Lernen zwischen Engeln und Dämonen

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Werbebanner der Antroposophen am Kulturforum / Alle Fotos © Evelin Frerk

BERLIN. (hpd) Während eines Aktionstages „150 Jahre Rudolf Steiner 2011“ auf dem Areal des Kulturforums konnten Interessierte am Samstag „Anthroposophie erleben“. Das Arbeitszentrum Berlin der Anthroposophischen Gesellschaft hatte einen Marktplatz zur Vorstellung von Einrichtungen und Dienstleistern entsprechender Orientierung aufgebaut.

Das Angebot von Einrichtungen und Dienstleistern nach den Ideen Rudolf Steiners umfasst, von A bis Z, allein in Berlin: Ärzte, Ausbildungs- und Studienstätten, Bibliotheken, Biographiearbeiten, Biologisch-dynamische Betriebe, Buchläden, Café, eine Christengemeinschaft, Hebammen, Heileurythmisten, Heilpädagogische Einrichtungen, Heilpraktiker, Hofläden, Krankenhaus und Hospiz, Kunsttherapien, Massage und Physiotheraphie, Musiktherapie, Sprachgestaltung, Suchthilfe, Therapeutische Einrichtungen, Waldorfkindergärten und Waldorfschulen.

„Stirbt ein Mensch, wird ein Geist geboren“

Geht man davon aus, dass die Dienstleistungen primär für die eigenen Anhänger und Mitglieder erbracht werden, so fällt einem bereits auf den ersten Blick das große therapeutische Angebot verschiedenster Ansätze auf. Macht Anthroposophie also krank oder führt zumindest zu Zuständen, die nach dem Prinzip der Homöopathie therapiert werden müssen: Eine Krankheit mit der gleichen Krankheit bekämpfen? Ein Ansatzpunkt dazu ist die im Hinweinwirken in die Gesellschaft zwar als letzte genannte aber erfolgreichste Einrichtung sein, die Waldorfschulen.

 

Rudolf Steiner vertrat eine zutiefst irrationale Weltsicht. Seine Lehre wird von Engeln, Dämonen und Naturgeistern bevölkert. Seine Karma- und Temperamentenlehre sind alles andere, als harmlos und er be- und verurteilte Menschen auf diskriminierende Weise. Dennoch sind Waldorfschulen vielerorts im Trend und fühlt sich eine Vielzahl von Menschen unwiderstehlich von seiner Lehre angezogen. Wie ist das zu erklären?

Eltern, die ihre Kinder auf eine Waldorfschule schicken, machen sich Gedanken, engagieren sich, und sind bereit, viel Geld für das Wohl ihres Kindes einzusetzen. Sie wollen es vor Schulstress bewahren und ihm eine glückliche, freie und kreative Schulzeit ermöglichen. Wenn man bedenkt, wie viel Raum die Schule im Leben eines Kindes in der heutigen Zeit einnimmt, ist das nur allzu verständlich, denn die Probleme der staatlichen Schulen sind bekannt.

Waldorfschulen und die anthroposophische Lehre, auf denen sie gründen, haben sich etabliert und so sind sie zu einer anerkannten und tröstlichen Alternative für viele Eltern geworden.

Die „unwiderstehliche“ Lieblichkeit

Die Welt da draußen ist grob und schlecht, sie verführt und verdirbt deine Kinder. Wir beschützen sie und geben ihnen Geborgenheit! Das ist die Botschaft, der sich so viele Eltern nicht entziehen können. Dazu kommt eine spezielle altertümliche und romantische bis süßliche Ausdrucksweise, die offensichtlich viele anspricht. Die „emsigen“ Mädchen und „Buben“ basteln in den „Stübchen“, sie halten die „Engelchen“ fest in ihren „Fingerchen“. Sie singen von den „Zwerglein“ und stampfen kräftig mit ihren kleinen „Füßchen“. In ihren „Äuglein“ leuchtet „freudige“ und „stolze“ Erwartung nach dem „gemeinsamen Schaffen“, wenn das „Glöckchen“ zu …usw..

Man kann allerdings nur hoffen, dass das „Kindchen“ da mitspielt. Denn die Kehrseite der Medaille ist, dass im Waldorf-Kindergarten selbst Zweijährige, die das alles nicht so gut finden, die murren, laut oder gar aggressiv werden oder auch einfach nur während des Essens zu viel plappern, schnell mal vor dem „Türchen“ landen.

Tatsächlich kann einem das Lächeln auf dem Gesicht gefrieren, wenn man hinter die Fassade schaut. Dann muss man nur zu oft feststellen, wie scheinheilig die anthroposophische Lieblichkeit sein kann.

Die gern verdrängte Kehrseite

Wenn man bedenkt, wie bereitwillig viele Menschen an Horoskope, Wahrsager und Geister glauben, relativiert sich die erste Verwunderung über die Akzeptanz anthroposophischer Engelchen und über das esoterische Gerede von Karma und Wiedergeburt.

Schwieriger wird es allerdings, wenn man genauer hinschaut. Denn Rudolf Steiner, Urvater und Gründer der Anthroposophie und Waldorfpädagogik, hat nicht nur nette einfältige Vorstellungen, sondern auch viele gefährliche „Weisheiten“ verbreitet. „Anthroposophie ist eine irrationale Weltsicht, die die Existenz von Engeln und Dämonen, Volks- und Rassengeistern behauptet, sie ist antidemokratisch und elitär und lehrt, dass das Leben der Menschen von Karma aus früheren Leben bestimmt ist“, erklärt der Journalist Peter Bierl, der sich jahrelang mit der Anthroposophie beschäftigt hat.

Wer meint, solche Lehren würden heute keine Rolle mehr in der Waldorfschule spielen, irrt gewaltig. Neben seiner Karma- und Temperamentenlehre werden auf der Waldorfschule bis heute abstruse und eindeutig rassistische Vorstellungen Steiners zu den „menschlichen Rassen“ gelehrt (z. B. zu Steiners Rassismus). Ein ehemaliger Waldorfschüler erzählt: „Im Epochen-Unterricht der Waldorf-Schule wurde zum Thema »Rasse« von meiner Klassenlehrerin so formuliert: »Es gibt Menschen mit Gebrechen und auch unterschiedlicher Hautfarbe, die vor allen Dingen unsere Hilfe brauchen, damit sie ihr Karma verbessern und in einer nächsten Reinkarnation als helle Gestalten wiederkommen können. Dieses gilt auch für körperbehinderte Kinder.“

Was nicht verdrängt werden kann, wird entschuldigt

Steiners Auffassungen und Lehren werden von vielen als eben für seine Zeit üblich und „verständlich“ bagatellisiert. Es komme schließlich, wie überall, vor allem auf den Lehrer an, so das Argument, wenn man Waldorfpädagogen und Waldorfeltern auf Steiners zum Teil irrwitziges Weltbild anspricht. Wie bei der Bibel und in der Kirche lesen, und hören die Menschen das heraus, was sie hören wollen, und verharmlosen oder ignorieren das, was ihnen nicht gefällt.

Eine Waldorf-Mutter berichtet: „Mir als Mutter waren die „Ideale“ der Waldorfschule, mit denen ich mich immer wieder beschäftigt hatte, so sinnvoll erschienen. Im Vergleich zu meiner Herkunft und Erziehung erlebte ich sie als „Horizonterweiterung“; dass die Wirklichkeit ganz anders aussah, konnte ich mir selbst lange nicht eingestehen. Dazu kommt, dass man sich als Mutter, bzw. Eltern sehr eingebunden fühlt in die „Familie“ Waldorfschule (…) Ich habe dann auch viele Entschuldigungen gefunden für die Unzulänglichkeiten und Fehlleistungen der Lehrer und des ganzen Systems“.

Der allwissende Lehrer

Die Kinder, die in die Waldorfschule geschickt werden, kommen um Steiners Lehren allerdings nicht so leicht herum. Sie werden einer Pädagogik ausgeliefert, deren Prinzipien und Richtlinien Rudolf Steiner weder in der Praxis studiert, noch je überprüft hat. Steiner hat sie „meditativ geschaut“. Und weil sich diese somit aus „höheren Sphären“ kommenden und sich nur dem „hellsichtigen Seher“ Steiner „offenbarenden“ Prinzipien jeder empirischen Prüfung entziehen, bleibt Steiner für seine Anhänger eine nicht hinterfragbare Gestalt. Die Richtigkeit seiner Ideen und Ausführungen sind, wie Sybille-Christin Jacob und Detlef Drewes in ihrem Buch, „Aus der Waldorfschule geplaudert“, feststellen, seit über 80 Jahren Anthroposophie in fast unveränderter Form maßgeblich.

Darüber hinaus kommt dem Lehrer eine besondere Stellung zu: „Das Mandat, das Steiner seinen Anhängern gegeben hat, ist absolut. Wo die Freiheit des Geistes waltet, herrscht er anthroposophisch.“ Als eine Art Allwissender darf der Lehrer von den Schülern nicht infrage gestellt werden. „Dasjenige, was der Lehrer sagt, das ist das, was meine Seele glauben soll, das was der Lehrer tut, ist für mich Gebot“, erklärt Rudolf Steiner die Aufgabe des Schülers (R. Steiner, Erziehungs- und Unterrichtsmethoden). Steiners Mahnung von 1923 an seine Waldorfschüler, „Denkt darüber nach meine lieben Kinder, dass jedes Mal wenn eure Lehrer von euch etwas Schweres verlangen, ihr ihnen liebevoll gehorcht,“ wird, so Sybille-Christin Jacob, auch heute noch in der Waldorfschule regelmäßig gemeinsam gelesen.(„Aus der Waldorfschule geplaudert“ S.115)

Wem das nicht schon gruselig genug ist, dem lässt sich noch erzählen, dass weder eine pädagogische noch sonst eine fachspezifische oder akademische Ausbildung nötig ist, um an einer Waldorfschule lehren zu dürfen. Jeder, der eine zweijährige Waldorflehrerausbildung gemacht hat, bei der tatsächlich noch Steiners Mythen unhinterfragt gelehrt werden, ist berechtigt, Kinder fachlich und psychologisch zu beurteilen und zu verurteilen.