Deutungsversuche zum Staat-Kirche-Verhältnis

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Papstrede im Konzerthaus / Foto: screenshot ZDF

FREIBURG/BERLIN. (hpd) Mit seinen beiden politikbezogenen Reden in Freiburg hat das Oberhaupt der katholischen Kirche in den eigenen Reihen in Deutschland deutliche Verwirrung ausgelöst und verschiedene Stellen beginnen mit Deutungsversuchen, wie man die katholische Kirche in Deutschland davon reinwaschen könne, ohne dabei ökonomisch nass zu werden. Im Unterschied dazu hat der Humanistische Verband eine sehr klare Interpretation zu dieser Frage.

In seinen Reden vor den Bundesfassungsrichtern und anschließend in aller Öffentlichkeit im Konzerthaus in Freiburg hat der Papst von der Kirche in Deutschland eine sehr klare „Entweltlichung“ gefordert. Da er auch die Säkularisation als schmerzhafte aber hilfreiche Befreiung der Kirche zum Glauben bewertete, ist Unruhe in katholischen Kreisen entstanden, ob damit eventuell auch die ersatzlose Beendigung der Staatsleistungen gemeint sein könnte, die ja beständig mit Ausgleichszahlungen für die angeblichen Verluste in der Säkularisation1803 begründet werden.

Das katholische domradio überschrieb umgehend eine Meldung; „Deutungsversuche zu den Freiburger Thesen“ mit dem Leitsatz: Bischöfe sehen keinen Zusammenhang mit Debatte um Staatsleistung.

So werden die klaren Anweisungen der höchsten katholischen Autorität – auch und insbesondere für die katholische Kirche in Deutschland — im ersten Schritt als „Thesen“ aufgeweicht, und in einem zweiten Schritt betont, man dürfe in die Papstäußerungen keine staatskirchenrechtlichen Konsequenzen "hineingeheimnissen".

Wie bereits im Dissens im Zusammenhang mit der Anweisung des Vatikans, dass der vor staatlichen Stellen in Deutschland erklärte Kirchenaustritt keine automatische Exkommunikation nach sich ziehen dürfe, die von den deutschen Bischöfen damit beantwortet wurde, dass man die „bewährte Praxis“ beibehalten werde, haben die Bischöfe in Deutschland auch jetzt anscheinend wieder die Absicht, die Lehrautorität des Papstes für die katholische Weltkirche schlicht zu missachten.

Privilegienbündel der Kirchen sind nicht länger haltbar

Im Unterschied dazu sieht der Präsident des Humanistischen Verbandes, Frieder Otto Wolf, Bischöfe und Politik dadurch aufgerufen, die Trennung von Staat und Kirchen endlich zu vollziehen.

Benedikt XVI. habe in seiner Ansprache unmissverständlich dafür plädiert, „die Weltlichkeit der Kirche beherzt abzulegen“, damit sich die von „materiellen und politischen Lasten und Privilegien befreite Kirche“ in der Zukunft „besser und auf wahrhaft christliche Weise“ der Welt zuwenden kann.

„Ich freue mich über diese Worte von Benedikt XVI., denn nun stehen die Vertreter der Kirche im Klerus und in der Politik in einer unabweisbaren Pflicht, den jetzt erneut vorgezeichneten Reformkurs wirklich umzusetzen.“

Dazu muss nun die seit Gründung der Bundesrepublik im Grundgesetz vorgesehene Ablösung der historischen Staatsleistungen endlich durchgeführt werden, um dem mittlerweile 92 Jahre alten Auftrag der Weimarer Verfassung zu entsprechen. Frieder Otto Wolf erklärte, dass im Rahmen der anstehenden Reform auch der Einzug der Kirchensteuer durch den Staat zu beenden ist: „Der bislang erforderliche Vermerk auf den Lohnsteuerkarten widerspricht Artikel 4 des Grundgesetzes, nach dem niemand zur Offenbarung seines weltanschaulichen oder religiösen Bekenntnisses gezwungen werden darf“, so Frieder Otto Wolf.

Wo die Kirche als Träger von sozialen und kulturellen Einrichtungen tätig ist und fast vollständig durch öffentliche Mittel finanziert wird, müssen die Sonderregeln im arbeitsrechtlichen Bereich ebenfalls aufgehoben werden. „Den verschiedenen Formen der Benachteiligung von konfessionsfreien wie auch gläubigen Menschen, die eine aus Sicht der Kirche unbequeme Lebenshaltung einnehmen, könnte so nachhaltig eine Grundlage entzogen werden“, sagte Frieder Otto Wolf dazu. Die Kirche sollte zukünftig höchstens dort ihre eigenen Moralvorstellungen zur zwingenden Regel machen dürfen, wo sie als religiöse Gemeinschaft auch zum konsequenten Verzicht auf öffentliche Mittel bereit ist.

Wolf betonte, dass staatliche Leistungen an Weltanschauungs- und Religionsgemeinschaften zur Förderung ihrer Rolle im öffentlichen Raum aber weiterhin dort erhalten bleiben sollten, wo die tatsächliche Praxis ohne Diskriminierungen realisiert wird. Wolf: „Als Beurteilungsmaßstäbe sind aus unserer Sicht weiterhin das Grundgesetz, die für Deutschland verbindlichen Normen des EU-Rechts und die Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen heranzuziehen.“

C.F. / A.P.