gespräch mit Prof. Lüdemann geführt, in dem er über Wissenschaft und Wahrheit, Unterschiede zwischen Deutschland und den USA anspricht, Reaktionen seiner Kollegen und Studenten auf den Entzug seines Lehrstuhls schildert, über seinen persönlichen Werdegang berichtet und über Religion im Allgemeinen und Bibelkritik und Kirchenkritik spricht. Das Interview (12:58) ist hier zu hören.

C.F.