Vom Sinn und Unsinn des Lebens

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Lea Salomon und Michael Schmidt-Salomon / Fotos: Dennis Merbach

FRANKFURT/M. (hpd/sh). Lesung und Diskussion von und mit Michael Schmidt-Salomon und Lea Salomon, im Saalbau Bornheim / Frankfurt am Main, im Rahmen der sechsten Staffel der Veranstaltungsreihe der Säkularen Humanisten – Regionalgruppe Rhein-Main des Förderkreises der Giordano Bruno Stiftung (GBS) - in Zusammenarbeit mit DiKOM e.V. 

Bericht und Kommentar von Jochen Beck

Die dritte Veranstaltung mit Michael Schmidt-Salomon war dem Versuch geschuldet, die Barriere zwischen der Philosophie und breiten Bevölkerungskreisen zu überwinden. „Leibniz war kein Butterkeks“ ist der Titel seines neuen - gemeinsam mit Tochter Lea verfassten Buches - welches das ungleiche Autorenpaar in seiner ersten Lesung mit anschließender Diskussion dem vollen Saal präsentierte. Bücher in der Form von Dialogen zu verfassen, ist eine schon von Platon angewandte Methode. Später wurde diese Methode auch von Cicero und Galilei angewandt. Die eigene Tochter als Verständnisindikator einzusetzen, war ein Trick des Wissenschaftspublizisten Hoimar von Ditfurth. Bei Michael und Lea fällt beides zusammen.

Die Idee zu dem Buch rührte daher, weil Lea ihrem Vater vorwarf, er und seine Kollegen würden an den meisten Menschen vorbeischreiben und die Philosophie auf einen elitären Zirkel beschränken. Michael wandte zwar ein, dass ein Sachbuchautor immer einen gewissen Grad an Vorwissen voraussetzen muss und er doch im Vergleich zu Hegel und Habermas sehr verständlich schreibe, musste ihr aber doch ein Stück weit Recht geben. Und so erklärte er sich bereit, ein Buch zu den wichtigsten Themen der Philosophie aus der Sicht des Evolutionären Humanismus zu verfassen, welches für möglichst viele verständlich sein soll und vielleicht so manchem eine Grundlage zur Vertiefung bietet. Die Bedingung war allerdings, dass die Zwanzigjährige als Dialogpartnerin der Prüfstein für die Verstehbarkeit war.

 

Das Buch gliedert sich in siebzehn Gespräche, von denen die ersten acht sich Fragen der Erkenntnistheorie und der Metaphysik widmen, während in der zweiten Hälfte des Buches Themen der Lebenskunst und Ethik aufgegriffen wurden. Gemäß der aus dem gemeinsamen Werk vorgegebenen Rollenverteilung lasen die Autoren das Vorwort und ausgewählte Passagen, zwischendurch gab Michael noch einen Überblick über den Inhalt der Kapitel, die bei der Lesung unberücksichtigt bleiben mussten. Nach jedem Dialogkapitel folgt eine „Wissensinsel“ mit Informationen zur Geschichte der Philosophie. Auch Lea erwies sich als geübte Vorleserin. Aus dem Publikum wurde sie später mit der Frage konfrontiert, wie sie als Kind in ihrer religionsfreien Erziehung auf die Auseinandersetzung mit dem Tod vorbereitet wurde. Die charmante Nachwuchsautorin wurde wohl nie – auch nicht übergangsweise - mit dem Himmel vertröstet und erklärte selbstbewusst, dass sie nach bisherigen Erfahrungen mit Trauer und Tod besser umgehen könne, als die ihr bekannten Altersgenossen mit religiöser Erziehung.

Es gibt nicht viele Bücher die mit dem Anspruch antraten, Philosophie allgemeinverständlich zu machen. Wenn der Verlauf dieses Abends repräsentativ ist, dann wird das ungewöhnliche Projekt ein voller Erfolg. In der zweieinhalbjährigen Geschichte der Veranstaltungsreihe der Säkularen Humanisten Rhein Main war nie eine Veranstaltung so gut besucht und von stürmischem Beifall begleitet, wie diese Lesung aus diesem Buch über „den Sinn und Unsinn des Lebens“. Es bleibt zu hoffen, dass dieses Werk nicht das letzte seiner Art sein wird. Sei es das Michael und Lea die Buchreihe fortsetzen, oder auch andere Autoren sich in gleicher Weise als Brückenbauer betätigen und einer größeren Zahl von Menschen einen Weg zur Philosophie bahnen.

Schon vor 25 Jahren berichtete mir mein Pfarrer (ich war noch Katholik) von Studien, wonach 1000 Stunden Religionsunterricht im Verlauf eines Schülerlebens kaum Effekt haben, Konfirmanden geben unumwunden zu, dass sie sich nur wegen der Geldgeschenke konfirmieren lassen. Die Menschen verlassen die Kirchen in Scharen. Viele Geistliche erleben den Sonntagsgottesdienst als Vereinsamungsmartyrium vor leeren Kirchenbänken. Der Tag an dem die Großkirchenchristen in Deutschland auch formal eine Minderheit bilden, ist nicht mehr in weiter Ferne. Die Kirchen werden von den Menschen nicht mehr ernst genommen. Wie kann es heute auch anders sein, mit diesen Institutionen die schlechte antike Literatur - geschrieben von einfältigen und unwissenden Männern – für heilige Schriften halten müssen? Und eine der Kirchen es zudem schafft, den Erziehungssektor mit der Berufsgruppe zu beschicken, die unter allen dort relevanten Berufen (Lehrer, katholische Priester, evangelische Geistliche, Sozialpädagogen, Sozialarbeiter, Erzieher…) die Kriminalstatistik bei Kindesmissbrauch anführt?

Wenn diese Gesellschaft nicht will, dass jenes Vakuum, welches die Kirchen hinterlassen, von Sekten und Esoterikern oder Gleichgültigkeit gefüllt wird, müssen wir dafür sorgen, dass die Menschen Gelegenheit erhalten, ihre Kultur kennenzulernen. Dazu gehört auch die Einführung eines Pflichtfaches „Philosophie und Religionskunde“, welches den bekenntnisgebundenen Religionsunterricht ersetzt, damit die Schüler ihre Zeit nicht in diesem bildungsfernen Phantomunterricht absitzen, in dem man es nicht einmal wagt, elementare Bestandteile der eigenen Glaubenslehre zu vermitteln, weil diese als peinlich empfunden werden. Nicht umsonst lautet der Titel eines bekannten religionskritischen Werkes „Denn Sie wissen nicht, was sie glauben“. Wie soll eine demokratische Meinungs- und Willensbildung gelingen, ohne grundlegende intellektuelle Tugenden einer skeptischen, kritisch-rationalen Denkhaltung wie sie von der Philosophie vermittelt werden kann?

Möge das Buch von Michael Schmidt-Salomon und Lea Salomon ein erster Beitrag dazu sein, dass die humanistische Philosophie ihren Weg zu vielen Menschen findet.

Als Michael die Fragen des Publikums zur Toleranz beantwortete, merkt man ihm an, dass er hier unter dem Eindruck seines Rechtsstreites mit Bischof Müller von Regensburg stand. Inzwischen hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem Urteil vom 24.02.2011 abschließend festgestellt, dass der Bischof in der Auseinandersetzung „seine Pflicht zur Sorgfalt, Sachlichkeit und Wahrhaftigkeit nicht erfüllt hat“ und verurteilte ihn zur Übernahme von Michaels Anwaltskosten. In seiner Stellungnahme zu diesem Verfahren hat der 43igjährige Philosoph auch darauf hingewiesen, dass er seit Jahren Morddrohungen erhält und dabei auch - bedingt durch seinen Namen - mit antisemitischen Beschimpfungen konfrontiert wird. Der Bischof würde ihn mit seinen falschen Behauptungen zusätzlich gefährden. Einer dieser Drohanrufe gehört zu den besonders drastischen Kindheitserinnerungen Leas, die als Zehnjährige mal im falschen Moment das Gespräch annahm. Inzwischen wurde bekannt, dass Seine Exzellenz sich bei dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig um Revision des Urteils bemühen möchte.

 

Die Säkularen Humanisten Rhein-Main treffen sich wieder in Frankfurt am Main, am 15.04.2011 um 19:00 Uhr, im 2. Stock des Club Voltaire, in der Kleinen Hochstraße Nr. 5. Interessierte sind jederzeit herzlich willkommen.
Der nächste Termin der Veranstaltungsreihe ist am 06.05.2010 um 19:30 Uhr, siehe hierzu auf www.saekulare-humanisten.de.

 

 

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