Ein kurzweiliger Genuss: Heilige Scheiße

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Buchtitel: Bastei Lübbe

(hpd) Wären wir ohne Religion wirklich besser dran? Das fragen Stefan Bonner und Anne Weiss, deren beiden ersten Bücher Generation Doof und Doof It Yourself „eine Ewigkeit lang“ (Klappentext) auf den Bestsellerlisten standen. Putzmunter, unverschämt und gnadenlos führt ihre interessante Reise durch die Welt der Gläubigen und Ungläubigen, wie man sie so nur selten gesehen hat.

In der „Einleitung. Am Anfang war das Wort...“ beginnen sie mit dem Weltjugendtag 2005 in Köln, Benedetto wird zum Popestar und es kommt in öffentlichen Verkehrsmitteln zu Pilgerverstopfungen. Allerdings entdecken die beiden bei genauerem Hinsehen, „dass der heilige Schein trügt“ und es möglicherweise nicht um Frömmigkeit, sondern, durchaus im Sinne der Nächstenliebe, um Fromms gehen könnte (S. 9). Sie stellen im Zuge der Ermittlungen außerdem fest, dass es heutzutage für den „Nazarener Fischerverein“ nicht viel apokalyptischer aussehen könnte (S. 11). Stattdessen wenden sich Menschen in einem spaßreligiösen „Transzendenztohuwabohu“ (S. 15) lieber Teekannen, einem rosafarbenem unsichtbaren Einhorn oder fliegenden Spaghettimonstern zu.

In den sechs Kapiteln geht es um die christliche Leere in unseren Köpfen (1. „Denn sie wissen nicht, was sie glauben sollen), darum, warum uns der Allmächtige egal ist (2. „Gestatten, Generation Gottlos“) und was man der Bibel noch glauben kann (3. „Psalmen haben kurze Beine“). Wären wir ohne Kirche besser dran? (4. „Das Imperium tritt zurück“), wie wir uns eine eigene Religion basteln (5. „Es muss nicht immer Jesus sein“) und dass auch Heidenkinder Heidenspaß haben (6. „Eden für jeden“) sind weitere Themen, bevor es zum ausgewogenen Fazit kommt: „Gehet hin in Frieden!“

Blümeranter Lifestyle vs. Düsteres Mittelalter

Wie schon Generation Doof ist das Werk sehr lesefreundlich gehalten, mit allerlei Einschüben, Zeichnungen, Wortwitzen und Neologismen. Es ist zur blümeranten Unterstreichung der Thematik gespickt mit jeweils passenden Zitaten von u.a. Woody Allen, den Simpsons, Wilhelm Busch, Konrad Adenauer bis zum Kardinal Meisner.

Beim Superheldencheck (Jesus vs. Der unglaubliche Hulk, S. 83 f.) kann man sogar testen, wie Jesus im Kräftemessen mit anderen Superhelden abschneidet und wie sich das Buch der Bücher widerspricht, kann man in „Bibel für Borderliner“ (S. 99 f.) nachlesen. Aber auch zum Denksport regt selbiges Buch der Bücher an, wenn man „den Herrn doch mal beim Wort“ nimmt und beispielsweise darüber sinniert, mit wem Kain als einzig verbliebener Sohn von Adam und Eva eigentlich Kinder gezeugt hat.

Persönliche Erfahrungen der Autoren sowie Interviews finden sich ebenso wie Gedankenexperimente und Spiele. Was zum Beispiel geschähe, wenn Jesus Christus auf die Erde zurückkehrte (S. 35). Oder ob man sich allen Ernstes vorstellen könne, sich einem himmlischen Diktator zu unterwerfen und sein Leben ganz nach dessen Willen auszurichten (S. 68). Wohl eher nicht, denn unser aller Wissen, unser Leben, der Lifestyle hat sich geändert. Die Kirche und überhaupt der Glaube und die Religionen stehen in starker Konkurrenz zu weitaus verlockenderen, zeitgemäßen und logischeren Angeboten wie Superman, Lady Gaga, iPhone und Spa.

Die heutige Wirkung von Glauben, Religion, Kirche entspricht aus dieser Perspektive düsterem Mittelalter. Katholische Zeremonien aus langen Roben und hohen Hüten erinnern an eine Karnevalsprozession bzw. sie wirken „reichlich retro“ (S. 43). So jedenfalls der Eindruck, als Herr Bonner und Frau Weiss sich in eine katholische Messe im Dom zu Köln begeben. Durch das Buch hindurch treffen sich die beiden mit Gläubigen, mit Würdenträgern, sie schauen sich neugierig um und stellen unverblümt einiges fest. Doch nicht nur die konventionellen Kirchen sind Ziele ihrer Untersuchung, sondern auch Mini-Gemeinden, Jesus Freaks, Kreationisten, Evangelikale, White-Metal Bands, Spiritualität, Esoterik-Messen und Homöopathie. Ein Ergebnis: selbstgebrauter Wohlfühlglaube für die einen, ein starres System mit klaren Ansagen für die anderen. Die Bedürfnisse sind unterschiedlich.

Auf der gewissermaßen anderen Seite schaut sich das Autorengespann die Wahrheit über das Geld der Kirche sowie ihrer sozialen Einrichtungen an. Auf die Giordano-Bruno-Stiftung wird immer wieder eingegangen, aber auch andere humanistisch-säkulare oder atheistische Organisationen wie die Forschungsstelle Weltanschauungen in Deutschland (fowid), der Internationale Bund der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) oder der Humanistische Verband Deutschland (HVD) werden mehrmals zitiert, ebenso wie Interviews mit Rainer Ponitka, Philipp Möller, Herbert Steffen und Michael Schmidt-Salomon zu finden sind. Dass dabei säkular-humanistische Erkenntnisse gewinnbringend platziert werden, versteht sich beinahe von selbst.

Fazit

Von salopp bis es ernst wird, durchdringen Anne Weiss und Stefan Bonner das Phänomen des Glaubens gründlich. Dabei stoßen sie auf Zusammenhänge und entwickeln Perspektiven, die selbst Kennern des Themas neue Einblicke ermöglichen. Heilige Scheiße ist frech, unverfroren und dabei dennoch grundsätzlich wohlwollend verfasst. Es ist rundum gelungen und entlockte mir bei der Lektüre mehr als einmal ein lautes Auflachen. Meine Hoffnung: Möge es weite Verbreitung finden!

Fiona Lorenz

 

Stefan Bonner & Anne Weiss: Heilige Scheiße. Wären wir ohne Religion wirklich besser dran? Bastei Lübbe Taschenbuch, 256 Seiten. Ersterscheinung: 19.08.2011, EUR 8,99. ISBN: 978-3-404-60187-5

Beispielbild
Bild: Bastei Lübbe
Wer Stefan Bonner und Anne Weiss bei einer Lesung von Heilige Scheiße in Berlin live erleben möchte, hat dazu Gelegenheit am Mittwoch, 21.09.2011. Doch nicht nur dies, auch Thore D. Hansen wird aus seinem Thriller “Die Hand Gottes” lesen, der im September 2011 erscheint. Die Veranstaltung wird von Michael Schmidt-Salomon moderiert. Veranstaltungsort: Umspannwerk Kreuzberg, Ohlauer Straße 43, 10999 Berlin, Einlass: 18:30 Uhr, Beginn: 19:00 Uhr.

Das Buch gibt es auch im denkladen