Grundrechte-Report 2011 veröffentlicht

KARLSRUHE. (hpd/hu) Am heutigen Verfassungstag wurde in Karlsruhe der aktuelle Grundrechte-Report 2011 durch Renate Jaeger, ehemalige Richterin am Europäischen Menschenrechtsgerichtshof und Bundesverfassungsgericht, der Öffentlichkeit vorgestellt. Bürgerrechtler warnen: Antiterrorkampf darf nicht zur Totalüberwachung führen.

Der Report, der jährlich im Fischer Taschenbuchverlag erscheint, dokumentiert mit vielen Beispielen, wie deutsche Staatsorgane die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger immer noch und jedes Jahr wieder verletzen.

"Der Grundrechte-Report informiert und bewegt. Er hält unser Gewissen wach, damit wir uns angesichts der Gräuel in aller Welt nicht beruhigt zurücklehnen, weil in Deutschland alles besser ist. Besser heißt noch lange nicht gut" - mit diesen Worten fasste Renate Jaeger die Bedeutung und Wirkung des Grundrechte-Reports 2011 zusammen.

Zehn Jahre nach dem 11. September 2001 und der daraufhin erfolgten Antiterrorpolitik zeigen sich die Herausgeber des Grundrechte-Reports besorgt darüber, dass auch im Jahr 2011 unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung die lückenlose Überwachung der Bevölkerung vorangetrieben werde. Angesichts der Warnungen der "Dienste" vor Terroranschlägen müssten endlich alle "Sicherheitslücken" geschlossen werden - heißt es.

Die Herausgeber des warnen davor, dass so genannte Sicherheitslücken mit überwachungsbedürftigen Lebensbereichen gleichgesetzt würden. "Wer jede Kommunikation zwischen Menschen, jede Lebensäußerung überwachen und registrieren will, um mögliche Straftaten bereits weit im Vorfeld vereiteln zu können, greift den Kerngehalt der Grundrechte an," sagte Martin Kutscha, Staatsrechtslehrer und Mitherausgeber.

Anlässlich der heutigen Präsentation berichtete eine betroffene Studentin über einen Fall, in dem die Polizei einen verdeckten Ermittler (im Klartext: Spitzel) in die linke Szene an der Universität Heidelberg einschleuste, um sich ein Lagebild über Personen und Aktivitäten zu verschaffen. Rechtsanwalt Martin Heiming, Vorsitzender des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins (RAV), Mitherausgeber des Grundrechte-Reports: "Welcher Student, welche Studentin wird noch Lust verspüren, sich politisch zu engagieren, wenn man damit rechnen muss, dass immer einer dabei ist, der sozusagen eine Handy-Standleitung zur Abteilung Staatsschutz der örtlichen Polizei betreibt?"

Positiv zu vermelden ist, dass der Schutz der Grundrechte heute vermehrt auch von europäischen und internationalen Normen und Institutionen ausgeht. So war es beispielsweise der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, der im vergangenen Jahr (erneut) die Bundesrepublik Deutschland wegen des laxen Umgangs mit dem absoluten Folterverbot rügte - auch über diesen "Fall Daschner" berichtet der neue Report. Außerdem: Das Recht auf Familie für Migrantinnen und Migranten wird durch das Recht der Europäischen Union geschützt, die UN-Kinderrechtskonvention stärkt die Kinderrechte auch für Flüchtlingskinder in Deutschland.

Der Grundrechte-Report ist ein gemeinsames Projekt von acht Bürgerrechtsorganisationen: Humanistische Union, Komitee für Grundrechte und Demokratie, Bundesarbeitskreis Kritischer Juragruppen, PRO ASYL, Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein, Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen, Internationale Liga für Menschenrechte und Neue Richtervereinigung. Diese Arbeit wurde nun schon zum 15. Mal geleistet. Die jährlichen Verfassungsschutzberichte, die aus der entgegen gesetzten Perspektive viele Bürgerinnen und Bürger als so genannte Verfassungsfeinde beargwöhnen und denunzieren, erhalten so ein notwendiges Gegengewicht.

 

Grundrechtereport 2011 - Zur Lage der Bürger- und Menschenrechte in Deutschland, Herausgeber: T. Müller-Heidelberg, U. Finckh, E. Steven, M. Pelzer, M. Heiming, M. Kutscha, R. Gössner, U. Engelfried und P. Hase. Fischer Taschenbuchverlag, Juni 2011. 250 Seiten; 9,99 € ISBN 978-3-596-19171-0